Dirk Nowitzki und Chris Kaman brauchen einen Sniper - und hier ist er: Heiko Schaffartzik, der Gewinner der Vorbereitung. Auch beim letzten Test vor der kommenden EM am Sonntag gegen Mazedonien (14.50 Ihr im LIVE-TICKER) wird Trainer Dirk Bauermann wieder auf die Treffsicherheit seines Guards setzen. Wären nur nicht die Sorgenkinder des DBB-Teams...
Die Basketball-EM in Litauen (31. August bis 18. September) startet am Mittwoch - und die deutsche Nationalmannschaft weiß immer noch nicht so recht, wie gut sie tatsächlich ist. Sechs Erfolge stehen drei Niederlagen gegenüber.
Vize-Europameister und WM-Halbfinalist Serbien wurde genauso bezwungen wie gleich zweimal Vize-Weltmeister Türkei. Gegen Griechenland hingegen setzte es eine Klatsche, außerdem verlor das DBB-Team unnötig gegen Finnland und die Ukraine.
Vor der Generalprobe gegen Mazedonien am kommenden Sonntag, gegen das die Deutschen bereits am Freitag dank eines späten Schaffartzik-Dreiers gesiegt hatten,zieht SPOX ein vorläufiges Fazit der EM-Vorbereitung (Anmerkung: Alle Statistiken sind wegen fehlender Daten exklusive des Finnland-Spiels). Was läuft gut? Und was läuft schlecht?
Das läuft gut
Die Kaman-Nowitzki-Combo
Noch fehlen die Feinjustierung und besonders im Mazedonien-Spiel die mentale Frische - aber was die beiden NBA-Stars Dirk Nowitzki und Chris Kaman in ihren fünf gemeinsamen Auftritten zeigten, gibt Anlass zur Zuversicht.
Nowitzkis Dreier will noch nicht fallen (3/10), speziell in den letzten drei Partien fand der 33-Jährige trotz Müdigkeit und ständiger Gängelung durch die Gegenspieler jedoch zu jener Effizienz, die ihn so außergewöhnlich macht: 14/23 Würfe bedeuten eine Quote von 60,9 Prozent.
Seine Testspiel-Bilanz lautet: 13,0 Punkte (46,8 Prozent) und 4,6 Rebounds in 22,2 Minuten. Zahlen, die nicht herausragen, aber auf die sich aufbauen lässt. Vor allem, weil sich die Zusammenarbeit mit Kaman derart harmonisch gestaltet.
Die Aufgabenteilung sieht wie folgt aus: Nicht Nowitzki, sondern Kaman ist zu Spielbeginn die erste Offensivoption und bekommt viele Würfe, damit dieser schnell seinen Rhythmus findet. Nowitzki hingegen hält sich zurück - im Wissen darüber, dass der Gegner den besten Verteidiger auf ihn hetzen wird. Statt den eigenen Wurf zu forcieren, passt er - und das überaus erfolgreich: Gegen Bosnien gab er 5 Assists, gegen Mazedonien 4 Stück.
Im weiteren Verlauf einer Partie, wenn Kaman mit seinen Post-Moves oder seinem Mitteldistanz-Wurf (14,8 Punkte, 55,6 Prozent) für Unheil beim Kontrahenten sorgt und diese sich in der Defense auf ihn konzentrieren müssen, ergeben sich zwangsläufig Freiräume für Nowitzki.
Von entscheidender Bedeutung ist Kaman jedoch in der Verteidigung. Ähnlich wie in Dallas mit Tyson Chandler weiß Nowitzki einen Center an der Seite, der exzellent antizipiert und aushilft, sollte ein gegnerischer Guard zum Korb ziehen. 7,2 Rebounds sowie je 1 Block und 1 Steal in nur 21,2 Minuten sind nur eine Andeutung dessen, zu was Kaman fähig ist.
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Die Big-Men-Taktik
Eine der abgedroschenen Weisheiten im Basketball lautet: "You can't teach height." Dass diese nach wie vor ihre Berechtigung hat, versucht Bundestrainer Dirk Bauermann in diesem Sommer zu beweisen: Mit seiner überraschenden Entscheidung, Philipp Schwethelm nicht nur als Small Forward und als Shooting Guard sondern auch auf der Point-Guard-Position einzusetzen, steht ihm ein neues taktisches Mittel zur Verfügung.
Denn: Wohl noch nie in der DBB-Geschichte war es möglich, mit einer solch großen Aufstellung zu spielen und entsprechend die Bretter zu dominieren. Gegen Mazedonien standen beispielsweise gleichzeitig auf dem Parkett: Kaman, Nowitzki (beide 2,13 Meter), Small Forward Robin Benzing (2,08 Meter) sowie die beiden Guards Johannes Herber (1,97 Meter) und eben Schwethelm (2,00 Meter). Macht eine Durchschnittsgröße von 2,06 Meter!
Dass ein solches Big-Men-Lineup zumindest phasenweise funktioniert, obwohl ein echter Spielmacher fehlt, hängt eng mit Schwethelm zusammen. Trotz seiner Größe verfügt er über ein gutes Ballhandling, das ihn dazu befähigt, den Ball sicher nach vorne zu tragen und das Setplay einzuleiten.
Der Schaffartzik-Effekt
Ein Wurf - und schon kamen Erinnerungen an Heiko Schaffartziks Glanztage bei der EM 2009 auf. Damals brillierte er mit perfekten, hundertprozentigen Ausbeuten gegen Griechenland (8/8, 5 Dreier) und Kroatien (6/6, davon 5 Dreier), weswegen sich in Fan-Kreisen ein Ausruf beliebt machte: "In Heiko we trust!"
Beim Testspielsieg gegen Mazedonien versenkte er nun in ähnlicher Manier den entscheidenden Dreier vier Sekunden vor Schluss - was nur seinen Ruf bestätigte, neben Nowitzki der wohl nervenstärkste deutsche Werfer zu ein.
Mehr noch: Während der Vorbereitung erwies sich Schaffartzik als einer der beständigsten Spieler und versenkte 42,4 Prozent seiner Dreier. Wegen dieser Qualität entschloss sich Bauermann auch, den mit 1,83 Meter eigentlich zu kleinen Schaffartzik vorwiegend als Shooting Guard und nicht mehr als Point Guard aufzubieten.
Bauermann: "Es ist schwierig, den Ball nach vorne zu bringen und im selben Moment ein effektiver und gefährlicher Punktemacher zu sein. Heiko soll mit seinem Wurf das Spiel für uns öffnen."
Teil II: Die Problemen des DBB-Teams
Das läuft schlecht
Die Pick'N'Roll-Verteidigung
Das größte Übel der Vorbereitung: Das Pick'N'Roll ist zwar eine der meistgenutzten Offensivaktionen im Basketball - und doch treten beim DBB-Team bei der Verteidigung dieses Spielzugs teils eklatante Probleme auf.
Beim Supercup gestatteten die Deutschen den Griechen auf diese Weise zahlreiche einfache Punkte, ähnlich gestaltete es sich zu Beginn des Mazedonien-Spiels, als der Gegner nach einem simplen Pick'N'Roll den ersten Angriff per Dunk abschloss.
Das Grundproblem: Immer wieder kommt es zu Missverständnissen. Mal wird zu spät geswitcht, so dass der ballführende Gegenspieler und der Block-stellende Gegenspieler beide plötzlich freistehen. Oder es gehen gleich zwei deutsche Verteidiger auf den ballführenden Gegenspieler, so dass sich der Block-stellende Gegenspieler mühelos zum Korb abrollen kann.
Bauermann sagt zwar, dass seine Spieler gegen Mazedonien die Pick'N'Roll-Situationen insgesamt "sehr ordentlich gelöst" hätten, aber er gab auch zu, dass "das eine oder andere bei der EM sicher besser klappen wird als zuletzt".
Das Jagla-Ohlbrecht-Problem
Es klang verlockend: Nowitzki als Power Forward in der Starting Five und als Backups der zuletzt im DBB-Team so überzeugende Jan Jagla sowie der talentierte Tim Ohlbrecht. Jagla bewährte sich bei der Nowitzki-losen EM 2009 und WM 2010 als Führungsspieler und wichtigste Option am Brett. Ohlbrecht wiederum bereitete sich in den USA auf den DBB-Sommer vor und war nach eigenen Angaben bereit wie nie.
Die Realität ist jedoch so bitter wie enttäuschend: Während der Vorbereitung erwiesen sich beide als nicht geeignet, obwohl die Fähigkeiten zweifelsfrei vorhanden sind. Für Jagla gestaltet sich der Wechsel zurück vom Starter zum Ersatzspieler als zu schwierig, nicht anders sind seine Leistungen zu erklären. Vom Ukraine-Spiel abgesehen (4/7 Dreier für 16 Punkte) trifft er nur 31 Prozent seiner Würfe.
Ähnlich ergeht es Ohlbrecht. Auch er hatte eine gute Partie (13 Punkte gegen Bosnien), ansonsten aber fehlt ihm jegliches Selbstvertrauen. Dass er trotz seiner 2,10 Meter fast die Hälfte der Würfe von jenseits der Dreierlinie nimmt, ist ein Indiz. Dass alle elf Dreier vorbeigingen, ist alarmierend.
Es kam daher nicht von ungefähr, dass Bauermann nach dem Mazedonien-Spiel explizit Sven Schultze lobte, der basketballerisch zwar weniger begabt ist, dafür aber Toughness einbringt: "Es war sensationell, wie Sven uns zurück ins Spiel gezwungen hat. Er war unser wertvollster Spieler und der Anführer der zweiten Fünf."
Heißt: Jagla und Ohlbrecht sind in der Rotation sogar hinter Schultze zurückgefallen und derzeit nur die Nummer 11 und 12 im zwölfköpfigen Kader.
Der Ballvortrag
Es ist eine Frage der Betrachtungsweise: Sieht man in Steffen Hamann den Leader des DBB-Teams, der mit guter Verteidigung vorangeht und sich in der Vorbereitung für 3,9 Assists verantwortlich zeichnet? Oder sollte man sich eher auf seine 2,7 Turnover kaprizieren?
Fakt ist: Der deutschen Mannschaft fällt es generell schwer, den Ball schnell nach vorne zu bringen, wenn der Gegner über das ganze oder zumindest die Hälfe des Courts Presse spielt. Das betrifft Hamann, aber auch Schaffartzik.
Wenn das DBB-Team im Setplay ist, sieht es in der Regel sehr ordentlich aus. Doch bis es so weit ist, vergeht zu viel Zeit - oder der Mannschaft unterläuft ein Ballverlust.
Um genau das zu verhindern, wurde Schwethelm von Bauermann zum Point Guard umdeklariert. Zwar mangelt es ihm am strategischen Blick eines Hamann oder an der Kreativität von Schaffartzik, dafür passt er jedoch gut auf und dribbelt den Ball sicher in die gegnerische Hälfte.
Bauermann: "Philippp macht das großartig. Mit welcher Gelassenheit er den Ball vorbringt, ist erstaunlich." Der Beweis: In den letzten drei Partien stand Schwethelm 57 Minuten auf dem Parkett. Seine Turnover-Anzahl: 0.
Der Spielplan zur EM 2011 in Litauen