Die Russin rührte mit ihrer Geschichte einige Zuhörer zu tränen.
"Ich bereue nichts. Mit der Zeit bin ich immer überzeugter, dass wir das Richtige getan haben", sagte die 30-Jährige am Dienstag bei der Verleihung der Heidi-Krieger-Medaille des Doping-Opfer-Hilfevereins (DOH).
Mit dem erstmals mit 10.000 Euro dotierten Preis zeichnet der Verein Persönlichkeiten aus, die sich für einen dopingfreien Sport einsetzen. So wie Stepanowa, die - zugeschaltet aus den USA - ihre Ehrung nur über das Internet verfolgen konnte.
Stepanowa sei "eine moralische Siegerin", sagte Hans Wilhelm Gäb, ehemaliger Chef der Stiftung Deutsche Sporthilfe, in seiner Laudatio.
"Der Anlass führt uns auf die dunkle Seite des Sports, wo der Sieg um jeden Preis die Parole ist. Doch die Haltung und die Tat eines einzelnen Menschen können die Dunkelheit erhellen", ergänzte Gäb: "Julia Stepanowa hat im Kampf gegen Betrug unter persönlichen Opfern ein Zeichen der Hoffnung gesetzt."
Ein Opfer der Stepanows war die Flucht mit ihrem Sohn aus Russland. Neunmal musste die Familie in den letzten eineinhalb Jahren umziehen, in ihrer Heimat gelten sie als Verräter und Staatsfeinde.
"Mache trotzdem weiter"
Um ihren Aufenthaltsort in Erfahrung zu bringen, hatten unter anderem Unbekannte die Server der WADA gehackt. Die 800-m-Läuferin berichtete zudem, dass ihre E-Mails gelesen worden seien: "Das spricht dafür, dass sie versuchen, mich zu verfolgen."
Stepanowas Enthüllungen hatten unter anderem dazu geführt, dass der russische Leichtathletik-Verband RusAF von allen internationalen Wettbewerben suspendiert ist.
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte ihr allerdings die Teilnahme an den Sommerspielen in Rio als neutrale Athletin verweigert, da sie als ehemalige Dopingsünderin nicht die "ethischen Anforderungen" erfülle.
"Das Nein hat geschmerzt. Aber ich mache trotzdem weiter", sagte Stepanowa. Und ihr Mann Witali ergänzte: "Wichtig war, dass Julia und ich die Wahrheit gesagt haben. Das andere ist Vergangenheit. Wir versuchen, nach vorne zu schauen."
Inzwischen wird Stepanowa vom IOC mit einem Stipendium unterstützt. Ihr Mann arbeitet mittlerweile als Anti-Doping-Berater des IOC.
Auch dies habe dazu geführt, dass sich ihre finanzielle Situation inzwischen verbessert habe, das tägliche Leben verlaufe den Umständen entsprechend normal. Ein bis zweimal täglich trainiert Stepanowa, lernt zweimal in der Woche Englisch.
Keine Veränderungen in Russland
"Wir versuchen, nicht daran zu denken, dass wir verfolgt werden. Dort, wo wir leben, interessiert sich niemand für uns. Daher fühlen wir uns sicher", sagte Stepanowa, die allerdings schon jetzt unter den Folgen des Dopings leidet. Wegen den Folgen der Einnahme von Epo und Steroiden müsste sie sich eigentlich operieren lassen.
Kritisch sehen die Stepanows immer noch die Situation in Russland. Trotz aller Beteuerungen von offizieller Seite habe sich ihrer Meinung nach nichts geändert.
"Ob es einen Mentalitätswechsel gegeben hat? Ein klares Nein. Die Aussagen stammen von den Gründern des staatlichen Dopingsystems", sagte Witali: "Alles was sie tun, ist die Welt zu täuschen und Betrug zu vertuschen."
An Aufgeben denken sie jedoch nicht. "Es interessiert mich, wie schnell ich ohne Doping laufen kann", sagte Julia. Ihr Ziel? Eine Zeit unter 2:00 Minuten. Dies, so die vorherrschende Meinung in Russland, sei nicht möglich. "Ich will beweisen, dass es geht", sagte sie.