Immer noch das Nonplusultra

Philipp Dornhegge
25. August 201009:38
Kevin Durant im Testspiel gegen Litauen. Der Superstar soll die USA zum WM-Titel führenGetty
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Wenn am Samstag die WM in der Türkei beginnt, dann sind die USA wie immer der große Favorit. Aber ist der dreimalige Weltmeister ohne Kobe Bryant und LeBron James wirklich so stark? SPOX analysiert den Kader und die Philosophie des Trainerteams und erklärt, warum die Amerikaner gerade jetzt die Nummer eins der Welt sind.

Die WM in der Türkei steht vor der Tür, die teilnehmenden Nationen machen sich an den letzten Feinschliff - und ausgerechnet der Favorit ist nach eigener Aussage noch am weitesten von der Topform entfernt.

"Wir müssen erst noch zusammenwachsen", betont Mike Krzyzewski, Coach der USA. "Außerdem fehlt uns jegliche internationale Erfahrung."

Ein echtes Problem sei das aber nicht. Denn für solche Dinge sei die Gruppenphase ideal.

Gegen Gegner wie Tunesien oder Iran sind klare Siege eingeplant, bei denen man aller Voraussicht nach viel ausprobieren und jedem Akteur Spielzeit geben kann. "Wenn es in die Playoff-Spiele geht, dann müssen wir bereit sein", so Krzyzewski.

Bryant, James und Wade fehlen

Fakt ist, dass die Amerikaner längst nicht über das überragende individuelle Talent verfügen, dass dieses Team sonst auszeichnet.

Kobe Bryant, LeBron James, Dwyane Wade: Sie alle haben für die WM abgesagt, weil sie ihre Wunden aus der letzten NBA-Saison lecken und sich konzentriert auf die kommende Spielzeit vorbereiten wollen.

Kein einziger Akteur, der 2008 bei den Olympischen Spielen den Gewinn der Goldmedaille feierte, ist in der Türkei am Start.

Stattdessen setzt der Trainerstab auf junge und hungrige Spieler, die unheimlich stolz darauf sind, ihr Land international vertreten zu dürfen. Dieser Plan ist aufgrund der Absagenflut natürlich aus der Not geboren, aber schnell könnte aus dieser Not eine Tugend werden.

Arroganz und Eigensinn standen den USA oft im Weg

Denn wann immer die USA in der Vergangenheit die hohen Erwartungen nicht erfüllen konnten, gab es dafür vor allem zwei Gründe: Zum einen die Arroganz, mit der die NBA-Stars auf die anderen Nationen herab blickten, so als würde es außerhalb der USA keinen gescheiten Basketball geben.

Zum anderen die mangelnde Teamchemie. Es gab immer Spieler, die Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften als Bühne für sich betrachteten - und nur für sich.

Beides wird es bei der aktuellen Mannschaft nicht geben. Kevin Durant ist der einzige echte Superstar im Team. Und ausgerechnet der Topscorer der letzten NBA-Saison ist derjenige, der in Sachen Bescheidenheit und Respekt vor anderen Teams mit gutem Beispiel voran geht.

Er ist auch keiner, der jeden Wurf nehmen will. Die Coaches beklagten sich unlängst vielmehr, dass Durant zu uneigennützig spiele. Der restliche Kader ist nach dem gleichen Muster zusammengestellt. "Unsere Jungs wollen einfach zu viel miteinander spielen", sagte Krzyzewski. "Gerade von Kevin erwarten wir aber, dass er das Heft auch mal in die Hand nimmt."

Billups und Odom: Die erfahrenen Leitwölfe

Krzyzewski will diesmal ein echtes Team präsentieren und keine Ansammlung von Einzelspielern, die sich für ein Großereignis ausnahmsweise zusammenraufen.

Das könnte einer der Gründe gewesen sein, warum O.J. Mayo von den Memphis Grizzlies trotz starker Trainingseindrücke nach Hause geschickt wurde. Der Shooting Guard gilt als nicht ganz einfacher Charakter.

Teamkollege Rudy Gay hat es dagegen gepackt, genau wie Andre Iguodala. Spieler eben, die weniger spektakuläre Scorer sind als Mayo, dafür aber immer auf Sieg spielen und sich nicht um eigene Statistiken kümmern.

Ein echtes Team: Die Bankspieler der USA jubeln mit ihren TeamkollegenGetty

Ganz ohne Erfahrung kommt aber auch diese Mannschaft nicht aus. Und so hat Krzyzewski mit Chauncey Billups und Lamar Odom zwei abgezockte Leute dabei, die beide bei einem NBA-Champion entscheidende Rollen spielten bzw. immer noch spielen.

Distanzschützen sind Gold wert

Ein weiterer wichtiger Faktor für die Spielerauswahl war die Einstellung auf die anderen Anforderungen des internationalen Spiels im Vergleich zur NBA. Denn das kleinere Spielfeld erfordert mehr Passspiel, bessere Treffsicherheit von außen und ein schnelles Umschalten von Defense auf Offense, um sich durch Fastbreak-Punkte das Leben leichter zu machen.

Nahezu irrelevant für eine funktionierende Offense sind dominante Low-Post-Spieler a la Dwight Howard, weil die in Korbnähe praktisch keinen Raum für ihre Aktionen haben.

Billups, Durant, Stepehn Curry, Eric Gordon, Danny Granger und sogar Big Man Kevin Love können das Spiel mit Jumpern auseinander ziehen und Slashern wie Derrick Rose oder Russell Westbrook Platz verschaffen.

Zu leichten Punkten aus Schnellangriffen kommen die USA aufgrund ihrer überragenden Athletik sowieso mehr als jede andere Nation. Die USA holen die dazu nötigen Rebounds oder provozieren Ballverluste und sind dann meist schneller auf der anderen Seite des Feldes als der Gegner.

Center Chandler: Nur eine Notlösung

Personell ist die einzige Schwachstelle die Centerposition. Tyson Chandler ist der einzige echte Fünfer im Kader - und noch dazu einer, der so gar nicht zum internationalen Spiel passt.

So sieht der Kader der USA aus:

NamePositionGrößeAlterVerein
Lamar OdomPF2,08m30L.A. Lakers
Andre IguodalaSF1,98m26Philadelphia 76ers
Kevin DurantSF2,06m21Oklahoma City Thunder
Chauncey BillupsPG1,91m33Denver Nuggets
Derrick Rose
PG1,91m21Chicago Bulls
Tyson ChandlerC2,16m27Dallas Mavericks
Kevin LoveF/C2,08m21Minnesota Timberwolves
Danny GrangerF2,03m27Indiana Pacers
Rudy GayF2,03m24Memphis Grizzlies
Eric GordonSG1,91m21L.A. Clippers
Russell WestbrookG1,91m21Oklahoma City Thunder
Stephen CurryG1,91m22Golden State Warriors

Denn Chandler ist zwar groß und sprunggewaltig, aber er hält sich eben fast immer in Korbnähe auf und trifft seine Würfe nur, wenn er direkt unter dem Ring steht. Kein Wunder, dass Krzyzewski in der Türkei neben voraussichtlich Rose, Billups, Durant und Iguodala lieber Odom starten lässt.

Ganz bestimmt hätte Krzyzewski lieber die starken Jump-Shooter Brook Lopez von den New Jersey Nets und LaMarcus Aldridge von den Portland Trail Blazers dabei gehabt als Chandler. Weil sie Fähigkeiten mitbringen, die sich perfekt für das Pick'n'Pop eignen, bei dem der Center dem ballführenden Spieler einen Block stellt und dann nach außen abrollt, um einen freien Wurf zu bekommen.

Aber Lopez war einfach nicht fit, Aldridge sagte ohne Angabe von Gründen ab - und brachte sich damit de facto um die Chance, 2012 bei den Olympischen Spielen mitzumachen. "So viel ist sicher: Positiv hat sich diese Absage nicht auf seine Chancen ausgewirkt", so Jerry Colangelo, Manager vom Team USA, vielsagend.

Boeheim: Der Guru der Zonenverteidigung

Echte Klasse dagegen hat der dreimalige Weltmeister auf der Trainerbank: Neben Headcoach Krzyzewski kümmern sich Jay Triano (Toronto Raptors) und Nate McMillan um das Team. Gerade der Übungsleiter der Portland Trail Blazers bildet mit seinem Hang zu Disziplin und kontrollierter Offensive einen wichtigen Gegenpol zu den jungen Spielern, die am liebsten immer aufs Tempo drücken würden.

Der Verantwortliche für die Defensive der USA ist Jim Boeheim, seines Zeichens Coach an der Syracuse University. Anders als in der NBA gehört die Zonenverteidigung am College in jedes Playbook, und fast schon traditionell spielen die Orange von Boeheim die beste Zone des ganzen Landes.

Diese Zone war es auch, mit der die USA am Sonntagabend in einem spektakulären Testspiel Spanien bezwang: "Wir haben unser System 'Orange' zuletzt viel geübt", erläutert Krzyzewski. "Vor dem letzten Ballbesitz der Spanier sagte Jim, dass wir sie damit überraschen sollten. Das hat wunderbar geklappt." Die USA gewannen am Ende knapp mit 86:85.

Die USA sind heiß auf das Turnier und noch dazu gut vorbereitet - die anderen Nationen könenn sich schon mal in acht nehmen. Die letzte Entscheidung, nämlich das Team vor dem Turnierstart von 13 auf zwölf Mann zu kürzen, wurde Krzyzewski übrigens am Dienstagabend abgenommen: Rajon Rondo spürte, dass seine Spielweise nicht zum europäischen Basketball passt und bot deshalb seinen Rücktritt an.

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