Wenn sich Andreas Wolff im Turnier-Modus befindet, verhält er sich nach Spielen häufig gleich: Der 27-Jährige setzt sein Pokerface auf und antwortet dennoch leicht gequält auf die mehr oder weniger sinnvollen Fragen der Journalisten.
Der Torhüter versucht zwar in diesen Momenten - egal ob die vorangegangene Partie nun gut, mittel oder schlecht lief - Gelassenheit auszustrahlen. Vollständig gelingt ihm das aber selten, er wirkt trotz des ruhigen Gesichtsausdrucks meistens etwas aufgekratzt. Fast so, als würde es in ihm brodeln.
Nach dem Sieg gegen Spanien dürfte das ganz bestimmt der Fall gewesen sein. Der Mann vom THW Kiel wehrte in den ersten 18 Minuten zwei von 13 Würfen ab, was eine Quote von 15,38 Prozent bedeutet und für einen Keeper von seinem Kaliber äußerst mau ist.
Wolff hat noch Luft nach oben
Schaut man sich die nackten Zahlen an, könnte man ohnehin zu dem Schluss kommen, dass es noch nicht Wolffs WM ist. Im Torhüter-Ranking belegt er mit 63 Paraden und einer Quote von 36,42 Prozent Platz acht.
Spielt man ein wenig herum und nimmt die starken Werte vom Auftaktspiel gegen Korea weg, weil es der einzige Gegner war, der nicht ansatzweise auf dem Level des DHB-Teams zu Hause ist, bleiben nur noch 32,88 Prozent abgewehrte Bälle übrig.
"Es geht nicht immer um die Anzahl der gehaltenen Bälle, sondern auch darum, die wichtigen Bälle zu halten", sagte Christian Prokop: "Andi hat richtig starke Phasen in jedem Spiel, in denen er Big Points setzt. Da muss ich nur an das Kroatien-Spiel denken."
Womit der Bundestrainer natürlich richtig liegt: Gegen die Kroaten zeigte Wolff in der Schlussphase eine unglaubliche Parade gegen Zeljko Musa. Wenig später spielte der Rheinländer einen großartigen Pass auf Hendrik Pekeler, der erfolgreich abschloss und damit für die Vorentscheidung sorgte.
Handball-WM: Die Endrunde im Überblick
Runde | Datum | Uhrzeit | Paarung | Ergebnis |
Halbfinale | Freitag, 25. Januar | 17.30 Uhr | Frankreich - Dänemark | |
Halbfinale | Freitag, 25. Januar | 20.30 Uhr | Deutschland - Norwegen | |
Spiel um Platz 7 | Samstag, 26. Januar | 17.30 Uhr | Spanien - Ägypten | |
Spiel um Platz 5 | Samstag, 26. Januar | 20.30 Uhr | Kroatien - Schweden | |
Spiel um Platz 3 | Sonntag, 27. Januar | 14.30 Uhr | ||
Finale | Sonntag, 27. Januar | 17.30 Uhr |
Wolff: Die "Bestia Negra" der EM 2016
Zur Klarstellung: Wolffs WM-Werte sind keinesfalls schlecht, sie sind für seine Verhältnisse nur eben noch nicht besonders gut. Das liegt auch an der Messlatte, die im Fall des 81-maligen Nationalspielers verdammt hoch liegt.
Denkt man an Wolff, denkt man unweigerlich an die EM in Polen. Beim Titelgewinn zeigte er fantastische Leistungen mit dem absoluten Höhepunkt im Endspiel gegen Spanien, als Wolff 16 von 33 Würfen entschärfte und eine sagenhafte Quote von 48 Prozent erreichte.
Der zweimalige Handballer des Jahres wurde ins EM-All-Star-Team gewählt, von der deutschen Öffentlichkeit gefeiert wie selten ein Vertreter seiner Sportart zuvor und von spanischen Medien ehrfürchtig als "Bestia Negra", betitelt.
Wolff: "Es ist teilweise etwas unbefriedigend"
Eine "schwarze Bestie", die das Tor vernagelt und eine Partie fast im Alleingang entscheidet, ist Wolff beim derzeitigen Turnier noch nicht. Das liegt merkwürdiger Weise zum Teil an der überragenden Leistung seiner Vorderleute.
"Für mich ist es manchmal etwas unbefriedigend, weil ich bei der Abwehr kaum einen Ball auf das Tor bekomme und minutenlang gar nicht mitspielen darf", erklärte Wolff in den vergangenen Tagen nur halb im Spaß gleich zwei Mal.
Es ist eine Situation, die für einen Torhüter nicht so einfach ist. "Das ist schwierig, absolut", sagte Bob Hanning dazu: "Weil wenn so eine starke Abwehr mal etwas durchlässt, sind das in aller Regel freie Würfe. Und dann ist es für einen Torhüter kompliziert, in ein Spiel hineinzufinden."
Allerdings betonte der DHB-Vizepräsident ähnlich wie Prokop: "Zu einem Weltklasse-Torhüter gehört aber auch, dass er den letzten, entscheidenden Ball hält. Und das hat er gegen Kroatien beispielsweise getan."
Heinevetter gegen Spanien mit ordentlicher Vorstellung
Gegen Spanien war das anders, dafür lief es endlich einmal für Silvio Heinevetter mit acht teilweise sehr wichtigen Paraden ordentlich. Der Keeper der Füchse Berlin, der insgesamt bei dieser WM eine Quote von 32 Prozent aufweist und damit im Gesamtranking Platz 14 belegt, wurde vor dem Turnier von Prokop zur Nummer 2 hinter Wolff erklärt, obwohl er im Dezember im Verein grandios gehalten hatte.
Außer im bedeutungslosen Vorrundenspiel gegen Serbien und nun gegen Spanien kam "Heine" kaum zum Zug. Wenn der 34-Jährige dann doch mal während einer Schwächephase der Nummer 1 in eine Partie geworfen wurde, bekam er meist kaum einen Ball zu packen. Ganz bitter war es gegen Kroatien, als Heinevetter zwei Bälle auf das Tor bekam, beide drin waren und er sich umgehend auf der Bank wiederfand.
"Dass Heine jetzt ein gutes Spiel gemacht hat, kann für uns hintenraus noch ganz wichtig werden", meinte Hanning. Und Prokop lobte: "Er hat eine sehr gute Leistung gebracht, vor allem die Pässe von hinten heraus. Da war kein Fehler dabei, er hatte eine gute Abwägung zwischen einem Risiko- und einem Zweite-Welle-Pass."
Prokop: "Wir brauchen alle am Optimum"
Sicher ist: Will die deutsche Auswahl das Handball-Märchen tatsächlich mit einem Happy End beschließen, braucht es noch einmal eine Steigerung von Wolff und Heinevetter, die eigentlich beide zu den Weltbesten ihrer Zunft gehören.
Alle Halbfinalisten, also Norwegen, Frankreich und Dänemark, haben aktuell mindestens einen Torhüter, der bessere Zahlen als das deutsche Duo aufweist.
"Ich bin zufrieden", lautete Prokops Torhüter-Fazit am Mittwochabend: "Aber wir wissen, dass wir alle am Optimum brauchen, wenn wir auch das Halbfinale gewinnen wollen."
Es wird also Zeit für die erste große Show der Bestie.