3. Diesen Vorwurf kann man Prokop bislang machen
Sascha Staat: Man muss Prokop sogar Vorwürfe machen. Er trägt als Trainer die Verantwortung, auch wenn das so einfach klingt. Man wird das Gefühl nicht los, dass Prokop und seine Spieler nicht auf einer Wellenlänge liegen. In den Auszeiten nutzt er Formulierungen, die aus seinen Spielern nicht das heraus kitzeln, was nötig wäre, um maximale Leistungen zu bringen. Die Bereitschaft, bis zum Ende und am besten noch darüber hinaus Vollgas zu geben, erreicht er bei den Spielern nicht. Das ist aber bitter nötig, um wieder sicherer zu werden und souveräner aufzutreten.
Markus Götz: Als Außenstehender sieht man Prokops Wirken ja nur zum Teil. Die Kaderauswahl ist für mich völlig in Ordnung. Mir fällt kein einziger Spieler ein, der noch zwingend dabei sein müsste. Von den Verletzten abgesehen. Allerdings habe ich den Eindruck, dass er unter diesem gewaltigen Stress ein wenig in alte Verhaltensmuster zurückfällt, nachdem er sich nach der EM 2018 wahnsinnig bemüht hat, diese Dinge abzustellen. Da geht es vor allen Dingen um Kommunikation und deren Wirkung. Ich habe zum Beispiel in den Auszeiten Sachen gehört, die aus meiner Sicht nicht gut bei der Mannschaft ankommen. Zum Beispiel rhetorische Fragen: "Und wie gewinnen wir jetzt das Spiel?" Selbst wenn er es nicht so meint, wirkt das meines Erachtens schnell oberlehrerhaft. Oder mit Formulierungen in Auszeiten wie "ihr müsst handlungsorientiert bleiben", damit kann ich nicht viel anfangen. Klar: Wenn es gut laufen würde, würde sich darüber niemand aufregen. Aber solche Aussagen halte ich für ungeschickt. Es ist absolut entscheidend, dass der Trainer die Mannschaft hinter sich hat. Wie das Verhältnis im Moment zur Mannschaft tatsächlich ist, kann ich aber nicht wirklich beurteilen.
Florian Regelmann: So einige. Punkt 1: Jeder wusste seit langer Zeit um die Bedeutung des Spanien-Spiels. Jeder wusste, was die Spanier machen. Und das DHB-Team war von der ersten Sekunde an nicht bereit für dieses Spiel. Ich bin der Letzte, der die Spieler aus der Verantwortung nehmen will, aber das ist völlig ohne Frage Trainerverantwortung. Punkt 2: Missmanagement der Torhüter. Auch da will ich Wolff und Bitter nicht rausnehmen und alles auf Prokop schieben, aber warum er gegen Spanien zu Wolff zurückgewechselt hat und warum er gegen Lettland dann in der zweiten Halbzeit auch nochmal Wolff gebracht hat, habe ich absolut nicht verstanden. Aber auch sonst: Warum lässt er gegen Lettland so lange eine völlig ineffektive 3-2-1-Deckung spielen? Und ja, er ist grundsätzlich nicht der Typ dafür, aber warum macht er gegen Lettland in der Phase des Grauens ausschließlich taktische Ansagen, ohne sein Team emotional mal wachzurütteln? Es wäre ungerecht, alles auf Prokop abzuladen, aber wenn er es nicht schafft, in der Hauptrunde ein ganz anderes Team auf die Platte zu bringen, werden wir nach der EM - mal wieder - eine Prokop-Diskussion bekommen.
Felix Götz: Was die Kadernominierung angeht, kann man dem Bundestrainer auch meiner Meinung nach keinen Vorwurf machen. Ich finde die Zusammenstellung absolut in Ordnung, das ist die beste Auswahl, die nach den vielen verletzungsbedingten Absagen bleibt. Grundsätzlich muss man Prokop aber natürlich vorwerfen, dass er nicht ansatzweise das Potenzial der Truppe ausschöpft. Das sind immer noch alles mindestens gute Bundesligaspieler. Die Aufgabe eines Trainers ist es, aus den vorhandenen Möglichkeiten das Beste zu machen - das gelingt ihm bisher eindeutig nicht. Prokop wirkt auf mich aktuell wieder ähnlich unsicher wie bei der EM 2018. Bei mir drängt sich ähnlich wie bei Markus folgender Eindruck auf: Wenn es nicht läuft, ist er nicht mehr cool. Zu seinen von euch schon angesprochenen Ansprachen in den Auszeiten: Positiv finde ich, dass er die Spieler miteinbezieht. Negativ fällt mir auf, dass er nicht in der Lage zu sein scheint, das Team emotional zu packen. Auch das gehört für mich zu den Aufgaben eines Trainers.