Handball-WM - Erkenntnisse zum DHB-Team: Gislason sorgt für Rätselraten - "Böhmi" muss die Büffel stoppen

Felix Götz
20. Januar 202108:53
Alfred Gislason und das DHB-Team haben gegen Ungarn verloren.getty
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Nach der 28:29-Niederlage gegen Ungarn ist das DHB-Team bei der WM in Ägypten in der Hauptrunde bereits zum Siegen verdammt. Fabian Böhm könnte der Schlüssel zur Lösung der Abwehrproblematik sein. Ein Trio macht im Angriff Mut. Und: Bundestrainer Alfred Gislason gibt mit seinem Umgang mit Kapitän Uwe Gensheimer Rätsel auf.

1. Jetzt helfen nur noch Siege

Ungarn (4 Punkte), Spanien (3), Deutschland (2), Polen (2): Aller Voraussicht nach werden sich in der Hauptrundengruppe I diese vier Teams um die beiden Plätze streiten, die zur Teilnahme am Viertelfinale berechtigen. Brasilien (1) dürfte lediglich eine Minimalchance haben, Uruguay (0) wird nach menschlichem Ermessen drei heftige Klatschen kassieren.

Für das DHB-Team ist somit klar: Am Donnerstag muss zum Auftakt direkt ein Sieg gegen Europameister Spanien her, um die Chance auf das Weiterkommen weiterhin in den eigenen Händen zu halten. Bei einem Remis wäre das Aus so gut wie besiegelt, bei einer Pleite könnte nur noch ein Wunder helfen. Die Aufgabe wird alles andere als leicht, scheint aber nicht unlösbar.

Die Iberer kamen in der Vorrunde gegen Brasilien nur zu einem Remis (29:29) und setzten sich auch gegen Polen lediglich mit größter Mühe durch (27:26). Nur gegen Tunesien gelang ein relativ überzeugender Erfolg (36:30). Andererseits ist die jüngste Erinnerung der deutschen Mannschaft an die Spanier schlecht. Bei der EM 2020 war Deutschland in der Vorrunde in Trondheim beim 26:33 komplett chancenlos.

"Spanien ist noch einen Tick besser als Ungarn", sagte Gislason: "Aber wenn wir bei dieser Weltmeisterschaft eine gute Platzierung erreichen wollen, dann müssen wir sie schlagen. Dazu müssen insgesamt mehr Dinge als gegen Ungarn funktionieren."

Selbst bei einem Sieg könnte sich sein Team in den folgenden Partien am Samstag gegen Brasilien und zwei Tage später gegen Polen keinen Ausrutscher erlauben. Während die Südamerikaner nach ihrem Remis gegen Spanien auch aufgrund von Corona-Ausfällen rapide abbauten und nur noch einen weiteren Zähler gegen Tunesien holten (32:32), scheinen die Polen wieder auf dem Weg zurück zu alter Stärke zu sein. Die Leistungen gegen Spanien und beim deutlichen 33:23-Sieg gegen Brasilien zum Abschluss der Vorrunde waren beeindruckend.

Handball-WM: Spielplan der Hauptrundengruppe 1

DatumUhrzeitTeam 1Team 2Ergebnis
Do., 21. Januar15.30 UhrUngarnBrasilien
Do., 21. Januar18 UhrSpanienDeutschland
Do., 21. Januar20.30 UhrUruguayPolen
Sa., 23. Januar15.30 UhrDeutschlandBrasilien
Sa., 23. Januar18 UhrPolenUngarn
Sa., 23. Januar20.30 UhrUruguaySpanien
Mo., 25. Januar15.30 UhrSpanienUngarn
Mo., 25. Januar18 UhrPolenDeutschland
Mo., 25. Januar20.30 UhrBrasilienUruguay

2. Abwehr bereitet Sorgen - "Böhmi" muss ran

Dass die Absagen von Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek (beide THW Kiel) und Finn Lemke (MT Melsungen) massiv ins Gewicht fallen würden, war bereits vor der WM klar. Gegen Ungarn wurde das noch einmal deutlich.

Johannes Golla und Sebastian Firnhaber schafften es im Mittelblock in der ersten Hälfte überhaupt nicht, die Anspiele auf Kreisläufer Bence Banhidi zu verhindern, geschweige denn den Koloss von Pick Szeged am Abschluss zu hindern. Banhidi erzielte letztlich acht Tore bei acht Versuchen.

Da Firnhaber sich schnell zwei Zwei-Minuten-Strafen eingehandelt hatte und Gefahr lief, die Rote Karte zu sehen, war Gislason zum Handeln gezwungen. Und siehe da: Mit Golla und Fabian Böhm im Mittelblock sowie Paul Drux auf der Halbposition war die Abwehr beweglicher, aggressiver und damit besser.

"Anfangs waren wir in der Abwehr nicht so gut, das wurde dann aber besser. Böhm hat seine Sache sehr gut gemacht", sagte Gislason. Gut möglich, dass der Mann von der TSV Hannover-Burgdorf gegen Spanien sogar die erste Wahl ist. "Böhmi" kann die Büffel am Kreis stoppen, das hat er zumindest angedeutet.

SPOXgetty / Anne-Christine Pojoulat/Pool/AFP

Die DHB-Abwehr wird von Spanien jedenfalls enorm gefordert werden. Der Weltmeister von 2013 ist dafür bekannt, im Eins-gegen-eins und im Zwei-gegen-zwei massiv Druck auf die gegnerische Deckung auszuüben.

Zur Abwehr gehören natürlich auch die Torhüter dazu, die gegen Ungarn zugegebenermaßen viele freie Würfe auf ihren Kasten bekommen haben. Dennoch müssen sich Jogi Bitter (4 Paraden, 21 Prozent abgewehrte Bälle) und vor allem Andreas Wolff (2 Paraden, 13 Prozent) deutlich steigern. Nicht auszuschließen, dass Gislason sogar Silvio Heinevetter für Wolff in den 16er Kader zieht.

3. Angriffsspiel macht Mut - Gislason gibt Rätsel auf

Wie schon gegen Uruguay ließ das DHB-Team auch gegen Ungarn zu viele klare Chancen aus. Gegen die Urus scheiterte Kapitän Uwe Gensheimer mehrfach bei einfachen Abschlüssen. Gegen Ungarn ließ Rechtsaußen Timo Kastening hundertprozentige Möglichkeiten liegen. Letztlich versenkte die deutsche Auswahl lediglich 64 Prozent ihrer Würfe.

"Da müssen wir unbedingt konsequenter sein, das geht so nicht. Wir spielen uns teilweise gut die Chancen heraus, nutzen sie dann aber zu häufig nicht", meinte Gislason.

Trotzdem macht das Angriffsspiel insgesamt Mut. Julius Kühn und Kai Häfner versenkten zwar jeweils nur drei ihrer sieben Würfe, tauchten aber im Gegensatz zu früheren Turnieren danach nicht komplett ab. Das gilt übrigens für die gesamte Mannschaft. Die Moral der Truppe - das zeigte sich bei der Aufholjagd nach dem 10:15-Rückstand - stimmt eindeutig.

Richtig gut gefiel in der zweiten Hälfte die Rückraum-Variante mit Drux, Häfner und dem starken Spielmacher Philipp Weber, der fünf seiner sechs Würfe im Tor unterbrachte. Das Trio brachte die ungarische Deckung immer wieder in Bewegung und erzwang so Lücken.

"Unser Angriff ist auch gegen Spanien in der Lage, Lösungen zu finden. Wir müssen viel Tempo machen, Spielfreude und Emotionalität zeigen. Dann können wir im Angriff überlegen sein", sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer.

SPOXgetty

Etwas rätselhaft war übrigens Gislasons Vorgehen auf Linksaußen. In einem so vorentscheidenden Spiel wie gegen Ungarn setzte er seinen Kapitän Gensheimer zunächst auf die Bank und ließ stattdessen den WM-Debütanten Marcel Schiller ran.

Der machte seine Sache überragend, war mit sieben Toren bester deutscher Werfer und verwandelte alle vier Siebenmeter, musste zu Beginn der zweiten Halbzeit aber trotzdem für Gensheimer weichen. Gensheimer blieb mit einem Tor bei einem Versuch relativ blass.