Handball-EM - Christian "Blacky" Schwarzer im Interview: "Die EM bewegt sich in Richtung Farce"

Christian Schwarzer wurde 2007 mit Deutschland Weltmeister.
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Christian "Blacky" Schwarzer ist eine der großen Legenden der deutschen Handball-Geschichte. Im Interview mit SPOX spricht der 52-Jährige über die Faszination Nationalmannschaft und die Corona-Situation beim DHB-Team, die sich am Mittwoch durch weitere Fälle weiter verschlimmerte.

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Der Weltmeister von 2007 verrät vor dem Spiel gegen Polen (18 Uhr im LIVETICKER), warum ihm vor allem Philipp Weber große Hoffnung macht. Und er erklärt, in welchen Bereichen sich die Mannschaft noch steigern muss.

Corona-Chaos immer schlimmer! Nächste Ausfälle beim DHB-Team

Herr Schwarzer, das Ende Ihrer Nationalmannschaftskarriere liegt mittlerweile fast 15 Jahre zurück. Würden Sie sich zu Beginn eines großen Turniers trotzdem am liebsten immer wieder ein Trikot überziehen und auf die Platte stürmen?

Christian Schwarzer: Gedanklich ja, körperlich nein. (lacht) Es gibt nach wie vor eine Mannschaft der Ehemaligen, mit der wir in Zeiten ohne Corona vier, fünf oder sechs Mal im Jahr spielen. Mit den alten Kollegen zusammenzukommen und den Ball nochmal selbst in die Hand zu nehmen, macht unheimlich viel Spaß. Aber auch bei diesen Spielen fällt zunehmend auf: Der Kopf kann alles, aber der Körper setzt die Dinge leider nicht mehr so um, wie man sich das vorstellt.

Was hat für Sie den besonderen Reiz von Turnieren mit dem DHB-Team ausgemacht?

Schwarzer: Den Adler auf der Brust zu tragen, sich mit Kumpels zu treffen, Spaß zu haben, Dinge im Training zu erarbeiten und dann im Turnier so umzusetzen, dass dabei Medaillen herausspringen oder man gemeinsam etwas aus dem Pokal trinken kann. Das mit den Medaillen hat zum Glück ganz gut geklappt bei mir. Leider war der WM-Pokal 2007 so eine komische Figur und die EM-Trophäe 2004 ein Teller. Da konnte man maximal draus essen. Die Nationalmannschaft hat mich immer fasziniert. Ich durfte viele Momente erleben, die du dir nicht kaufen kannst.

Christian Schwarzer wurde 2007 mit Deutschland Weltmeister.
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Christian Schwarzer wurde 2007 mit Deutschland Weltmeister.

Lassen Sie uns über die EM sprechen. Am Montagabend gab es den nächsten Corona-Hammer. Nach Julius Kühn und Nachrücker Hendrik Wagner wurden auch Andreas Wolff, Kai Häfner, Timo Kastening, Lukas Mertens und Luca Witzke positiv getestet. Wie bewerten Sie die Situation?

Schwarzer: Ich habe am Montagabend Handball geschaut und plötzlich erzählte Kretzsche als Experte, dass es fünf weitere Coronafälle im deutschen Team gibt. Ich dachte im ersten Moment, das wäre ein schlechter Scherz. Dann kamen ruckzuck mehrere WhatsApp-Nachrichten und mir wurde klar, dass es die bittere Wahrheit ist. Ich weiß gar nicht, was ich zu dieser Situation sagen soll. Die Frage ist: Wann kommt das Ende? Man muss ja fast damit rechnen, dass es noch weitere positive Fälle geben wird.

Es ist ja nicht so, dass nur die deutsche Mannschaft von Corona betroffen ist. Wird die EM sportlich gesehen nicht allmählich zur Farce?

Schwarzer: Die EM bewegt sich in Richtung Farce, das muss man so sagen. Es ist ja auch völlig unklar, wie das jetzt mit den nachnominierten Spielern weitergeht. Man muss sich nur mal vor Augen führen, wie es mit Wagner gelaufen ist. Der kommt nach Bratislava und muss direkt ins Quarantäne-Hotel. Es ist eine wahnwitzige Situation für ihn und insgesamt sehr gewöhnungsbedürftig, das Turnier unter solchen Bedingungen zu spielen. Es wäre bitter und für unsere Sportart schlecht, wenn am Ende die Mannschaft Europameister werden würde, die die wenigsten Coronafälle hat. Das Beispiel von Julius Kühn & Co. zeigt, dass es dich auch dann erwischen kann, wenn du nichts falsch machst. Aber: Die Mannschaften tun alles, halten sich an Protokolle und dann hörst du die Berichte von Nikola Karabatic aus Ungarn vor der EM, die ich erschreckend fand. Es ist für mich unbegreiflich, wie es sein kann, dass in diesen Zeiten neben den Mannschaften noch normale Gäste im gleichen Hotel untergebracht werden. Wir müssen aufpassen, dass es am Ende nicht heißt: Die Handballer sind nicht ganz dicht und haben noch nie etwas von Corona gehört.

Müsste die EHF einen Abbruch in Betracht ziehen?

Schwarzer: Es ist viel Geld im Spiel, TV-Gelder, Sponsoren-Gelder und so weiter. Deshalb weiß ich nicht, ob die EHF bereit ist, das Turnier einfach abzubrechen. Einerseits bin ich geneigt zu sagen, dass die Abwägung, das Turnier abzubrechen oder nicht, ein schmaler Grat ist. Andererseits darf es für mich gar kein Abwägen geben, weil es um die Gesundheit der Beteiligten geht. Die kannst du mit keinem Geld der Welt bezahlen. Es ist unheimlich kompliziert.

Muss sich nicht auch der DHB die Frage stellen, ob es sinnvoll wäre, das Turnier von sich aus abzubrechen? Schließlich trägt der Verband die Verantwortung für die Gesundheit seiner Spieler.

Schwarzer: Der DHB muss sich dieser Verantwortung bewusst sein. Wir haben ja aktuell beim FC Bayern das Beispiel mit der Herzmuskelentzündung bei Alphonso Davies. Auch wenn da offenbar nicht eindeutig klar ist, ob das nun von Corona kommt oder nicht. Trotzdem kann es Spätfolgen geben. Und da steht der DHB seinen Spielern und den Vereinen gegenüber in einer riesigen Verantwortung. Kann man es beispielsweise zulassen, dass eventuell Kühn, wenn er denn negativ getestet wird, in der Hauptrunde wieder mitmischt? Da sind sicherlich intensive Untersuchungen nötig. Wenn einer von den Jungs gesundheitliche Schäden davontragen würde, wäre das der absolute Super-GAU.

Der DHB hat Johannes Bitter, Rune Dahmke, Sebastian Firnhaber, Paul Drux und Fabian Wiede nachnominiert. Ergibt sich plötzlich die absurde Situation, dass der deutsche Kader besser besetzt ist als zuvor?

Schwarzer: Das würde ich so nicht sagen. Damit würde man den Jungs unrecht tun, die bislang dabei waren. Es zeigt aber, wie viele gute Spieler wir in Deutschland haben. Selbst mit vielen Ausfällen ist der DHB in der Lage, noch viel Qualität nachzunominieren. Dass die Jungs die Vorbereitung nicht mitgemacht haben, ist aber natürlich nicht gerade optimal.

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