FC Bayern München: "Zwei verschiedene Spielertypen!" Wie João Palhinha das Spiel des FCB verändern wird

Von Justin Kraft
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Bayern muss in den kommenden Wochen auf João Palhinha setzen. Damit wird sich die Statik im Mittelfeld verändern – ist das Chance oder Risiko?

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"Wir werden ihn brauchen, wir werden ihn brauchen", sagte Max Eberl fast schon mantraartig nach dem 1:1 im Bundesliga-Topspiel gegen Bayer Leverkusen vor einigen Wochen über João Palhinha. Ähnliche Statements waren auch von Christoph Freund oder Vincent Kompany zu vernehmen.

154 Minuten hatte der Portugiese bis zur Partie gegen den VfB Stuttgart am vergangenen Wochenende für den FCB absolviert. Rund 50 Millionen Euro hatte er im Sommer gekostet. Palhinha war entsprechend ein Riesenthema rund um den Rekordmeister - intern hingegen, so bemühte man es in der Außendarstellung, sei das keine große Sache.

Und auch der Spieler selbst gab sich in Interviews gelassen. Wohlwissend darum, dass seine Chance schneller kommen könnte, als viele erwartet hätten. Und sie kam schneller als erwartet. Aleksandar Pavlovic zog sich in den Anfangsminuten gegen den VfB einen Schlüsselbeinbruch zu, wird vermutlich für den Rest des Jahres ausfallen.

Es folgten 82 Minuten, in denen Palhinha zeigen konnte, wofür er geholt wurde - in denen aber auch klar wurde, was den Münchnern ohne Pavlovic fehlen wird. Denn die Statik im Spiel des FC Bayern wird sich nun verändern. Wie so oft sind damit Chancen, aber auch Risiken verbunden.

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João Palhinha und Aleksandar Pavlovic: "Zwei verschiedene Spielertypen"

Joshua Kimmich brachte es noch am Samstagabend auf den Punkt: "Eigentlich sind er und Pavlo zwei verschiedene Spielertypen." Pavlovic sei "einer, der viel den Ball will, der viel zocken will, der viele Ballkontakte haben möchte, der es dann auch liebt, das Spiel zu gestalten."

Palhinha hingegen sei jemand, "der auch mal gegen den Ball reinfahren kann, der auch sehr physisch spielen kann. Dementsprechend haben beide absolut ihre Vorzüge". Zwar habe er keine großartige Verschlechterung im fußballerischen Bereich wahrgenommen, doch man werde den nun verletzten Pavlovic sehr vermissen: "Mit seiner Art und Weise, wie er spielt und mit seiner Art und Weise, wie er auch den Fußball liebt. Das merkt man bei ihm schon, dass er eine sehr gute Energie hat."

Eine Energie, die sich in der Spielgestaltung regelmäßig zeigt. Palhinha hat ein anderes Mindset, das er unfreiwillig bei einer Antwort auf eine ganz unscheinbare Frage zeigte. Welche Gefühle er nach dem 4:0-Sieg gegen Stuttgart habe, wurde der Sechser gefragt. "Was wir heute mitnehmen können, ist, dass wir zu Null gespielt haben, dass wir gewonnen haben." Erst dann kam er auf die vier Tore zu sprechen.

Zu viel sollte man in diese Antwort selbstredend nicht hineininterpretieren, doch Palhinha ist nachweislich jemand, dem die Defensive sehr wichtig ist.

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FC Bayern: Statik wird sich mit João Palhinha verändern

Und dass es hinten gut lief, lag auch an ihm. "Er hat mir tatsächlich sehr gut gefallen", sagte Kimmich über seinen neuen Mittelfeldpartner: "Er hatte einige sehr gute Ballgewinne, er war mit Ball sehr, sehr sicher."

Auch bei dieser Aussage lässt sich zwischen den Zeilen einiges herauslesen. Sicherheit strahlte Palhinha gewiss aus, doch ohne Pavlovic wurde der Spielaufbau bereits gegen den VfB Stuttgart etwas vorhersehbarer.

Die Rolle von Kimmich veränderte sich nach dem Wechsel. In den ersten Minuten spielte der 29-Jährige - wie schon in den Wochen zuvor - eher auf der halbrechten Seite. Dort ließ er sich immer wieder rechts neben die Innenverteidiger fallen, um eine Dreierkette zu bilden. Pavlovic übernahm den zentraleren Bereich in der Spielgestaltung. Beide sammelten so extrem viele Ballkontakte und für Gegner war es schwierig, sich im Pressing darauf einzustellen. Denn fokussierte man sich auf Kimmich, bekam Pavlovic Räume und andersherum.

Diese Doppelwaffe ist nun Geschichte. Das könnte zu Problemen führen, die der FC Bayern in den letzten Jahren häufig hatte. Ein kurzer Rückblick in den Februar 2023 gibt Aufschluss. Damals beklagte sich Kimmich nach einem 4:2-Sieg gegen den VfL Wolfsburg über eine taktische Entwicklung bei den Gegnern: "Es ist in den letzten Spielen mit der Manndeckung immer mehr geworden."

Es sei "schwierig, wenn du einen im Rücken hast. Dann hast du wenig Gelegenheiten, das Spiel mit Blick nach vorne zu gestalten". Immer mehr Bundesligisten verstanden es gut, den Spielgestalter und Taktgeber aus der Partie zu nehmen. Das Problem: Neben ihm gab es längst keinen Thiago mehr und auch Pavlovic war noch nicht in Sichtweite.

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Noch mehr Verantwortung für Kimmich! Wird das Spiel des FC Bayern berechenbarer?

Neben Kimmich spielte damals Leon Goretzka. Ein Spielertyp, der für Dynamik in der Offensive sorgt, gegen den Ball sehr stark ist, dafür aber im Spielaufbau regelmäßig untertauchte. Womöglich liegt in diesem Rückblick auch die Antwort darauf, warum Palhinha bisher zweite Wahl war.

Jede Manndeckung eines Sechsers ist auch eine Chance für das Team. Zieht Kimmich Gegenspieler aus der gegnerischen Mittelfeldkette, entstehen Räume für andere. Die Preisfrage ist, wie sehr Palhinha diese Räume nutzen kann.

Der erste Eindruck gegen Stuttgart war gut. Zwar war kein spektakuläres Zuspiel dabei, aber der Nationalspieler bewegte sich viel und probierte, sich an der Ballzirkulation zu beteiligen. Will er seine Chance aber nachhaltig nutzen, um auch nach der Rückkehr von Pavlovic regelmäßig zum Einsatz zu kommen, wird er hier noch Fortschritte machen müssen.

Doch einen Vorteil hat der FC Bayern im Vergleich zu den Vorjahren: Kimmichs Form ist eine deutlich bessere. Nach der Coronakrise, die irgendwie auch zu einer persönlichen für ihn wurde, scheint das Vertrauen in sich selbst einerseits zurückgekehrt zu sein. Andererseits wird ihm auch vom FC Bayern wieder zunehmend der Rücken gestärkt.

Eine Situation, die in Kombination mit dem insgesamt sehr selbstbewussten Auftreten der Münchner dazu führen könnte, dass das neue Duo sich ebenfalls gut ergänzen kann. Einen ersten Eindruck von der Kompatibilität der beiden Sechser wird es am Mittwochabend geben. Dann wird sich der FC Barcelona daran versuchen, mögliche Schwächen der Bayern aufzuzeigen.

Als Eberl mantraartig wiederholte, dass man Palhinha brauchen werde, wurden seine Aussagen hier und da als simples PR-Blabla abgetan. Schon früh in der Saison ist die Realität eine andere. Und der FC Bayern kann trotz der Unterschiede zu Pavlovic froh sein, dass er mit Palhinha eine Luxusalternative auf der Bank hat.

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