Der überzeugende Sieg gegen Österreich und der damit verbundene Einzug ins Spiel um Platz fünf in Stockholm verkamen zur Randnotiz. In den Katakomben der Wiener Stadthalle herrschte aufgrund eines anderen Themas zumindest ein wenig dicke Luft.
Die mediale Kritik und die Schlagzeilen der vergangenen Tage hatten ihre Spuren hinterlassen. Mancher Beteiligte verspürte deshalb den Drang, seine Sicht der Dinge darzulegen.
"Die Trainer-Diskussion wurde nicht von uns, sondern medial aufgemacht. Dann wird man dazu gefragt, man analysiert ein Turnier, wie man das immer tut - und dann wird man dafür kritisiert, dass man den Trainer infrage gestellt hätte. Das ist ganz großer Journalismus, dazu kann ich euch allen nur gratulieren", meckerte Bob Hanning mit einer ordentlichen Portion Sarkasmus in Richtung der deutschen Medienvertreter.
Hanning: "Dafür muss man ziemlich böswillig sein"
Er habe den Trainer "nicht ein einziges Mal öffentlich infrage gestellt", sagte der DHB-Vizepräsident weiter. Und sein Satz, der am Sonntag für reichlich Wirbel gesorgt hatte, sei so ohnehin nie gefallen. Nicht "wir müssen sehen, was die Mannschaft mit dem Trainer macht", sondern "was die Mannschaft und der Trainer machen", habe er gesagt.
"Wenn man den Satz, den ich gesagt habe, so deuten möchte, wie das teilweise gemacht wurde, dann kann man das machen. Aber dafür muss man schon ziemlich böswillig sein", polterte der Macher der Füchse Berlin weiter.
Hanning war der Satz als eine Art Ultimatum an Prokop ausgelegt worden. So, als würde die Mannschaft mit ihrem Auftritt gegen Österreich darüber entscheiden, ob sie mit diesem Bundestrainer weitermachen möchte oder nicht.
"Wir haben uns eindrucksvoll entschieden", sagte der einmal mehr bärenstarke Rechtsaußen Timo Kastening (6 Tore bei 7 Würfen) darauf angesprochen, betonte aber ebenso wie Uwe Gensheimer, nichts von dem Hanning-Satz mitbekommen zu haben. "Zu uns hat Bob das nicht gesagt und es wäre ja auch Quatsch", meinte der Kapitän: "Ich verstehe nicht, warum in irgendeiner Art und Weise Druck auf den Trainer ausgeübt wird."
DHB-Team vollzieht Schulterschluss mit Prokop
Die Mannschaft vollzog ohne Ausnahme öffentlich den Schulterschluss mit Prokop. Man wolle mit dem Bundestrainer die EM mit den beiden letzten Partien gegen Tschechien (Mi., 20.30 Uhr) und dem Spiel um Platz fünf in Stockholm (Sa., 16 Uhr) bestmöglich zu Ende bringen und anschließend im April die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio meistern.
"Die Gemeinschaft zwischen Mannschaft und Trainer steht, egal was passiert. Wir sind wieder perfekt vorbereitet worden. Für uns stellt sich überhaupt keine Trainerfrage, null", stellte der gegen Österreich herausragende Torhüter Jogi Bitter (15 von 28, 54 Prozent) klar.
Und der gegen den Gastgeber schwächelnde Andreas Wolff (2 von 11, 18 Prozent) ergänzte: "Wenn die Mannschaft mit 12 Toren gewinnt, dann will sie den Trainer behalten. Ich denke, dass Bob das Team womöglich etwas kitzeln wollte. Wenn dem so gewesen sein sollte, dann hat seine Taktik gezündet. "
Prokop wehrt sich: "Finde ich völlig überflüssig"
Auch Prokop selbst wehrte sich für seine Verhältnisse vehement gegen die Kritik an seiner Person. Diese sei "ein Unding", sagte der 41-Jährige: "Ich kann vieles verstehen, wenn man den Trainer infrage stellt. Aber wenn man so gegen Kroatien spielt, mit all den Ausfällen, und dann wird diese Diskussion aufgemacht. Das ist schon sehr bitter. Wir haben sechs Ausfälle, deshalb ist es schon lobenswert, wie diese Mannschaft sich ins Turnier gekämpft hat. Da geht es mir nicht nur um das nackte Ergebnis."
Er habe es sich angewöhnt, während eines Turniers wenig Zeitung oder Nachrichten zu lesen, meinte Prokop weiter. Er könne aber nicht verheimlichen, dass er die Kritik trotzdem mitbekommen habe. Er habe Nachrichten bekommen, in denen Freunde gefragt hätten, was da los sei und dass das ja nicht sein könne.
"Dann ist man schon ein wenig nachdenklich und unruhig, das ist keine schöne Situation. Ich finde es völlig überflüssig", sagte der Bundestrainer: "Wir haben gegen Kroatien mit einem Tor verloren nach einem riesigen Kampf. Wenn das in Deutschland der Maßstab ist, dass danach der Trainer infrage gestellt wird, dann muss ich das hinnehmen. Man muss aber den Maßstab nehmen, wie diese Mannschaft spielt und welches Gefühl sie dem Publikum gibt. Wie kämpft sie um die Bälle und wie entwickelt sie sich weiter. Und da sind wir auf dem Weg in die richtige Richtung."
Pekeler und Hanning schießen gegen Stephan zurück
Das wiederum sehen nicht alle so, wenn man die bisherige EM als Ganzes betrachtet. Die Vorrunde in Trondheim war zweifelsohne schlecht. Das vom DHB und der Mannschaft selbst gesteckte Ziel Halbfinale wurde verfehlt.
Die deutlichste Kritik äußerte der frühere Welthandballer Daniel Stephan. Prokop sei "nicht der Richtige", sagte der 46-Jährige im Kretzsche-Talk und legte im Gespräch mit dem Sportbuzzer nach: "Er hat international keine Erfahrung. Da ist die Basis schon mal nicht so optimal. Dann kam die EM 2018. Die ging daneben. Die Heim-WM war ganz gut. Nur: Auch da hat man die Defizite gesehen. Seitdem hat sich nichts verbessert. Der Angriff ist genauso statisch wie vor einem Jahr. Hinzu kommen seine Auswechseleien, die eher verunsichern. Auch in den Auszeiten kann man mehr rauskitzeln. Er hat der Mannschaft keine Stabilität gegeben."
Stephans Kritik kam beim DHB-Team nicht gut an. Kreisläufer Hendrik Pekeler meinte, man müsse Stephans Aussagen "nicht so wichtig nehmen. Das hat alles einen negativen Touch. Mich interessiert das überhaupt nicht."
Wesentlich heftiger fiel Hannings Abrechnung mit Stephan aus: "Jeder disqualifiziert sich, so gut er kann. Und er hat schon häufiger eindrucksvoll bewiesen, dass er darin die Goldmedaille verdient hätte."