Der mysteriöse Metzelder-Rivale

Haruka Gruber
01. September 201014:13
Schalkes Last-Day-Zugänge: Jose Manuel Jurado, Klaas-Jan Huntelaar, Nicolas Plestan (v.l.)Imago
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Aus den Premium-Lösungen Rafael van der Vaart und Zvjezdan Misimovic wurde nichts - dennoch hat der FC Schalke 04 aufgerüstet wie kein anderes Bundesliga-Team. Alleine im August wurden sechs neue Spieler verpflichtet, drei von ihnen am letzten Transfertag. Aber wer sind die Neuzugänge? Mit dabei: Zwei Zehner und eine Tor-Garantie.

Innenverteidigung: Nicolas Plestan

Alter: 29

Das hat er gekostet: ablösefrei

So lange läuft sein Vertrag: 2013

Es kommt immer auf die Lesart an. Die eine Variante: Schalke hat einen gestandenen Innenverteidiger verpflichtet, der sieben Jahre beim französischen Spitzenklub Lille unter Vertrag stand und Champions-League-Erfahrung mitbringt.

Die andere Variante: Schalke hat einen verletzungsanfälligen Innenverteidiger verpflichtet, der zwischen Februar 2008 und Mai 2010 16 Monate keine Spielpraxis hatte und vergangene Saison wegen einer Adduktorenverletzung in lediglich fünf Liga-Partien eingesetzt und von dem in Wolfsburg ausgemusterten Ricardo Costa verdrängt wurde. Bezeichnend oder nicht, seine erste Trainingseinheit auf Schalke musste der Franzose nach 75 Minuten geschwächt abbrechen.

Blogs@SPOX Schalke-Transfers - Masterplan oder Hamsterkäufe?

Was erwartet Magath demnach von Plestan? Einem Spieler, der nie bei einem europäischen Topklub im Gespräch oder ein Kandidat für die französische Nationalmannschaft war und trotz seiner 29 Jahre erst 109 Ligue-1-Einsätze absolviert hat.

Zumal Plestans Ruf nicht der allerbeste ist, seit er 2007 bei einer Auseinandersetzung auf einer Autobahn einen anderen Fahrer mit einer Spielzeugpistole bedrohte und daraufhin zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt wurde. "Für so eine Blödheit kann man kein Verständnis haben", schrieb damals eine französische Tageszeitung.

Immerhin: Obwohl Atletico Madrids Tomas Ujfalusi als Wunschkandidat galt, ist Plestan kein unüberlegter Noteinkauf. Wie es heißt, wollte ihn Magath schon Anfang 2009 nach Wolfsburg holen.

"Schon die Spiele in Aalen und Hamburg hatten gezeigt, dass wir im Abwehrzentrum nicht so sicher stehen", sagt Magath, der Plestan als Alternative für den schwächelnden Metzelder ansieht. "Ich bin davon überzeugt, dass Christoph seine Verunsicherung ablegen wird. Aber man muss abwarten, wann das sein wird."

Außenverteidigung: Spaniens Hoffnung und der nächste Horst Heldt

Mittelfeld: Zwei Spielmacher braucht das Land

Sturm: Schalkes neue Tor-Garantie

Außenverteidigung: Sergio Escudero

Alter: 20

Das hat er gekostet: ca. 3 Millionen Euro

So lange läuft sein Vertrag: 2014

Dass in Magath ein Gambler steckt, einer, der bei Transfers bewusst das Risiko sucht, wird auch bei Escudero deutlich. Zwar gilt der 20-Jährige als einer der kommenden Außenverteidiger-Stars Spaniens - doch seine erste richtige Profisaison bei Real Murcia endete mit dem Abstieg in die dritte Liga.

Dennoch waren neben Schalke auch Real Madrid, Ajax Amsterdam oder Dynamo Moskau an ihm interessiert. "Ich habe aber gleich im ersten Gespräch mit Felix Magath gespürt, dass er mich unbedingt verpflichten wollte. Das hat mir sehr imponiert", erklärt Escudero, dessen Einstand jedoch durchwachsen verlief. In beiden Bundesliga-Spielen saß er 90 Minuten nur auf der Bank.

La Corunas Sportdirektor Ricardo Moar zu SPOX: "Technisch ist Escudero bereits überdurchschnittlich gut, außerdem ist er ein Gewinnertyp. Aber er muss körperlich zulegen, egal ob es die Muskeln oder die Ausdauer anbelangt. In zwei, drei Monaten ist er aber soweit und in ein, zwei Jahren wird man sehen, dass sich die Ablöse rentiert hat. In Spanien wollten ihn fünf, sechs Klubs, auch wir waren an ihm dran."

Außenverteidigung: Hans Sarpei

Alter: 34

Das hat er gekostet: 400.000 Euro

So lange läuft sein Vertrag: 2012

Ein typischer Magath-Transfer, wie einst in Stuttgart mit dem damals bereits 32-jährigen Horst Heldt als neuen Spielmacher oder in Wolfsburg, als er überraschend die erfahrenen Sebastian Schindzielorz und Bernd Korzynietz als Ergänzungsspieler in den Profikader berief.

Sarpei wird sich nicht mehr zu einem Außenverteidiger modernster Prägung entwickeln, aber bei ihm weiß Magath genau, was er von ihm erwarten kann: Ein zuverlässiger Veteran (264 Spiele in der ersten und zweiter Liga), der auf beiden Außenverteidiger-Positionen einsetzbar ist und bei der WM mit tadellosen Leistungen dazu beigetragen hat, dass Ghana bis ins Viertelfinale vordrang.

Wer es negativ sehen will: In Leverkusen kam er in den vergangenen beiden Saisons wenn überhaupt nur als Ergänzungsspieler zum Einsatz und half sogar bei der zweiten Mannschaft in der vierten Liga aus. Bei seinem Schalke-Debüt gegen Hannover (1:2) enttäuschte Sarpei.

Innenverteidigung: Wer ist Nicolas Plestan?

Mittelfeld: Zwei Spielmacher braucht das Land

Sturm: Schalkes neue Tor-Garantie

Mittelfeld: Jose Manuel Jurado

Alter: 24

Das hat er gekostet: ca. 11 Millionen Euro

So lange läuft sein Vertrag: 2014

Jose Manuel - wer? Nur wenigen in Deutschland ist der Name des neuen Schalke-Spielmachers geläufig, dabei gehörte Jurado in Spanien noch vor wenigen Jahren zu den größten Talenten überhaupt. Von Real Madrid ausgebildet und mit 19 Jahren in der Champions League eingesetzt, wechselte er 2006 wegen der drohenden Reservistenrolle für drei Millionen Euro zum Stadtrivalen Atletico.

Dort war er trotz 33 Spielen in der ersten Saison jedoch nie der unumschränkte Stammspieler, weswegen er sich 2008 nach Mallorca ausleihen ließ - und aufblühte. Statt im flachen 4-4-2 bei Atletico auf dem linken Flügel aushelfen zu müssen, wurde Jurado auf seiner Lieblingsposition hinter der Spitze aufstellt und überzeugte mit neun Toren und zehn Assists. Sein Durchbruch.

Nach einem Jahr kehrte er nach Madrid zurück, wo er den auslaufenden Vertrag im Herbst 2009 bis 2013 verlängerte. Seine Bilanz in der Vorsaison: 38 Liga-Spiele, 29-mal in der Startelf, sieben Tore, fünf Vorlagen. Im gewonnenen Europa-League-Finale gegen Fulham wurde er lediglich eingewechselt.

"Jurado passt perfekt zum deutschen Fußball. Er ist schnell, spritzig und fußballerisch überragend", sagt Spanien-Experte Moar. Auf Schalke wird Magath voraussichtlich auf sein bevorzugtes 4-4-2 in der Raute umstellen, mit Jurado als Zehner. In einem flachen 4-4-2 würde er linksaußen beginnen.

Moar: "Als Außenstürmer ist er gut, am stärksten ist er aber als hängende Spitze zwischen der gegnerischen Verteidigung und der Mittelfeld-Reihe. Dort fühlt er sich am wohlsten und dort kommt sein Risikofußball auch am besten zum Tragen."

Mittelfeld: Ciprian Deac

Alter: 24

Das hat er gekostet: 3 Millionen Euro

So lange läuft sein Vertrag: 2013

Parallelen mit Edin Dzeko drängen sich auf: Beide spielten in einer unterklassigen osteuropäischen Liga (Dzeko in Tschechien, Deac in Rumänien), beide sind Offensivspieler, beide wurden von Magaths Co-Trainer Bernd Hollerbach entdeckt - und beide waren bemerkenswert kostspielig (Dzeko vier Millionen, Deac drei).

Während Dzeko in Teplice aber immerhin mit einer starken Torquote überzeugte, stach Deac in der international drittklassigen rumänischen Liga statistisch nicht heraus. Umso erstaunlicher der Transfer. 2009/2010 gelangen dem Rumänen für Meister Cluj nur sechs Scorer-Punkte (zwei Tore, vier Vorlagen), 2008/2009 kam er in der Champions League lediglich in zwei der sechs Gruppen-Spiele zum Einsatz - jeweils als Einwechselspieler.

Aber: "Wir haben Cluj wegen eines Stürmers mehrfach beobachten lassen und auch Bernd Hollerbach war vor Ort. Als er wiederkam, sprach er nicht von einem Stürmer, sondern nur von Deac", sagt Magath, der seinen Neuzugang als Zehner oder als offensiven Flügelspieler einplant.

Deac ist ein ziemlicher Spätentwickler. Noch mit 22 Jahren spielte er auf Leihbasis bei Oţelul Galaţi, wo er keinen bleibenden Eindruck hinterließ, in Cluj ist er erst seit der Vorsaison eine Stammkraft und sein Debüt in der rumänischen Nationalmannschaft folgte erst in diesem Jahr.

Sein rumänischer Landsmann Sergiu Radu, der von Magath in Wolfsburg trainiert wurde, traut Deac dennoch den Durchbruch zu. "Er hat großes Potenzial, ist technisch und läuferisch sehr stark. Er muss aber physisch zulegen", erklärt Radu gegenüber SPOX. "Magath ist der richtige Mann für ihn, er kann gut mit jungen Spielern umgehen. Bei Dzeko hat es ja schon einmal perfekt geklappt."

Innenverteidigung: Wer ist Nicolas Plestan?

Außenverteidigung: Spaniens Hoffnung und der nächste Horst Heldt

Sturm: Schalkes neue Tor-Garantie

Sturm: Klaas-Jan Huntelaar

Alter: 27

Das hat er gekostet: ca. 14 Millionen Euro

So lange läuft sein Vertrag: 2013

Im Weltfußball gibt es nur weniger Spieler, deren tatsächliche Leistungen derart im Missverhältnis zu der öffentlichen Wahrnehmung stehen wie bei Huntelaar. Sein Leumund: Ein eindimensionaler Torjäger, der nur in den Niederlanden treffen könne und für die Topligen schlicht zu schlecht sei, das hätten die erfolglosen Jahre bei Real Madrid und dem AC Milan hinlänglich bewiesen.

Dabei spricht die Quote für sich: Nach 110 Toren in 138 Spielen in der Eredivisie wechselte er zu Real Madrid, wo er sich zwar nicht durchsetzen konnte, in 20 Spielen aber respektable acht Treffer erzielte. Im Sommer 2009 ging es nach Mailand: An Boriello war kein Vorbeikommen, aber trotz begrenzter Spielzeit markierte er sieben Tore, fünf davon waren entscheidend für den Spielausgang. Umgerechnet traf er alle 151 Minuten.

Weitere Indizien seiner Klasse: 19 Tore in 35 Europapokal-Spielen sowie 16 Tore in 36 Länderspielen. Der Spitzname "Hunter" (der Jäger) kommt demnach nicht von ungefähr.

Einiges an Huntelaar erinnert an Hamburgs van Nistelrooy. Die Position, die Treffsicherheit, die Vita (Durchbruch in Heerenveen, Wechsel zu Real) und nicht zuletzt der Charakter. Ähnlich wie van Nistelrooy gilt Huntelaar als besonders zuvorkommend und integer.

Inwiefern er jedoch fußballerisch zu Raul und zu Schalke passt, wird sich zeigen müssen. Huntelaar ist zwar torgefährlicher als Hoarau und Brandao, er bringt aber nicht die einschüchternde physische Präsenz der beiden anderen Kandidaten mit, die als Rammböcke Freiräume für Raul schaffen sollten.

Innenverteidigung: Wer ist Nicolas Plestan?

Außenverteidigung: Spaniens Hoffnung und der nächste Horst Heldt

Mittelfeld: Zwei Spielmacher braucht das Land