Schwer unter Beschuss: Türkei-Klubs arbeiten sich an "skandalösen" Schiedsrichtern in der Süper Lig ab

Von Daniel Buse
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Die Süper-Lig-Saison bedient das Klischee: Es geht oft hochemotional zur Sache - und oft bekommen die Schiris das zu spüren.

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Es gibt Jobs, um die man den, der sie erledigen muss, nicht beneidet - und Mitte Mai wird solch ein Job in der türkischen Süper Lig vergeben. Denn am 37. und damit vorletzten Spieltag steht das große Istanbuler Derby zwischen Galatasaray und Fenerbahce an. Der Tabellenführer mit nur einer Niederlage trifft auf den Verfolger, der ebenfalls erst einmal verloren und deshalb nur zwei Punkte Rückstand hat. Es dürfte das entscheidende und entsprechend hitzige Duell um die Meisterschaft werden, was es für den Schiedsrichter zu einer, zurückhaltend formuliert, schweren Aufgabe machen wird. Denn nach den Entwicklungen der vergangenen Tage, Wochen und Monate ist jetzt schon klar: Viel richtig machen kann der Unparteiische im Derby nicht.

Zwei Derby-Szenen bringen Besiktas auf 180

Der letzte Schiedsrichter, der aus Sicht einer Mannschaft alles falsch gemacht hat, ist Halil Umut Meler. Er leitete am vergangenen Wochenende das andere Istanbuler Derby zwischen dem von Fernando Santos trainierten Besiktas und dem von Okan Buruk gecoachten Galatasaray - und zog sich beim 0:1 den Zorn der Gastgeber zu. In der zweiten Hälfte entschied er auf Weiterspielen, als Besiktas-Stürmer Cenk Tosun im Strafraum von Derrick Köhn festgehalten wurde. Auch der Video-Assistent griff nicht ein. Das tat er aber kurz vor Schluss, als ein Foul von Besiktas-Verteidiger Omar Colley erst mit Gelb und dann nach Ansehen der TV-Bilder mit Rot bestraft wurde.

Grund genug für die Spieler und Verantwortlichen, eine groß angelegte Verschwörung zu wittern: "Die skandalösen Entscheidungen von Halil Umut Meler sind schwere Fehler, die das Vertrauen in die Gerechtigkeit des Fußballs zerstören", teilte Besiktas in einem offiziellen Statement mit und ging auch VAR-Schiri Koray Gencerler an: "Als Besiktas-Gemeinschaft wollen wir Halil Umut Meler und Koray Gencerler nicht mehr bei unseren Spielen sehen", lautete die Forderung, die zur Entspannung der Situation nichts beigetragen haben dürfte.

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Gegenseitige Sticheleien vergiften die Atmosphäre

Das mehr oder weniger offensichtliche Sticheln gegen die Konkurrenz heizte die Lage im Nachhinein darüber hinaus noch weiter an. Besiktas verwies darauf, dass die "am grünen Tisch errungenen Meisterschaften" nur "enttäuschende Erfahrungen in internationalen Wettbewerben" gebracht hätten - was als Angriff auf Galatasaray zu deuten ist, denn die Löwen schieden in dieser Saison erst in der Gruppenphase der Champions League und danach in der Europa League - mit unschönen Szenen nach dem Abpfiff - gegen Sparta Prag aus.

Galatasaray ließ es sich seinerseits nicht nehmen, im Derby-Nachgang das Klub-Symbol von Besiktas, den Adler, bei einem Tweet als trauriges Tier auf einer Schaukel zu präsentieren, das seine Federn verliert. Attacken, die, egal ob indirekt oder direkt, die Atmosphäre auch für die zukünftigen Duelle vergiften werden

Zwei Schiedsrichter-Vorfälle kurz vor dem Jahreswechsel

Halil Umut Meler steht schon zum zweiten Mal in dieser Saison im Mittelpunkt des von ihm ungewollten Interesses. Mitte Dezember war er der Leidtragende der Attacke von Ankaragücü-Präsident Faruk Koca, der ihm nach dem Abpfiff des Liga-Spiels gegen Rizespor einen Faustschlag auf dem Platz verpasste, weil er mit der Leistung des Unparteiischen nicht zufrieden gewesen war. Koca wurde auf Lebenszeit gesperrt, die Süper Lig pausierte eine Woche lang.

Direkt nach dem Re-Start ereignete sich der nächste Vorfall: Diesmal gab es keinen körperlichen Angriff, aber einen weiteren Klub-Boss, der sich ungerecht vom Schiedsrichter behandelt fühlte. Präsident Ecmel Faik Sarialioglu holte sein Team von Istanbulspor in der Schlussphase der Partie gegen Trabzonspor vom Platz, weil einem Gegentor seiner Meinung nach ein Foul vorangegangen war. "Ich möchte betonen, dass alle, die bei jeder Gelegenheit auf die Schiedsrichter losgehen und nicht wissen, wo das enden wird, darüber nachdenken sollten, was passiert ist", hatte der Präsident des türkischen Fußballverbandes TFF, Mehmet Büyükeksi, nach der Attacke auf Meler noch gesagt. Der Istanbulspor-Boss hatte allem Anschein nach, wenn überhaupt, nur sehr kurz darüber nachgedacht.

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Welche Veränderungen können helfen?

Der Schlag gegen Meler auf dem Platz muss das von Büyükeksi angesprochene Ende der Eskalations-Entwicklung sein, aber weitere Veränderungen sind mit Sicherheit auch nötig. Dass das Aussuchen und Ablehnen von Schiedsrichtern, wie von Besiktas im Fall Meler und Gencerler, zu diesen Veränderungen gehört, ist nicht realistisch. Die türkischen Klubs und Fans werden auch in Zukunft mit den türkischen Referees leben müssen - auch wenn deren Niveau im europäischen Vergleich möglicherweise nicht spitze oder auch nur Durchschnitt ist.

Der Druck und die Emotionen, die von außen kommen, machen die Sache für die Süper-Lig-Referees schwer, das Über-Analysieren jeder kleinsten Szene in den Medien trägt dazu bei, dass sich die Teams schnell als Opfer fühlen. Aber auch die Spieler tragen dazu bei, dass es für die Unparteiischen immer unangenehmer wird, ihren Job an der Pfeife auszuführen: 2021 stellte eine Studie fest, dass die Süper Lig die Liga in Europa ist, bei der es nach einem Foulspiel am längsten dauert, bis der Ball wieder im Spiel ist. Man kann sich leicht vorstellen, woran das liegt: meckern, diskutieren, auf Zeit spielen - und immer ist der Schiedsrichter gefordert. Dass die Süper Lig auch die Liga ist, in der in Europa am längsten nachgespielt wird - und in der deshalb in der Nachspielzeit noch viel hitziger diskutierte, entscheidende Tore fallen - ist damit keine Überraschung.

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Besiktas fordert Neuwahlen beim Verband

Veränderungen im Verhalten der Spieler, der Medien, eine bessere Ausbildung der Schiedsrichter - all das forderte Besiktas nach dem Derby allerdings nicht, sondern Neuwahlen bei der TFF. "Wir glauben, dass ein neuer Verband mit seinen Gremien den türkischen Fußball viel besser machen wird", schrieb der Klub, der eine "umfassende und moderne Umstrukturierung" anregte. Wie eine neue TFF-Führung und gerechtere Schiedsrichterleistungen zusammenhängen, wurde nicht erklärt, ist aber aus Sicht der Schwarzen Adler wohl im Kontext der gefühlten Verschwörung gegen den Klub klar.

Einen Vorgeschmack, wie es am vorletzten Süper-Lig-Spieltag zwischen Galatasaray und Fenerbahce ablaufen könnte, dürfte das Supercup-Finale zwischen genau diesen beiden Teams liefern, das am 7. April ausgetragen wird: Ein Schiedsrichter wird jeweils den undankbaren Job übernehmen und mit Sicherheit aus Sicht einer Mannschaft alles falsch machen. Weil es im Fußball zu manchen Szenen zwar zwei Meinungen, aber nur eine Entscheidung geben kann.

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