Für viele ein Nobody, für Bundestrainer Dirk Bauermann der Edelverteidiger: Johannes Herber ist überraschend Teil der deutschen Starting Five - und denkt an eine Zukunft im Sport-Journalismus. Vor der EM-Generalprobe gegen Mazedoniensprach der 28-Jährige, der von Tübingen nach Frankfurt wechselt, über seine Verletzungsmisere, seinen Job und Angela Merkel als Inspiration.
SPOX: Fast jeder ist überrascht davon, dass Sie neben den beiden NBA-Stars Dirk Nowitzki und Chris Kaman sowie Kapitän Steffen Hamann und Top-Talent Robin Benzing Teil der deutschen Starting Five sind. Sie selbst auch?
Johannes Herber: Nicht unbedingt.
SPOX: Nein? Es war nicht einmal sicher davon auszugehen, dass Sie es in den 12er-Kader schaffen.
Herber: Ich rechnete schon damit, dass ich gute Chancen habe, immerhin habe ich für Tübingen eine gute BBL-Saison gespielt. Als ich dann ab dem Supercup in Bamberg starten durfte, bekam ich auch das Selbstvertrauen, mir selbst zu sagen: Ich kann eine gute Rolle spielen! Es gab mir Sicherheit, von Anfang an auf dem Parkett zu stehen. Andererseits darf man die Starter-Rolle auch nicht überbewerten. Philipp Schwethelm und Lucca Staiger kommen zwar von der Bank, erhalten aber ähnlich viel Spielzeit.
SPOX: Sie als Shooting Guard dürften mit Ihrem wackeligen Dreierwurf jedoch nicht zufrieden sein.
Herber: Ach, es ist doch zu früh zu sagen, dass mein Dreier nicht fällt. Ich habe insgesamt ja noch nicht so viele Würfe genommen. Deswegen mache ich mir keine großen Gedanken.
SPOX: Für die meisten Nicht-Basketball-Fans sind Sie kein Begriff. Was verspricht sich Bundestrainer Dirk Bauermann von Ihnen?
Herber: Ich bin ein Spieler mit hoher Basketball-Intelligenz, der Ruhe in eine Mannschaft bringen kann. Anders als die Jungen bei uns verfüge ich über eine gewisse Erfahrung. Ansonsten bin ich ein guter Werfer, der sich aber vor allem über die Defense definiert.
SPOX: Sie sollen ähnlich wie DeShawn Stevenson bei den Mavericks mit einer bissigen Verteidigung den gegnerischen Scorer beackern. Wie bereiten Sie sich vor?
Herber: Nicht speziell, ich schaue mir nicht Wochen davor Videos meiner möglichen Gegenspieler an. Ich mache das von Partie zu Partie. Zumal es häufig nicht auf mich alleine ankommt sondern immer auf eine mannschaftlich geschlossene Defense. Einen Juan Carlos Navarro kann man nicht alleine verteidigen, das geht immer nur zu fünft. Es kommt vor allem darauf an, dass jeder von uns die defensiven Grundprinzipien von Dirk Bauermann beherzigt, dann werden wir automatisch erfolgreich sein.
SPOX: Es fällt auf, dass Sie mit großer Leidenschaft verteidigen. Woher kommt sie?
Herber: Ich war von Anfang an ein Kämpfer, egal ob in der Jugend, am College oder jetzt bei den Profis. Die Basis meines Spiels war es immer, mir gleich nach dem Tipoff mit einer guten Aktion in der Defensive und viel Einsatz das nötige Selbstvertrauen für die Offensive zu holen. Das hat bisher am besten bei mir funktioniert.
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SPOX: Welchen Einfluss hatten Ihre beiden Kreuzbandrisse 2007 und 2009?
Herber: Ruhe und Genuss. Einerseits war ich früher sehr verbissen, nach der schwierigen Zeit jedoch wurde ich wesentlich ruhiger und konnte alles viel besser genießen. Gerade in diesem Sommer mit der Nationalmannschaft sauge ich jede Minute auf. Ich sehe das alles nicht mehr als Drucksituation, sondern als Privileg, mit Spielern wie Dirk oder Chris auf dem Parkett stehen zu dürfen. Nach dem, was ich alles hinter mich gebracht habe, weiß ich nur zu gut, dass innerhalb eines Augenblicks alles wieder vorbei sein kann.
SPOX: Nach dem zweiten Kreuzbandriss wurde befürchtet, dass Sie die Karriere beenden könnten.
Herber: Nach dem ersten Kreuzbandriss dachte ich: Es ist zwar ein harter Schlag, aber das kann einem Sportler mal passieren und ich arbeite mich zurück. Aber nach dem zweiten Kreuzbandriss haderte ich mit dem Schicksal. Ich war erschüttert. Das alles passte einfach nicht in meinen Plan. Aber damals habe ich beschlossen, dass ich es auf jeden Fall noch einmal versuchen möchte. Heute bin ich froh, dass ich mich tatsächlich so entschieden habe.
SPOX: Reifte in der langen Verletzungspause der Gedanke, eine eigene Kolumne für das Basketball-Magazin "FIVE" zu schreiben?
Herber: Nein, ich fing schon 2006 damit an. Mittlerweile ist es eine richtig schöne Abwechslung vom Basketballer-Leben und ich genieße es, mich einen Nachmittag hinzusetzen und zu schreiben.
SPOX: Ihre Kolumne gehört zu den besten im deutschen Sport-Journalismus, weil sie sich mit dem eigenen Stil und dem Humor von vielen anderen abhebt. Woher kommen die Ideen?
Herber: Das sind einfach nur kleine Beobachtungen aus dem Alltag eines Basketball-Profis. Wenn mir etwas auffällt, mache ich mir eine kleine Notiz. Aber es ist kein stringenter Prozess. Ich sehe das Schreiben eher als geistigen Ausgleich zum körperlichen Training.
SPOX: Wie kommt es bei Ihren Kollegen an, wenn Sie über Angela Merkels Brüste oder die Füße von Hollywood-Schauspielern Emily Blunt schreiben - und irgendwie dann doch den Übergang zum Basketball schaffen?
Herber: Ich werde hin und wieder darauf angesprochen und Gott sei Dank ist das Feedback in der Regel gut.
SPOX: Vor einigen Jahren bezeichneten Sie sich in Ihrer Kolumne als die "Gina Wild des Basketballs". Wie kam das zustande?
Herber: Es gab mal eine Zeit, als ich bei der Nationalmannschaft immer wieder neue Mitbewohner im Hotelzimmer bekommen habe, weil ein Spieler aus dem Kader gestrichen wurde oder sich verletzt hat. Ich hatte eine Phase immer wieder wechselnder Partner, deswegen: Gina Wild des Basketballs. Alles also ganz harmlos. (lacht)
SPOX: Sie haben Talent zum Schreiben. Planen Sie nach Ihrer Sportkarriere einen Wechsel in den Journalismus?
Herber: Das wäre schon schön. Ich kann mir auf jeden Fall vorstellen, das auszuprobieren. Auf der anderen Seite ist mir bewusst, dass die Aussichten nicht rosig sind. Ich habe schon mitbekommen, dass etliche Stellen im Sportjournalismus gestrichen werden.
SPOX: Immerhin hätten Sie im Konkurrenzkampf den Vorteil, über einen vorzüglichen Uni-Abschluss im Studiengang Politik zu verfügen. Sie wurden von "ESPN" sogar als "Academic All-American of the Year" ausgezeichnet. Ein Award, den nur Leistungssportler erhalten, die am College auch als Akademiker hervortreten.
Herber: Na ja, die College-Zeit ist immerhin schon fünf Jahre her. Und ich ging ja nicht auf Princeton oder eine andere Elite-Uni, sondern es war halt West Virginia. Dennoch hoffe ich natürlich, dass mir der Abschluss hilfreich dabei ist, wenn ich mal außerhalb des Basketballs eine Karriere anstrebe.
SPOX: Profitiert ein Basketballer davon, sich auch für andere Sachen zu interessieren?
Herber: Auf mich trifft es zu. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass man auch etwas anderes kann als Basketball. Deswegen achte ich darauf, geistig beweglich zu bleiben, die Augen aufzulassen und mich immer weiterzubilden. Ich lese viele Tageszeitungen und Bücher. Und ich habe an einer Uni in England per Fernstudium den Master in "internationale Beziehungen" gemacht. Je länger man sich geistig nicht beansprucht, desto schneller verschwindet das Wissen aus dem Kopf.
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