Mit dem Erfolg als Team kam auch extrem großer persönlicher Erfolg. Fünfmal in Serie wurden Sie zum MVP gewählt. Abwechselnd als Franz Beckenbauer oder Lionel Messi des Handballs gepriesen. Was hat das mit Ihnen gemacht?
Schmid: Ich glaube, dass es mir sehr geholfen hat, dass ich zu dem Zeitpunkt schon die Kehrseite erlebt hatte. Wenn du schon als Absteiger abgestempelt warst, lässt du auch solche Lobeshymnen nicht mehr so nahe an dich heran und kannst sie besser einordnen. Ich bin deshalb nicht plötzlich durchs Leben geschwebt. Aber natürlich habe ich mich auch geschmeichelt gefühlt, das würde jedem so gehen. Ich bin ein Spieler, der sehr über die Intuition kommt, der gerne Dinge ausprobiert auf dem Feld und das Handballspiel wirklich noch als Spiel sieht. Im Fußball wäre ich wahrscheinlich ein Straßenkicker, aber der Vergleich mit Messi ist dann doch etwas hoch gegriffen vielleicht.
Waren die Auszeichnungen auch Ansporn?
Schmid: Auf jeden Fall. Für mich waren die persönlichen Erfolge eine Verpflichtung, mich immer wieder neu zu beweisen und die nächste gute Saison nachzulegen. Es gab immer wieder Spieler, die nach einer guten Saison wieder abgetaucht sind, das wollte ich auf keinen Fall. Ich sage heute auch immer zu unseren jungen Spielern: Erst, wenn der Gegner in der Besprechung vor dem Spiel länger als fünf Minuten über dich spricht, hast du es geschafft. Wenn der Gegner anfängt, sich intensiv nur auf dich vorzubereiten und versucht, dich zu durchschauen, dann musst du wieder einen Tick besser werden.
Schmid: Deshalb bin ich nie zu Barca oder PSG gegangen
Schaut man sich Ihre Vita an, sind Sie ganz klar ein absoluter Superstar in der Schweiz, dennoch können Sie wahrscheinlich unbemerkt durch die Stadt laufen, weil der Stellenwert nicht so hoch ist. Hat Sie die fehlende Anerkennung gestört?
Schmid: Teils, teils. Ich war zwar schon das Zugpferd für Handball in der Schweiz und habe eine gewisse Aufmerksamkeit bekommen, aber wenn ich ehrlich bin, hätte ich mir schon ein bisschen mehr Anerkennung gewünscht. Dafür, dass ich in der stärksten Liga der Welt fünfmal zum besten Spieler gewählt wurde, war es etwas wenig, da hätte ich glaube ich mehr verdient gehabt. Ich war zwar einige Male bei der Sportler-Wahl in den Top-5, das war für einen Handballer schon nicht schlecht, aber ein bisschen mehr wäre auch okay gewesen. (lacht) Aber es war jetzt auch nicht so, dass es mich sehr beschäftigt hat, dass ich nicht alle zwei Sekunden auf der Straße erkannt werde.
Vielleicht hätten Sie zu einem noch größeren Verein mit einem noch größeren Namen wechseln müssen. Barca oder PSG zum Beispiel.
Schmid: Vielleicht, ja. Die Möglichkeit wäre sicher da gewesen, aber für mich hat das Gesamtpaket nie gepasst. Ich bin eher der sensible Typ. Mir ist Harmonie wichtig. Mir ist vor allem wichtig, wie sich die Familie fühlt. Und wir haben uns in Deutschland bei den Löwen extrem wohlgefühlt. Das wollte ich einfach nicht aufgeben und ein Risiko eingehen, auch wenn es natürlich einen gewissen Reiz gehabt hätte. Aber meine Mutter hat immer gesagt: Wenn etwas gut ist, dann ändere es nicht. Nach diesem Motto habe ich gelebt. Und es gab ja auch sportlich wenige Gründe, um von den Löwen wegzugehen, wir waren immer sehr erfolgreich, das darf man auch nicht vergessen.
Stimmt es, dass Sie nie einen Berater hatten?
Schmid: Nicht ganz. Als ich nach Dänemark gegangen bin, hatte ich noch einen Berater, weil ich damals noch nicht überall auf dem Radar war und jemanden brauchte, der Türen öffnet. Aber danach habe ich alles selbst gemacht. Ich war dann auch 26, 27 Jahre alt und hatte das Gefühl, erwachsen und reif genug zu sein, um für mich selbst zu sprechen. Manchmal war es dann unangenehm, Face-to-face über Geld zu verhandeln. Aber ich hatte das Glück, mit den Löwen ein ausgezeichnetes Verhältnis zu haben. Es lief immer sehr offen und ehrlich ab. Ich habe gesagt, was ich dachte, was ich sozusagen wert bin, die Löwen haben gesagt, was sie bezahlen wollen und dann haben wir einen gemeinsamen Weg gefunden.
NBA-Fan Andy Schmid über die Chicago Bulls und Kobe Bryant
Hätten Sie woanders viel mehr verdienen können?
Schmid: Das weiß ich gar nicht so genau, weil ich nie mit einem anderen Verein so weit kam, dass ich das herausgefunden hätte. (lacht) Wahrscheinlich schon, aber ich war auch so immer ganz zufrieden.
Im Vergleich zu anderen Sportarten kann der Handball finanziell aber natürlich mithalten. Sie sind ganz großer NBA-Fan.
Schmid: Ja, ich war in den 90er-Jahren riesengroßer Bulls-Fan, Michael Jordan, Scottie Pippen und Dennis Rodman - das waren meine Idole. Ich bin nachts zu meiner Mama ins Schlafzimmer und habe mir den Wecker auf 3 Uhr gestellt, um auf dem kleinen Fernseher die Finals im DSF zu schauen, während sie geschlafen hat.
Okay, ich war riesengroßer Utah-Fan ...
Schmid: (lacht) Oh, shit...
Themawechsel: Später wurde Kobe Bryant zu einem Ihrer Helden. Warum er?
Schmid: Wir haben sogar unseren Hund nach ihm benannt. Ich hatte alle Trikots von ihm. Ich habe in Kobe irgendwas gesehen, was gut zu mir gepasst hat. So wie er Basketball interpretiert hat, das war mir sehr nahe. Ich habe sogar versucht, seine Crossover-Dribblings auf dem Handball-Feld zu machen, bis ich gemerkt habe, dass das nicht kompatibel war. Aber es war großartig, ihm zuzuschauen. Oder Steph Curry heute, das ist Wahnsinn, was er macht. Er ist so gut, dass man schon überlegen muss, die Dreierlinie nach hinten zu verlegen, das sagt ja alles.