Als Uwe Gensheimer zu Timo Kastening befragt wurde, kam gerade Bob Hanning in seinem pinkfarbenen Jackett durch die Mixed Zone der Wiener Stadthalle geschlendert. Der Kapitän sah den DHB-Vizepräsidenten an und begann zu grinsen. "Timo ist gefühlt 1,50 Meter groß - ungefähr so groß wie Bob", sagte er daraufhin und musste wie auch Hanning lachen: "Aber er macht die Dinger rein."
Kastening ist zwar immerhin 1,80 Meter groß. Mit der Aussage, der Rechtsaußen würde "die Dinger reinmachen", hatte Gensheimer aber zweifelsohne recht. Der 24-Jährige versenkte gegen Weißrussland alle seine sechs Würfe. Insgesamt traf der Mann von der TSV Hannover-Burgdorf, der im Sommer zur MT Melsungen wechseln wird, bei dieser EM bislang 15 seiner 18 Versuche und damit 83,3 Prozent.
"Timo hat das richtig gut gemacht. Er hat Bälle geklaut, leichte Gegenstoßtore erzielt - solche Jungs brauchen wir. Er spielt mit unglaublich viel Leidenschaft und hat schon das ganze Turnier über diese Lockerheit, die vielen Spielern in der Vorrunde gefehlt hat. Der Junge macht einfach Spaß", sagte DHB-Teammanager Oliver Roggisch im Gespräch mit SPOX.
Hanning: "Kastening ist völlig befreit"
Kastening ist damit der einzige DHB-Spieler bei diesem bislang so zähen Turnier, der in den ersten vier Partien vollends überzeugt hat. Auch wenn er in der vergangenen HBL-Saison mit 190 Toren viertbester Werfer der Liga war und in dieser Spielzeit bislang über fünf Treffer pro Partie für Hannover erzielt, war damit nicht zu rechnen.
Schließlich absolvierte der Niedersachse, der eigentlich nur als Backup für Tobias Reichmann fungieren sollte, erst vor zehn Monaten sein erstes Länderspiel. Mittlerweile steht er bei gerade einmal elf Auftritten im Trikot der Mannschaft von Bundestrainer Christian Prokop.
"Timo ist völlig befreit", erklärte Hanning, der nebenbei bemerkt 1,68 Meter groß ist, die starken Leistungen Kastenings: "Der macht sich viel weniger einen Kopf, als das mancher erfahrene Spieler tut. Das kann in solchen Situationen helfen. Er tut der Mannschaft mit seiner Unbekümmertheit gut."
Kastening: "Deutsche konzentrieren sich schnell auf negative Dinge"
Kastening gehörte zu den wenigen DHB-Akteuren, die sich selbst von den mauen Auftritten in der Vorrunde in Trondheim die Laune nicht ansatzweise verderben ließen. Der gebürtige Stadthagener sprach die schwachen Leistungen in Norwegen ungeschönt an, richtete dann aber den Blick sofort nach vorne.
"Wir wissen, dass wir es besser machen müssen. Und wir haben Bock, es besser zu machen. Die Deutschen konzentrieren sich sehr schnell auf negative Dinge. Das ist nicht mein Ding", meinte Kastening, dem es "einfach Spaß macht, bei dieser Mannschaft zu sein".
Der Spielplan der deutschen Mannschaft
Termin | Team 1 | Team 2 |
18. Januar, 20.30 Uhr | Kroatien | Deutschland |
20. Januar, 20.30 Uhr | Österreich | Deutschland |
22. Januar, 20.30 Uhr | Tschechien | Deutschland |
Kastening steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden
Trotz der jüngsten Erfolge merkt man Kastening, der 2008 vom TSV Barsinghausen in die Jugend der Recken gewechselt ist, sofort an, dass er mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht. Er weiß die Situation offenbar richtig einzuordnen.
"Wenn du die Bälle reinmachst, dann sieht das immer unbekümmert aus. Ich bin ein Spieler, der sehr viel mit Trickwürfen arbeitet. Wenn ich die am Anfang nicht gemacht hätte, dann hätte jeder gesagt: Der Junge muss mal durchziehen und soll dieses Pillepalle sein lassen. Gut, dass es unbekümmert aussieht, aber es ist nicht so, dass ich mir keine Gedanken machen würde. Ich weiß, dass sich die Situation ganz schnell ändern kann. Deshalb will ich einfach fleißig bleiben."
Kastening ist der Kabinen-DJ beim DHB-Team
Neben der Platte macht er das beispielsweise auch als Kabinen-DJ der Nationalmannschaft. Diesen Job hat er nach seinem ersten DHB-Lehrgang von Torhüter Silvio Heinevetter, der letztlich nicht für die EM nominiert wurde, aufs Auge gedrückt bekommen.
Bei der Europameisterschaft, seinem ersten großen Turnier als Nationalspieler, legt er Rap, House, Ballermannmusik oder Rock auf. Mittlerweile weiß er, dass auch ein bisschen Metal nicht schaden kann. "Wenn man vor dem Spiel Enter Sandman von Metallica spielt, dann wird jeder heiß", sagte Kastening.
Übrigens: Kastening war der DHB-Spieler, dessen Namen Bundestrainer Prokop während einer Auszeit im Auftaktspiel gegen die Niederlande nicht mehr eingefallen ist. "Äh, äh, wie heißt du", hatte Prokop gefragt und damit für einen Social-Media-Kracher gesorgt.
Mittlerweile ist Timo Kastening nicht nur dem Bundestrainer bestens bekannt.