Damals wurde das DHB-Team in der Folge Europameister. Wie gefährlich ist Norwegen dieses Mal? SPOX klärt auf.
Vorneweg: Es wäre ein großer Fehler, Norwegen auf Superstar Sander Sagosen zu reduzieren. "Norwegen spielt den schnellsten Ball und die beste zweite Welle bei der WM", sagt Mimi Kraus im Gespräch mit SPOX und nennt damit die größte Stärke des Teams von Coach Christian Berge. Das unfassbare Tempo.
Norwegens beeindruckender Tempo-Handball
Norwegen hat in den bisherigen acht Spielen bei der WM stolze 66 Tore im Tempogegenstoß erzielt. Das ist der mit Abstand beste Wert aller Mannschaften und der Hauptgrund, warum Norwegen auch insgesamt die beste Chancenverwertung (70 Prozent) aller Teams vorweist. Zum Vergleich: Die DHB-Auswahl, die an sich auch Tempo-Handball spielen will, steht in dieser Statistik bei 30 Toren weniger (36).
In einem absolut überragenden Turnier ist die phasenweise fehlende Konsequenz im Gegenstoß und der zweiten und dritten Welle der vielleicht einzige Kritikpunkt am deutschen Spiel. Erst im letzten Hauptrunden-Spiel gegen Spanien wurden die Gegenstöße mit mehr Wucht durchgezogen, womöglich auch aufgrund der angenehmen Situation, ohne Druck aufspielen zu können.
Klar ist vor dem Halbfinale, dass Deutschland Norwegens Tempospiel kontrollieren muss, wenn es mit dem Finaleinzug klappen soll. Besonders aufpassen muss das Team von Christian Prokop auf Magnus Jöndal. Der Linksaußen der SG Flensburg-Handewitt spielt eine grandiose WM und liegt mit 46 Toren aktuell auf Rang vier der Torschützenliste. Seine abartige Quote: 90 Prozent (46/51, 14/15 Siebenmeter).
Ein All-Star-Team ohne Sagosen? Gibt's nicht!
Das Außen-Duo mit Jöndal und Kristian Björnsen (HSG Wetzlar), Kapitän Bjarte Myrhol (Skjern) am Kreis, Rückraum-Ass Christian O'Sullivan (SC Magdeburg), Hüne Magnus Röd (SG Flensburg-Handewitt), ein gutes Torhüter-Gespann mit Torbjörn Bergerud (SG Flensburg-Handewitt) und Espen Christensen (GWD Minden, hat mit 42 Prozent abgewehrter Bälle die beste Quote aller Torhüter der WM) - Norwegen ist mehr als nur Sander Sagosen.
Dennoch: Wer an Norwegen denkt, der denkt vor allem an Sagosen. "Norwegen hat Sagosen, da braucht man nicht groß darüber zu reden, er ist einer der besten Spieler der Welt. Dazu eine gute Abwehr mit guten Torhütern, da muss schon viel stimmen, dass wir das gewinnen", sagte Deutschlands bisheriger WM-MVP Patrick Wiencek in Stefan Kretzschmars launigem Handball-Talk nach dem Spanien-Spiel.
Ein kurzer Blick auf Sagosens Auszeichnungen veranschaulicht, von welcher Kategorie Spieler wir hier sprechen. Weltbester Nachwuchsspieler 2015, 2016 und 2017, All-Star bei der EM 2016, All-Star bei der WM 2017, All-Star bei der EM 2018, All-Star in der Champions-League-Saison 2017/2018. Eine Berufung ins All-Star-Team der WM 2019 scheint Formsache. Noch Fragen?
Sagosen der unumstrittene Anführer
"Sagosen ist für seine Größe ein sehr beweglicher Spieler. Er ist deckungsstark, er hat Übersicht und einen starken Wurf - Sagosen ist ein kompletter Spieler vom Kaliber eines Nikola Karabatic", beschreibt Kraus die außergewöhnlichen Fähigkeiten des PSG-Superstars, der mit Hanna Bredal Oftedal, einer norwegischen Handballerin, liiert ist.
PSG-Teamkollege Karabatic selbst prophezeite bereits, dass Sagosen einmal der beste Spieler der Welt sein werde. Weit davon weg ist der 23-Jährige, der im bisherigen Turnierverlauf wie Uwe Gensheimer 42 Tore auf dem Konto hat, jetzt schon nicht.
Ein Beweis ist das Vertrauen, das sein Nationaltrainer in ihn setzt. Sagosen ist mehr als ein torgefährlicher Spielmacher. Er ist mehr als der verlängerte Arm von Berge. Er ist schon fast eine Art gleichberechtigter Spielertrainer, der in Auszeiten und bei der Taktikbesprechung vor den Spielen den Ton angibt.
Sagosen wird derjenige sein, von dem Berge erwartet, dass er sich einen Plan überlegt, wie sich Norwegen gegen das deutsche Abwehr-Bollwerk durchsetzen kann. Egal, ob es gegen die traditionelle deutsche 6-0-Deckung oder die 5-1 mit Hendrik Pekeler auf der Spitze geht.
Ähnlicher Krimi wie im EM-Halbfinale 2016?
Es droht ein ähnlicher Krimi wie im EM-Halbfinale 2016 in Polen, als sich Deutschland nach Verlängerung mit 34:33 durchsetzen konnte. Rune Dahmke rettete das DHB-Team damals in die Verlängerung, Kai Häfner warf dort im letzten Angriff fünf Sekunden vor Schluss das Tor zum Finale. Als Star des Spiels durfte sich nach 10 Toren ein gewisser Tobias Reichmann fühlen.
Kann Norwegen Revanche nehmen? Oder wird Deutschland wieder zum Albtraum für Sagosen und Co.? Letzteres ist gut möglich, aber beileibe keine sichere Nummer. Es wird sich zeigen, ob es wirklich ein Vorteil war, Dänemark aus dem Weg zu gehen.
Fakt ist, dass Norwegen selbst als Vize-Weltmeister von 2017 zwar immer noch etwas unter dem Radar fliegt, aber längst viel mehr als ein Geheimfavorit ist und nach der Entwicklung in den vergangenen Jahren eigentlich auch mal an der Reihe wäre mit einem großen Titel. Mit "Super-Sagosen", wie er in der heimischen Presse genannt wird, haben sie auf jeden Fall den großen Spieler, der große Spiele entscheiden kann.
Handball-WM: Die Endrunde im Überblick
Runde | Datum | Uhrzeit | Paarung | Ergebnis |
Halbfinale | Freitag, 25. Januar | 17.30 Uhr | Frankreich - Dänemark | |
Halbfinale | Freitag, 25. Januar | 20.30 Uhr | Deutschland - Norwegen | |
Spiel um Platz 7 | Samstag, 26. Januar | 17.30 Uhr | Spanien - Ägypten | |
Spiel um Platz 5 | Samstag, 26. Januar | 20.30 Uhr | Kroatien - Schweden | |
Spiel um Platz 3 | Sonntag, 27. Januar | 14.30 Uhr | ||
Finale | Sonntag, 27. Januar | 17.30 Uhr |