SPOX: Der Kampf am 9. Januar 2010 sollte eigentlich gegen den Kolumbianer Edison Miranda stattfinden. Nun hat er abgesagt. Erst vier Tage vor dem Kampf stand mit Ruben Eduardo Acosta der neue Gegner fest - und das bei einer WM-Pflichtverteidigung. Wie schwer ist es, sich so kurzfristig auf einen neuen Gegner einzustellen?
Robert Stieglitz: Zunächst bereite ich mich auf einen Zwölf-Runden-Kampf vor. Konditionell muss ich also so oder so fit sein, egal gegen wen ich boxe. Natürlich gab es eine taktische Vorbereitung. Die war mit Mirandas Absage erstmal futsch. Jetzt muss ich sehen, wo die Stärken oder Schwächen von Acosta liegen. Aber ich bin generell sehr gut vorbereitet, ich muss mich jetzt nur im Kopf schnell umstellen. Grundsätzlich muss ich sowieso jeden schlagen können. Sonst wäre ich nicht zu Recht Weltmeister.
SPOX: Erhöht das zusätzlich die Nervosität?
Stieglitz: Angespannt bin ich vor jedem Kampf, nervös eigentlich nicht. Ich weiß aber auch um meine Stärken und kann deswegen mit einer gewissen Souveränität in die Fights gehen.
SPOX: Ihre Walk-In-Musik wechselt von Kampf zu Kampf. Welcher Song wird es diesmal sein?
Stieglitz: Es gibt keinen Plan. Da bin ich ganz spontan. Das entscheide ich erst kurz vor dem Kampf.
SPOX: Ihre Familie ist Ihnen sehr wichtig. Wird Ihre Frau am Ring sitzen?
Stieglitz: Meine Frau sitzt immer am Ring, wenn es sich einrichten lässt. Diesmal auf jeden Fall.
SPOX: Wie wichtig für Ihr Selbstvertrauen war der Kampf gegen Karoly Balszay im August, den Sie gewannen?
Stieglitz: Der Kampf gegen Karoly Balszay hat mir sehr viel Selbstvertrauen gegeben. Ich weiß jetzt, dass ich einen Kampf taktisch gestalten und umsetzen kann.
SPOX: Ihnen kamen der Sieg und der Gewinn des WBO-Titels hinterher wie ein Traum vor. Haben Sie inzwischen realisiert, dass Sie Weltmeister sind?
Stieglitz: Natürlich habe ich das realisiert. Auch durch die größer gewordene Aufmerksamkeit. Anfragen, Einladungen und Termine häufen sich. Jetzt realisiere ich aber auch, dass ich in jedem Kampf unter Beweis stellen muss, dass ich der Weltmeister bin.
SPOX: Wieviel leichter wäre es, bei einem großen und bekannten Boxstall wie Sauerland zu boxen? Steht ein Wechsel des Boxstalles zur Debatte?
Stieglitz: Nein, es steht kein Wechsel zur Debatte. Ich habe meinen Vertrag bei SES für zwei Jahre verlängert. Ulf Steinforth und das SES-Team haben mir den Weg zur Weltmeisterschaft geebnet. Mein Manager hat immer an mich geglaubt, auch nach einer Niederlage. So etwas schweißt zusammen.
SPOX: Wie sehr ärgert es Sie, dass schlechtere Boxer wesentlich bekannter sind als Sie, nur weil diese bei größeren Boxställen kämpfen?
Stieglitz: Ich bin noch jung genug, um meine Stärken bekannt zu machen und andere durch sportliche Leistungen in den Schatten stellen zu können. Ich bin Weltmeister, und mein Ruhm wird von Kampf zu Kampf steigen.
SPOX: Aber Sie sind doch immerhin Weltmeister im Super-Mittelgewicht - und dennoch sind Sie nicht beim Super-Six-Turnier dabei. Drücken Sie daher Arthur Abraham die Daumen?
Stieglitz: Arthur Abraham ist ein starker Boxer, keine Frage. Mich ärgert nur, dass ich als Weltmeister nicht in das Geschehen eingreifen kann. Abraham hatte vorher nie im Supermittelgewicht geboxt. Er war nie Weltmeister in dieser Gewichtsklasse. Das stört mich.
SPOX: Was halten Sie von Arthur Abraham?
Stieglitz: Ich schätze seine Schlagkraft und seinen Willen. Aber meine Vorbilder sind die Klitschko-Brüder. An ihnen orientiere ich mich.
SPOX: Gegen wen würden Sie gerne mal in den Ring steigen?
Stieglitz: Gegen jeden, der gegen mich antreten will. Wenn Arthur Abraham das Super-Six-Tunier gewinnt, würde ich gern gegen ihn boxen. Wenn es nicht Abraham ist, boxe ich auch gegen den jeweiligen Sieger.
SPOX: Russland-deutschen Boxern fällt es oft schwer, sich in Deutschland durchzusetzen. Geht es Ihnen ähnlich?Stieglitz: Ich kann das für mich nicht behaupten. Ich habe in Magdeburg meinen Lebensmittelpunkt, meine Familie und meine Freunde. Das ist mein Zuhause, und ich bin hier anerkannt.
SPOX: Auf welche Schwierigkeiten sind Sie gestoßen?
Stieglitz: Eine große Schwierigkeit habe ich ja selbst mitgebracht. Das war anfänglich die Sprachbarriere. Aber mittlerweile hat sich mein Deutsch ganz gut entwickelt.
SPOX: Waren Sie zwischendurch entmutigt?
Stieglitz: Nein, niemals, ich hatte einen Traum, und es war mir möglich, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Eine sportliche Niederlage war da schon niederschmetternder.
SPOX: Müssen Sie eventuell mehr Deutsch lernen, um sich besser in Deutschland zurechtzufinden?
Stieglitz: An meiner Sprache, vor allem am flüssigen Sprechen, arbeite ich. Das wird aber immer besser. Ich fühle mich auch nicht als Deutscher zweiter Klasse, denn ohne die Voraussetzungen in Deutschland hätte ich nie dort ankommen können, wo ich jetzt stehe.