Leon Goretzka und Dayot Upamecano wüteten gegen Leroy Sané - und der verlor die Beherrschung! Wie Leverkusen gegen Bayern für die Wachablösung sorgte

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Am Samstag heißt es: Bayern gegen Bayer. Beim letzten Duell legte die Werkself ihr Meisterstück ab - während die Münchner zerfielen. Ein Rückblick.

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Als Jeremie Frimpong tief in der Nachspielzeit zum 3:0 traf, verlor Leroy Sané vollends die Beherrschung. Erst drosch er den Ball in Richtung Tribüne, dann schlug er auf die Tornetz-Kamera. Im Hintergrund drehten Frimpong und Kollegen jubelnd ab. Kurz danach war Schluss. Bayer Leverkusen deklassierte den Serienmeister FC Bayern München an jenem 10. Februar 2024 mit 3:0 und sorgte somit für einen Machtwechsel im deutschen Fußball.

Leverkusen sollte in der restlichen Saison kein einziges Bundesligaspiel mehr verlieren und sich letztlich ungeschlagen mit 17 Punkten Vorsprung auf den VfB Stuttgart erstmals zum deutschen Meister krönen, durch den Sieg im DFB-Pokal gelang sogar das Double. Der FC Bayern verkündete zwei Pleiten später die Sommer-Trennung von Trainer Thomas Tuchel. In der Bundesliga landeten die Münchner nur auf Platz drei und blieben erstmals nach elf Jahren titellos.

Vor dem direkten Duell schien der Titelkampf noch spannend. Leverkusens Vorsprung betrug nur zwei Punkte. Mit einem Sieg wären die Münchner vorbeigezogen. Oft zeigten sie genau in diesen entscheidenden Spielen ihre besten Leistungen. Diesmal ging es aber nicht gegen Borussia Dortmund, Bayerns gerne überemotionalisierten Lieblings-Rivalen. Diesmal ging es gegen Xabi Alonsos Leverkusen, die klinischen Last-Minute-Experten.

Der FC Bayern reiste mit schlechten Erinnerungen nach Leverkusen. Das vorherige Gastspiel elf Monate früher verloren die Münchner mit 1:2, woraufhin Trainer Julian Nagelsmann in den Skiurlaub reiste und als Ex-Trainer zurückkam. Besserung war unter Nachfolger Thomas Tuchel seitdem keine eingetreten. Bei der Pressekonferenz vor dem Duell mit Leverkusen forderte er dennoch wortgewaltig: "Samstag 18.30 Uhr, Hosen runter und Karten auf den Tisch. Wir wollen eine Statement-Leistung."

Thomas Tuchel, FC Bayern München
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FC Bayern: Thomas Tuchel überraschte mit seiner Aufstellung gegen Leverkusen

Beim Blick auf die Aufstellung fielen aber keine Hosen, sondern Kinnladen. Tuchel traf mehrere überraschende Entscheidungen. Erst zum zweiten Mal in seiner Amtszeit setzte er in der Abwehr auf eine Dreierkette. Das erste Experiment hatte mit einer Pleite gegen den FSV Mainz 05 geendet. Überraschend war aber nicht nur die Taktik, sondern auch das Personal.

In der Innenverteidigung verzichtete Tuchel auf den zuvor stabilen Matthijs de Ligt und vertraute stattdessen Min-Jae Kim und Dayot Upamecano. Der eine war gerade erst vom Asien-Cup zurückgekehrt, der andere nach seinem Muskelfaserriss gerade noch rechtzeitig fit geworden. Winter-Neuzugang Sacha Boey feierte unterdessen sein Startelfdebüt und zwar in ungewohnter Rolle auf der linken Außenbahn. Obwohl mit Raphael Guerreiro ein prädestinierter Spieler für diese Position zur Verfügung stand.

Auch Joshua Kimmich fehlte in der Startelf. Obwohl er nach seiner Schulterverletzung laut Tuchel "fast 100 Prozent beschwerdefrei trainiert" habe. "Ich habe in den letzten zwei Wochen alles dafür getan, dass ich schnell zurückkomme, um heute von Anfang an zu spielen", klagte Kimmich anschließend. "Leider hat es nicht gereicht." Die Beziehung zwischen Tuchel und Kimmich galt längst als belastet, spätestens seit der Trainer im vorherigen Sommer vehement eine "Holding Six" gefordert (und nicht bekommen) hatte.

FC Bayern München, Bayer Leverkusen
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Leon Goretzka und Dayot Upamecano wüteten in Richtung Leroy Sané

Von der Bank musste Kimmich mit ansehen, wie kurz vor Anpfiff aus beiden Kurven Gegenstände auf den Platz flogen. Von rechts Tennisbälle, von links passend zum Karneval Kamelle. Die deutschen Fanszenen kämpften damals ihren letztlich erfolgreichen Kampf gegen den DFL-Investorendeal. Mit achtminütiger Verspätung ging es los, nach 18 Minuten Leverkusen in Führung.

Dieses erste Gegentor stand wunderbar sinnbildlich für die missratene Kaderplanung des FC Bayern. Getroffen hatte nämlich der Münchner Rechtsverteidiger Josip Stanisic, im vorherigen Sommer ohne Not an Leverkusen verliehen. Im Winter brauchte der FC Bayern plötzlich einen Rechtsverteidiger und holte Sacha Boey für 30 Millionen Euro von Galatasaray Istanbul. Ausgerechnet er ließ Stanisic vor dem Gegentor entwischen. Mittlerweile spielen sie in München zusammen, sind aktuell aber beide verletzt.

Tatsächlich war Boey nur das letzte Glied einer Fehlerkette. Los ging es damit, dass Sané eine Flanke von Robert Andrich nicht unterband. Dayot Upamecano gestikulierte noch während der Aktion wütend in Richtung seines Teamkollegen. Leon Goretzka wartete damit immerhin so lange, bis der Ball auch wirklich im Tor war. Tuchel sollte Sané später öffentlich für den "klaren Konzentrationsfehler" kritisieren.

Torschütze Stanisic stand übrigens ziemlich überraschend in Leverkusens Startelf. Wie Tuchel hatte auch Alonso gehörig umgestellt. Mit dem Unterschied, dass seine Maßnahmen perfekt griffen. Alejandro Grimaldos zweites Tor bereitete mit Nathan Tella ein weiterer Startelf-Neuling vor. Leverkusen dominierte das Spiel nach Belieben, die Münchner präsentierten sich hinten anfällig und vorne harmlos. Daran änderte sich auch nach den Einwechslungen von Kimmich und Thomas Müller nichts. In der Nachspielzeit traf Frimpong zum 3:0, woraufhin Sané seinen Frust an Ball und Kamera abbaute.

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FC Bayern: Thomas Tuchel musste gehen - Xabi Alonso wollte nicht kommen

"Wir waren nicht in der Lage, uns Torchancen herauszuspielen, wir konnten uns nicht durchsetzen. Ich habe keine Erklärung, warum wir es nicht geschafft haben, Harry Kane ins Spiel zu bringen", gab sich Tuchel - wie so oft nach Niederlagen - erneut ratlos. Kapitän Manuel Neuer sprach konsterniert von der "schlechtesten Leistung im wichtigsten Spiel". Müller vermisste bei einem emotionalen Sky-Interview "die Eier und die Freiheit" und beklagte "eine Verkopftheit in unserem Spiel".

Die Schuld dafür wollte Müller aber explizit nicht Tuchel geben, stattdessen müsse man "mal die Spieler anpacken". Auch der Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen und Sportdirektor Christoph Freund stellten sich öffentlich hinter Tuchel. Das Vertrauen währte aber nicht lange. Nach zwei weiteren Pleiten in der Champions League gegen Lazio Rom sowie in der Bundesliga gegen den VfL Bochum verkündete der FC Bayern die Sommer-Trennung von Tuchel.

Am Ende einer schier endlosen Trainersuche verpflichteten die Münchner letztlich Vincent Kompany - als Wunschkandidat hatte ursprünglich Entmachter Alonso gegolten. Der Kaderumbruch gelang nur bedingt. Mit Michael Olise und João Palhinha kamen zwar zwei prominente Neuzugänge, gleichzeitig scheiterte aber die angedachte Verpflichtung von Leverkusens Abwehrchef Jonathan Tah sowie der Verkauf einiger Großverdiener. Leverkusen hielt unterdessen nicht nur Alonso und Tah, sondern überhaupt den Großteil der Double-Mannschaft.

Die Ungeschlagen-Serie in der Bundesliga endete zuletzt dennoch: Nach 35 Spielen ohne Pleite setzte es ein 2:3 gegen RB Leipzig. Der neuformierte FC Bayern gewann unter Kompany dagegen bis dato alle Pflichtspiele und zwar teils sehr spektakulär. Der erste echte Prüfstein wartet am Samstag: Bayer Leverkusen.

Bayer Leverkusen - FC Bayern 3:0

Tore: 1:0 Stanisic (18.), 2:0 Grimaldo (50.), 3:0 Frimpong (90.+5)

Aufstellung Leverkusen: Hradecky - Tapsoba, Tah, Hincapie - Stanisic, Xhaka, Andrich, Grimaldo (90. Puerta) - Adli (82. Hofmann), Tella (65. Frimpong), Wirtz (90. Hlozek)

Aufstellung Bayern: Neuer - Upamecano (60. Kimmich), Dier, Kim - Boey (81. Guerreiro), Mazraoui, Pavlovic (60. Müller), Goretzka (71. Tel), Sané, Musiala (81. Choupo-Moting) - Kane