Deutschlands Handballer wollen ihren EM-Traumstart veredeln. Am Sonntag winkt gegen Nordmazedonien bereits das Hauptrundenticket.
Alfred Gislason war bester Laune. Der Bundestrainer hockte in seinem Hotelzimmer am Berliner Lützowufer, plauderte gelöst über den EM-Traumstart, sprach über die Bedeutung des bevorstehenden "Endspiels" gegen den krassen Außenseiter Nordmazedonien - und verlor dabei die Zeit völlig aus den Augen. "Wenn man es streng sieht, war er zu spät", scherzte DHB-Youngster Julian Köster später mit Blick auf die Essenszeiten, "aber ich glaube, zahlen muss er nichts".
Mit einer Partie Darts und an der Tischtennisplatte vertrieben sich Deutschlands Handballer die ungewöhnlich lange Zeit bis zur zweiten EM-Prüfung. Die Stimmung im DHB-Team ist prächtig - obwohl das Duell mit dem Balkan-Team am Sonntag (20.30 Uhr/ZDF und Dyn) gewissermaßen schon ein K.o.-Spiel ist.
Nordmazedonien, warnte Gislason im Dyn-Interview, sei keine Laufkundschaft. "Verlieren wir das nächste Spiel, könnten wir auch draußen sein." Und Kapitän Johannes Golla meinte im ZDF-Morgenmagazin am Freitag: "Das Spiel gegen Nordmazedonien ist wie ein Endspiel. Wenn wir uns da nicht gut präsentieren, hat uns das fulminante Auftaktspiel auch nichts gebracht."
Bloß kein Kater nach dem Rausch, so lautet die Devise beim DHB-Team. Auf dem Weg zu einem neuen Wintermärchen wollen Golla und Co. in Berlin mit seiner schmucken Mercedes-Benz Arena unbedingt ihr zweites Erfolgskapitel schreiben, denn sie wissen: Mit einem weiteren Sieg können sie ihren tollen Turnierstart am Sonntag veredeln. Bei einem Erfolg winkt das vorzeitige Hauptrundenticket, eine Niederlage würde den Druck vor dem Vorrundenfinale gegen Rekordweltmeister Frankreich dagegen deutlich erhöhen. "Die Sinne sind geschärft", versprach Golla.
Fakt ist: Das DHB-Team möchte den Rückenwind vom Weltrekord-Spiel vor 53.586 Fans gegen die Schweiz (27:14) unbedingt nutzen und die Handball-Euphorie im Land weiter befeuern. Der imponierende Erfolg und die atemberaubende Atmosphäre habe die Mannschaft "sicher beflügelt", so Golla.
Das sieht auch U21-Weltmeister David Späth so. "Wenn wir genauso spielen, wie wir es bisher machen, und uns voll auf uns konzentrieren, kann uns diese Euphorie tragen und dann können wir weit, weit kommen", sagte der Torhüter am Freitagvormittag in Berlin. Der 21-Jährige ist einer von jenen Turnierdebütanten, auf die es im EM-Verlauf auch ankommen könnte. Gegen die Schweiz hatten die Youngster für wichtige Entlastung gesorgt und auch Akzente gesetzt.
Handball-EM: Keine guten Erinnerungen an Nordmazedonien
Nun wartet mit der Nordmazedonien-Partie ein laut Torhüter Andreas Wolff "ganz, ganz anderes Spiel". Gislason charakterisiert den Gegner als "sehr emotionale Mannschaft, die mit sehr viel Herz spielt. Wichtig für uns ist, dass wir mit der gleichen Einstellung und dem gleichen Fokus in dieses Spiel gehen."
Größter Star des nächsten DHB-Gegners ist Kiril Lazarov. Jahrelang machte dieser als gefürchteter Torjäger von sich reden, als bester Werfer der WM-Geschichte, als erster Spieler mit über 1000 Europapokaltreffern. Nun sitzt er als Trainer auf der Bank der Nordmazedonier.
Auch die deutschen Erinnerungen an König Kiril sind nicht die besten. Zwei Duelle gab es in der EM-Historie gegen Nordmazedonien bislang: 2012 im serbischen Nis behielt das DHB-Team noch knapp die Oberhand (24:23), 2018 reichte es in der Vorrunde in Zagreb nur zu einem 25:25. Lazarov hatte maßgeblichen Anteil an der deutschen EM-Enttäuschung, der Rückraumspieler traf fünfmal.