"Isiah Thomas weiß von uns? Richtig cool!"

Felix Götz
20. Januar 201713:05
Finn Lemke wechselte 2015 vom TBV Lemgo nach Magdeburggetty
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2,10-Meter-Riese, Abwehrspezialist, Basketball- und Fußball-Fan: Finn Lemke. Vor dem Knaller des DHB-Teams gegen Kroatien (17.45 Uhr im LIVETICKER) spricht der 24-Jährige vom SC Magdeburg im SPOX-Interview über den Showdown um den Gruppensieg, das Mantra der Bad Boys, die Memphis Grizzlies und Werder Bremen.

SPOX

SPOX: Herr Lemke, der SPOX-Kollege Ole Frerks hat kürzlich Isiah Thomas interviewt...

Finn Lemke: (unterbricht) Den früheren Point Guard der Detroit Pistons?

SPOX: Genau. Einer der Basketballspieler, der zu den "echten" Bad Boys gehörte, von denen sich das DHB-Team inspirieren ließ. Er hat sich richtig darüber gefreut, dass Jahre später eine Mannschaft aus einer anderen Sportart diesen Geist übernommen hat.

Lemke: Das ist ja richtig cool. Diese Herangehensweise der Bad Boys ist für uns schon so etwas wie unser Mantra. Diese Mentalität, um jeden Preis gewinnen zu wollen. Diese Message, dass man auch dann etwas bewegen kann, wenn man nicht das größte Talent hat, dafür aber als Team zusammensteht und alles gibt. Das alles haben die gezeigt. Ich freue mich wirklich riesig, dass ihr unsere Geschichte Thomas zugetragen habt, er jetzt von uns weiß und sich dann auch noch ein bisschen darüber gefreut hat.

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SPOX: Sie sind ja nicht nur wegen des Films über die Bad Boys an Basketball interessiert, sondern insgesamt. Für welches Team schlägt Ihr Herz und warum?

Lemke: Ich mag die Memphis Grizzlies um Tony Allen, weil die auch richtig Defense spielen. Außerdem finde ich das Team sympathisch, weil es eher aus soliden Spielern besteht und nicht so sehr aus außergewöhnlichen Stars.

SPOX: Wie sieht es mit europäischem Basketball aus?

Lemke: BBL, Euroleague - das interessiert mich alles, das schaue ich mir alles gerne an. Ich habe einfach generell Lust auf Basketball. Dieses Spiel ist meiner Meinung nach so ziemlich das Attraktivste, was der Sport zu bieten hat. Die Sportart ist schnell, es werden viele Punkte erzielt, es passiert einfach generell sehr viel. Das ist einfach cool. Wobei ich eingestehen muss, dass ich in der NBA sicher besser informiert bin als in der BBL oder der Euroleague.

SPOX: Lassen Sie uns nochmal kurz zurück zu den Bad Boys kommen. Sie und Hendrik Pekeler haben vor allem bei der EM in Polen als gnadenloser Mittelblock dieses Image in spezieller Weise geprägt. Sie dürften sich also über seine Nachnominierung ganz besonders freuen, oder?

Lemke: Ich freue mich sehr, dass er kommt. Erstens, weil er einfach ein cooler Typ ist. Zweitens, weil er eine riesige Qualität mitbringt. Somit haben wir in der Abwehr mit Patrick Wiencek, Hendrik Pekeler und mir ein gutes Dreigespann. Das bringt uns körperliche Vorteile und wir können mehr wechseln.

SPOX: Mit Wiencek und Ihnen hat es bislang unter dem Strich ganz gut geklappt, allerdings waren auch Schwankungen in den Leistungen festzustellen. Wie bewerten Sie die bisherigen Auftritte?

Lemke: Phasenweise gut, phasenweise weniger gut. (lacht) Es ist genau so, wie Sie sagen. Da gibt es noch Spielraum, um sich zu verbessern. Es kommt darauf an, viel auf und neben der Platte miteinander zu kommunizieren und sich Videos anzuschauen.

SPOX: Wie muss man sich das vorstellen? Sitzen dann die Kandidaten für den Mittelblock zusammen und studieren die Gegner auf Video, oder macht das jeder für sich?

Lemke: Es gibt einmal ein Videostudium mit der gesamten Mannschaft, in dem man die gesamte Taktik durchgeht. Danach gibt es noch ein individuelles Studium, das jeder so gestalten kann, wie er das möchte. Anschließend kommt man nochmal zusammen und bespricht, was auf den Videos aufgefallen ist. Welche Aktionen sind typisch für einen Gegner, worauf kommt es an. Man bespricht schließlich auch nochmal mit den Torhütern die Block-Ecken und bestimmt, gegen welchen Spieler man besonders aggressiv rangehen muss und wen man vielleicht eher ein wenig kommen lassen kann.

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SPOX: Holen Sie sich eigentlich Tipps von Teammanager Oliver Roggisch ein, der ja auch wie Sie Abwehrspezialist war?

Lemke: Ja, auf jeden Fall. Er hat über 200 Länderspiele gemacht und deshalb einen riesigen Erfahrungsschatz. Während des Spiels geht das natürlich nicht, weil Oliver ja nicht auf der Bank sitzt. Das ginge aber auch so nicht, weil ich dann immer in meinem eigenen Film bin. Da haben nur die Trainer einen Einfluss. Aber er kommt schon mal in der Halbzeit zu mir her und sagt mir, was er von der Tribüne aus gesehen hat und worauf ich achten soll.

SPOX: Das Spiel zum Auftakt gegen Ungarn war überzeugend, dann kamen aber diese drei Pflichtaufgaben gegen Chile, Saudi-Arabien und Weißrussland. Sind Sie froh, jetzt endlich wieder Gegner auf Augenhöhe zu haben?

Lemke: Ja, da bin ich sogar sehr froh drüber. Wobei ich das Weißrussland-Spiel ein wenig anders bewerten würde. Da wusste man schon vorher, dass das endlich wieder ein Gegner ist, bei dem man auch mal jemanden anfassen kann. (lacht) Also dass die Gewichtsklassen stimmen und die Größe passt. So wird das auch gegen die Kroaten sein. Es macht einfach Spaß, gegen Gegner zu spielen, die ähnlich stark sind. Gegen Weißrussland haben wir zwar nicht unsere beste Leistung gezeigt, dennoch war es endlich wieder ein richtiges Handballspiel.

SPOX: Sind Partien gegen Chile und die Saudis keine richtigen Spiele?

Lemke: Ich will die Strukturen im Spiel von Chile und Saudi-Arabien nicht schlecht reden. Aber es gibt kaum angesagte Spielzüge, das ist viel Freeplay. Ich verteidige lieber gegen Teams, die strukturiert angreifen.

SPOX: Besteht die Gefahr, jetzt nicht den Schalter rechtzeitig umlegen zu können?

Lemke: Das glaube ich nicht. Ja, wir hatten in der ersten Halbzeit gegen Weißrussland Schwierigkeiten, die meiner Meinung nach von den beiden Spielen zuvor kamen. Plötzlich gegen jemanden zu spielen, der auch körperlich etwas entgegenzusetzen hat, ist nicht so einfach. Da mussten wir uns erstmal wieder reinfinden. Weil es aber im Spiel besser geworden ist, können wir darauf aufbauen. Wir werden gegen Kroatien voll da sein.

SPOX: Was macht die Kroaten besonders gefährlich?

Lemke: Kroatien ist auf jeder Position mit Spielern besetzt, die in der Champions League spielen. Das ist eine international erfahrene Truppe, auch wenn viele jüngere Spieler mit dabei sind. Und dann haben sie mit Domagoj Duvnjak, Filip Ivic im Tor, der hervorragend spielt, oder Linksaußen Manuel Strlek einfach ein paar Spieler von Weltformat dabei. Unsere Aufgabe ist es, den Kroaten diese individuellen Stärken wegzunehmen und sie im Kollektiv zu besiegen.

Kroatien-Star Duvnjak: Motor, Herz und Hirn

SPOX: Wie wichtig ist eigentlich den Spielern der Gruppensieg vor dem Hintergrund, dass der Erste nach Paris und der Zweite nach Montpellier reisen muss? Oder wird sogar nach dem Motto taktiert, der Gruppensieger könnte schon im Halbfinale auf Frankreich treffen, der Zweite erst im Endspiel?

Lemke: Das versuche ich komplett auszublenden. Mir geht es einfach nur darum, jedes Spiel unbedingt gewinnen zu wollen. Siege gegen Gegner auf Augenhöhe sind das Schönste, was es im Handball gibt. Das ist gut für die Stimmung, das ist gut für das Selbstvertrauen, das brauchen wir einfach, um die nächsten Aufgaben lösen zu können.

SPOX: Wie schon die Partien zuvor wird auch das Kroatien-Spiel natürlich nicht im TV zu sehen sein. Welche Reaktionen bekommen Sie darauf aus der Heimat?

Lemke: Im ersten Spiel gab es ja ein paar Probleme, ansonsten funktioniert es aber wohl. Die sind alle froh, dass sie die Spiele überhaupt sehen können und kommen damit gut zu recht. Besser als nichts, kann man da wohl sagen.

SPOX: Abschließende Frage. Sie sind Fan von Werder Bremen ...

Lemke: (unterbricht) Und deshalb ziemlich leiderprobt.

SPOX: Als VfB-Fan kann ich davon ein Lied singen.

Lemke: (lacht laut) Ach Gott, dann geht es Ihnen auch nicht besser.

SPOX: Was ich eigentlich wissen wollte: Was reißt Werder in der Rückrunde?

Lemke: Ich vertraue Trainer Alexander Nouri und gehe davon aus, dass er mit der Mannschaft den Abstieg verhindern kann. Allerdings verlief die Vorbereitung nach allem, was ich gelesen habe, ja mal wieder nicht so gut. Offensiv hat Werder aber durchaus Qualität, das sollte den Ausschlag geben. Hoffe ich zumindest.

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