"Der Himmel ist sein Limit": Die irre Geschichte von Bayern Münchens Shootingstar Nestory Irankunda

Nestory Irankunda
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Er kam in einem Flüchtlingslager in Tansania zur Welt, feierte mit 15 sein Profidebüt, ist mit 18 australischer Nationalspieler, erinnert an Xherdan Shaqiri und Alphonso Davies und sorgt nicht nur mit seinen Toren für Spektakel, sondern auch mit seinen Jubeleinlagen. Die irre Geschichte von Nestory Irankunda, dem neuen Shootingstar des FC Bayern München.

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Die Frage lautete einzig: Was war denn nun spektakulärer, das Tor oder der anschließende Jubel? Zur Auswahl: Einerseits ein Seitfallzieher vom Elfmeterpunkt ins Kreuzeck; andererseits ein Rad mit direkt anschließendem Rückwärtssalto. Zugetragen haben sich diese Szenen kürzlich im Training der Münchner Reserve, der FC Bayern verbreitete das Video über seine sozialen Netzwerke. "Nestory doing Nestory things", stand dabei. Urheber: Nestory Irankunda.

Für 3,4 Millionen Euro holte der FC Bayern den 18-jährigen Australier von Adelaide United nach München. Verkündet wurde der Transfer bereits im Winter, vollzogen nun im Sommer. "Nestory ist ein extrem schneller Außenbahnspieler, dribbel- und abschlussstark und mit viel Zug zum Tor", lobte Campus-Leiter Jochen Sauer vorab. Grundsätzlich für die Reserve verpflichtet, verbringt Irankunda große Teile der Vorbereitung bei den Profis und kam in sämtlichen bisherigen Testspielen zum Einsatz. Innerhalb kürzester Zeit mauserte er sich zum Shootingstar.

Mit seiner Kraftwürfel-Statur und Dribbelstärke erinnert Irankunda an Xherdan Shaqiri, mit seiner Energie und Geschwindigkeit an Alphonso Davies - zwei Münchner Triple-Helden. Beim 14:1 gegen den FC Rottach-Egern sammelte Irankunda gleich mal ein Tor und zwei Assists und zeigte zudem einen spektakulären Fallrückzieher. Gegen den 1. FC Düren (1:1) traf er zum Ausgleich. Und auch beim Sieg gegen Tottenham Hotspur (2:1) im Rahmen der Korea-Reise bekam er Spielpraxis.

Nestory Irankunda: "Eines der größten Talente in der Geschichte Australiens"

"Der Himmel ist sein Limit", sagt Australiens U17-Nationaltrainer Brad Maloney im Gespräch mit SPOX. Nachdem Irankunda im Alter von 15 Jahren in der ersten australischen Liga debütiert und kurz darauf mit einem direkt verwandelten Freistoß sein Premierentor erzielt hatte, berief ihn Maloney 2022 erstmals in die U17-Nationalmannschaft.

"Seine Explosivität und seine Gier, Gegenspieler auszuspielen und Tore zu schießen, waren sofort offensichtlich", erinnert sich Maloney. "Es ist unter derart jungen Spielern selten zu sehen, dass jemand über so eine Energie, so eine Physis und so einen Siegeswillen verfügt."

In sieben U17-Länderspielen unter Maloney erzielte Irankunda elf Treffer, mittlerweile ist er Teil der A-Nationalmannschaft. "Nestory gilt als eines der größten Talente in der Geschichte Australiens", sagt sein ehemaliger Trainer. "Mark Viduka, Harry Kewell und Tim Cahill waren großartige Spieler und hatten tolle Karrieren. Aber ich habe es noch nie erlebt, dass ein australischer Fußballer so ein globales Interesse geweckt hat wie Nestory."

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Puyol und Piqué als Vorbilder: "Mein Traum war es, Verteidiger zu sein"

Global ist nicht nur das Interesse an Irankunda, global ist auch seine Vita. Irankundas Eltern flohen vor dem Bürgerkrieg aus ihrer Heimat Burundi ins Nachbarland Tansania, wo Nestory in einem Flüchtlingslager zur Welt kam. Wenig später wanderte die Familie nach Australien aus. Irankundas Geschichte erinnert an die seines neuen Teamkollegen Alphonso Davies: Er wurde als Sohn liberianischer Eltern in einem Flüchtlingslager in Ghana geboren und wuchs in Kanada auf.

Irankunda spielte zunächst für die Croatia Raiders, den Klub der großen kroatischen Diaspora in der Millionenstadt Adelaide an der australischen Südküste. Damit sich die Familie die hohen Mitgliedschaftsbeiträge für den talentierten Nestory leisten konnte, hörten seine beiden älteren Brüder freiwillig mit dem Fußball auf. "Sie opferten ihren Traum für meinen", sagte Irankunda, der außerdem fünf Schwestern hat, später in einem Interview. Sein strenggläubiger Vater verzichtete unterdessen auf Messen, um ihn zu Trainingseinheiten und Spielen zu fahren. "Er hat wahrscheinlich am meisten für mich geopfert."

Mit seinem Wechsel nach München verwirklichte Irankunda schließlich den Traum seines Vaters. "Er unterstützt Bayern. Es gibt sogar ein Foto von ihm im Flüchtlingslager mit Bayern-Trikot", erzählte Irankunda. "Deshalb habe ich sofort zugesagt." Angebote hatte er auch aus der Premier League vorliegen.

Irankunda selbst hielt es früher mit dem FC Barcelona: "Ich mochte Carles Puyol und Gerard Piqué und wollte Innenverteidiger werden." Als zentraler Abwehrspieler sei er auch "ziemlich gut gewesen", berichtete er. "Ich war zunächst ziemlich traurig, als man mir sagte, dass ich fortan Stürmer spielen sollte. Denn mein Traum war es, Verteidiger zu sein."

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Nestory Irankunda: Tränen auf der Bank und große Ziele

Mit 14 wechselte der umgeschulte Irankunda zum A-League-Klub Adelaide United und feierte kurz darauf sein Profidebüt. In 61 Pflichtspielen verzeichnete er seitdem beeindruckende 24 Scorerpunkte, aber auch 17 Gelbe Karten und einen Platzverweis. Irankunda wirkt auf dem Platz bisweilen etwas wild, auch mal aufbrausend. Als er Ende vergangenen Jahres bei einer Pleite gegen Brisbane Roar vorzeitig ausgewechselt wurde, weinte er auf der Ersatzbank.

Kurz nachdem sein Wechsel zum FC Bayern verkündet wurde, schlitterte Irankunda in die erste Formkrise seiner jungen Karriere. Er habe aktuell "nicht das Niveau, das wir von ihm erwarten", kritisierte Trainer Carl Veart öffentlich. Im Frühling fand Irankunda wieder in die Spur und debütierte im Juni schließlich für Australiens A-Nationalmannschaft. Das erste Tor folgte im zweiten Spiel, dann der obligatorische Rückwärtssalto.

Vor seinem Abschied aus Australien formulierte Irankunda in diversen Interviews große Ziele. Die Champions League wolle er gewinnen, mit Australien Weltmeister werden - "hoffentlich schon 2026" - und überhaupt "der beste australische Spieler". Sein ehemaliger U17-Trainer Maloney ist sich sicher: "Wenn sich Nestory weiterhin so entwickelt wie in den vergangenen Jahren, kann er zu einem der prägendsten Spieler in jedem Klub werden."

Dafür gelte es laut Maloney, der übrigens auch dem Ersatzkeeper der Münchner Reserve Anthony Pavlesic zu dessen Debüt in Australiens U17 verholfen hat, aber noch am Abwehrverhalten zu feilen. "Nestory ist zwar ein unglaubliches Talent mit dem Ball, aber um ein kompletter Spieler zu werden, muss er in der Defensive mehr Verantwortung übernehmen. Er ist sich dessen bewusst und arbeitet daran, wie ich das aus der Ferne beobachte."

Nestory Irankunda: Seine Leistungsdaten bei Adelaide United

SaisonSpieleToreAssists
2021/22133-
2023/232252
2023/242686
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FC Bayern München: Vincent Kompany hat eine große Auswahl auf den Flügeln

Mit Vincent Kompany dürfte Irankunda beim FC Bayern einen optimalen Trainer für seine weitere Entwicklung haben. Der Belgier ist bekannt dafür, junge Talente zu fördern. Bei den Testspielen coachte er Irankunda intensiv. Als der Rechtsaußen gegen Rottach-Egern seine Position nicht hielt, hörte es der ganze Sportplatz. "Neeestoooryyy!", schrie Kompany.

Die Konkurrenz auf den offensiven Flügelpositionen ist enorm. Neuzugang Michael Olise, der aktuell bei den Olympischen Spielen glänzt, Leroy Sané, Kingsley Coman, Serge Gnabry und Bryan Zaragoza. Dazu Stürmer Mathys Tel und die Zehner Jamal Musiala und Thomas Müller, die theoretisch auf den Flügeln spielen können.

Auch wenn der eine oder andere den FC Bayern noch verlässt, wird Irankunda im Meisterschaftsbetrieb zunächst wohl hauptsächlich bei der Reserve in der viertklassigen Regionalliga Bayern Spielpraxis sammeln - und im Idealfall auch Tore und Salti. "Seit ich ihn kenne, feiert er seine Treffer mit Rückwärtssalti", erzählt Maloney. "Dadurch verstärkt er die Freude über seine Tore bei den Teamkollegen und Fans nur noch weiter."