Pro: Für das Spiel des FC Bayern ist Joshua Kimmich unverzichtbar
Von Christian Guinin
Es mag stimmen, dass das Standing von Joshua Kimmich in breiten Teilen der öffentlichen Wahrnehmung zuletzt stark gelitten hat. Zum einen liegt das mit Sicherheit an den jüngsten sportlichen Rückschlägen beim FC Bayern und in der deutschen Nationalmannschaft, für die der 28-Jährige als präsenter Leader als eine Art Sinnbild steht. Zum anderen aber auch an den von Bayern-Trainer Thomas Tuchel angestachelten Diskussionen rund um die Position Kimmichs im zentralen Mittelfeld des deutschen Rekordmeisters und den damit verbundenen Forderungen nach Verstärkungen.
Darüber hinaus mag es ebenso stimmen, dass der FC Bayern am vergangenen Samstag im Klassiker gegen den BVB seine wahrscheinlich beste Saisonleistung bislang gezeigt hat - und das eben ohne Kimmich. Der nach seiner Fraktur an der Hand provisorisch zusammengeflickte Leon Goretzka und Konrad Laimer machten in der Mittelfeldzentrale einen mehr als ordentlichen Job. Beide ergänzten sich wunderbar, hatten eine klare Rollenverteilung und sorgten dafür, dass der BVB durch das Zentrum kaum einmal gefährlich zum Zug kam. Und dennoch ist es absolut richtig, dass Kimmich am Mittwoch in der Champions League gegen Galatasaray wieder in die Startelf stehen wird.
Wie unglaublich wichtig der 28-Jährige für das Spiel der Münchner ist, lässt sich am besten mit den Worten von Tuchel auf der Pressekonferenz vor der Begegnung gegen Dortmund beschreiben: "Er ist klarer Fixpunkt bei uns. Joshua fühlt sich in der Mitte am wohlsten, er will jeden Ball, duckt sich nie weg vor Verantwortung. Das fehlt uns alles. Auch die gefährlichen Freistöße und Chipbälle."
In anderen Worten: Kimmich verleiht dem FC Bayern eine ganz andere Tiefe. Als vertikaler Spielmacher sind seine Qualitäten für den FCB unverzichtbar. Vor allem gegen tiefstehende Gegner - wie die Türken auswärts in München auch wohl zu erwarten sind - sind seine punktgenauen Chipbälle hinter die Abwehrkette auf die schnellen Außen eine Waffe. Darüber hinaus ist beim Nationalspieler auch die mentale Komponente nicht zu vernachlässigen. Unermüdlich peitscht er seine Mitspieler an und stellt sich mit seinem Ehrgeiz und seiner positiven Verbissenheit in den Dienst der Mannschaft.
Leon Goretzka trotz Top-Leistung gegen BVB noch nicht bei 100 Prozent
Auch aus taktischer Sicht gibt es kaum ein Argument, das gegen einen Startelf-Einsatz Kimmichs gesprochen hätte. Wie schon in Dortmund könnte Laimer auch gegen Galatasaray den defensiveren Part der Mittelfeldzentrale übernehmen, mit den beiden Innenverteidigern in einem Defensiv-Dreieck die Konterabsicherung übernehmen und Kimmich so den Rücken freihalten, wohingegen dieser sich auf seine Stärken im Spiel mit dem Ball konzentrieren könnte.
Goretzka könnte im Gegenzug das Spiel gegen Istanbul nutzen, um einen weiteren Schritt in Richtung seiner vollständigen Genesung zu gehen. Denn obwohl die Partie gegen den BVB glücklicherweise ohne Zwischenfälle ablief, konnte er die Einschränkungen nach der Fraktur nicht leugnen: "Es ist natürlich schon ambitioniert. Es ist erst zwei Wochen her. Mit der Schiene war es okay, es pocht ein bisschen." Ein hart geführter Zweikampf oder ein unglückliches Fallen auf den lädierten Arm könnte jedoch einen massiven Rückschritt in der Genesung bedeuten.
Contra: Goretzka und Laimer hatten sich den Startelf-Einsatz verdient
Von Daniel Buse
Für das Spiel des FC Bayern ist Joshua Kimmich eben nicht unverzichtbar - und den Beweis lieferte der Rekordmeister am Samstag in Dortmund. Die steile These, dass es mit Kimmich beim BVB noch besser gelaufen und das Ergebnis noch deutlicher als ohnehin schon ausgefallen wäre, kann man schnell beiseiteschieben. Besser als ein 4:0 beim wohl größten Bundesliga-Rivalen kann es aus Münchner Sicht nicht werden. Und bei diesem bislang besten Saisonspiel der Bayern standen Leon Goretzka und Konrad Laimer in der Mittelfeldzentrale und nicht Kimmich.
Warum also etwas daran ändern und nicht dem Duo, das sich gerade auswärts im absoluten Topspiel bewährt hat, erneut vertrauen? Diese Frage hat sich sicher auch Trainer Thomas Tuchel gestellt - und für sicht verneint. Für mich ein Fehler. In der Königsklasse haben die Bayern, auch wenn es in den bisherigen drei Spielen nicht immer rund lief, alles im Griff: Drei Siege haben sie gefeiert, das Weiterkommen als Gruppenerster dürfte überhaupt kein Problem für den FCB werden. Das Heimspiel gegen Galatasaray wird aller Voraussicht nach also nicht entscheidend für den weiteren Verlauf der CL-Saison der Münchner - und genau deswegen hätte Tuchel nicht wieder all das umschmeißen sollen, was gerade gegen den BVB aufgebaut wurde.
Tuchel hätte erneut ein Zeichen an Kimmich senden können
Denn nach dem Auftritt gegen das Team aus Istanbul kommt am Wochenende der 1. FC Heidenheim zu Besuch. Und in diesem Duell fehlt Kimmich aufgrund seiner Roten Karte aus dem Darmstadt-Spiel erneut. Ein ständiges Hin und Her - ohne Kimmich, mit Kimmich, ohne Kimmich - ist meines Erachtens unnötig.
Dass Kimmich nicht unantastbar ist beim FC Bayern machte Tuchel schon bei seiner Auswechslung im Spitzenspiel gegen Leverkusen klar. Er hätte diese Botschaft nun erneut senden können. Die Argumente, Kimmich gegen Galatasaray nicht von Beginn an zu bringen, hätte er auf jeden Fall gehabt. Das Wichtigste wäre gewesen: Goretzka und Laimer haben sich eine weitere Chance als Mittelfeld-Duo verdient. Schade, dass es anders kommt.