Hängende Köpfe und enttäuschte Blicke auf der deutschen Seite, Jubel und Ekstase auf der portugiesischen! So sah es am siebten Spieltag der Champions League in der Kieler Sparkassen-Arena aus, als der FC Porto dem THW Kiel sensationell die erste Niederlage der CL-Saison beibrachte. Es dürfte nur ein Vorgeschmack auf das sein, was die Handballwelt in den kommenden Jahren erwartet.
Denn: Der portugiesische Handball erlebt einen Aufschwung. Finanziert von den Fußballabteilungen konnten die großen Klubs FC Porto, Benfica und Sporting Lissabon in den vergangenen Jahren internationale Stars wie Rene Toft Hansen, Petar Djordjic oder Marko Vujin verpflichten, die Erfolge der Klubs im internationalen Vergleich mehren sich.
"Das beeinflusst auch die einheimischen Spieler", sagt Christina Rann, Deutsch-Portugiesin und als Sky-Moderatorin lange Zeit in den Handballhallen Europas unterwegs, zu SPOX und spielt damit auf das gestiegene Niveau innerhalb der Liga an.
Portugal: Noch regiert der König Fußball
In der öffentlichen Wahrnehmung allerdings regiert weiterhin der Fußball, die anstehende Handball-EM wird nicht mal im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen sein. "Ganz nüchtern wurde mir gesagt, dass der Handball in Portugal sogar erst nach Rollhockey und Futsal kommt", sagt Rann.
Und dennoch, der Aufschwung ist spürbar.
Ausgangspunkt für das aufflammende Interesse am Handball war eine Sensation: Auf dem Weg zur ersten EM-Teilnahme seit 2006 schlug Portugal in der Quali Rekordweltmeister Frankreich mit 33:27 - es war der erste Sieg gegen die Franzosen überhaupt. Und einer mit Wirkung: "In Guimaraes waren fast 4000 Zuschauer komplett aus dem Häuschen und in der Folge stieg das öffentliche Interesse spürbar. Das macht Hoffnung für die Zukunft", erklärt Rann optimistisch.
Handball in Portugal: U-Nationalmannschaften feiern Erfolge
Dafür, dass die Erfolge der Portugiesen im Welthandball in den kommenden Jahren nicht kleiner werden, sprechen vor allem die Erfolge in den U-Nationalmannschaften. Bei den vergangenen Großturnieren stießen sowohl die U19 als auch die U20 und U21 ins Halbfinale vor und zeigten, welches Potenzial in ihnen steckt.
Speziell die U21 spielte bei der WM 2019 in Spanien groß auf und kegelte auf dem Weg zur ersten Halbfinalteilnahme seit 1995 unter anderem das deutsche Team aus dem Turnier.
Auffälligster Akteur im portugiesischen Kader war dabei ein gewisser Luis Frade, der es nicht nur ins All-Star-Team schaffte, sondern aktuell auch als eines der größten Kreisläufer-Talente weltweit gehandelt wird.
Gilberto Duarte: Der Topstar verpasst die EM
Auch in der A-Nationalmannschaft sammelt Frade bereits seit längerem Erfahrungen, war unter anderem beim Erfolg über die Franzosen mit an Bord und markierte einen Treffer. Dem 21-Jährigen stehen im EM-Aufgebot mit Gustavo Capdeville (22), Miguel Martins (22) und Andre Gomes (21) weitere Talente von Weltformat zur Seite.
Besondere Verantwortung kommt den Youngstern auch deshalb zu, weil der einzige Topstar Portugals, Rückraumspieler Gilberto Duarte (Montpellier HB), verletzungsbedingt ausfällt.
Dieser sei zwar nicht zu gleichwertig zu ersetzen, sagt Rann, und vergleicht die Bedeutung von Duarte mit der von Cristiano Ronaldo für die Fußballer - "aber erinnern Sie sich an das Fußball-EM-Finale 2016?" Dort holte Portugal auch ohne den früh verletzt ausgewechselten Ronaldo bekanntlich den Titel.
Handball-EM: Portugal mit einer Hammergruppe
So weit wird die Reise der Handballer wohl nicht gehen, ein ernstzunehmender Gegner für Mannschaften aus der Weltspitze dürfte Portugal erst in einigen Jahren werden, wenn Frade und Co. ihr bestes Handballalter erreicht haben.
Bei der EM wäre das Überstehen der Vorrunde bereits ein Coup, auch weil mit Norwegen und Frankreich in der Gruppe D zwei Turnierfavoriten als Gegner warten.
"In anderer Konstellation wäre ich fest von einem Weiterkommen ausgegangen, so müssen die Daumen noch fester gedrückt werden", sagt Rann. Die Hoffnung in Handball-Portugal lebt.
- Portugals Spiele in der Vorrunde der EM
Datum | Uhrzeit | Gegner |
10. Januar | 18.15 Uhr | Frankreich |
12. Januar | 16.00 Uhr | Bosnien-Herzegowina |
14. Januar | 20.30 Uhr | Norwegen |