Weder Euphorie noch Panik

Von Florian Regelmann
Dirk Nowitzki erzielte gegen die Türkei in 20 Minuten Spielzeit 14 Zähler
© Imago

Die deutsche Basketball-Nationalmannschaft hat beim Supercup in Bamberg einen versöhnlichen Abschluss gefeiert. Einen Tag nach der Lehrstunde gegen Griechenland gewann das DBB-Team gegen Vize-Weltmeister Türkei nach einer guten zweiten Halbzeit mit 64:52 (24:29) und sicherte sich beim Vier-Länder-Turnier damit den zweiten Platz hinter Griechenland.

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Bester Werfer der DBB-Auswahl, die nach dem Auftakterfolg gegen Belgien (71:65) durch eine herbe Niederlage gegen die Griechen (56:69) den Turniersieg verpasst hatte, war Chris Kaman mit 16 Punkten. Nowitzki, der in Bamberg wie sein NBA-Kollege nach dreijähriger Pause in die Nationalmannschaft zurückgekehrt war, gelangen 14 Zähler (6/8 aus dem Feld).

Oldie Sven Schultze war mit 11 Punkten (3/3 Dreier) der Energizer von der Bank, der im letzten Viertel entscheidend an einem 12:0-Run beteiligt war, der Deutschland auf die Siegerstraße brachte. Für die DBB-Auswahl war es in der Vorbereitung auf die EM in Litauen (31. August bis 18. September) bereits der zweite Sieg gegen die Türken. Bei einem Turnier in Izmir hatte sich das DBB-Team am vergangenen Wochenende gegen die Gastgeber durchgesetzt.

Am Dienstag geht es in Bremen mit einem Länderspiel gegen Bosnien-Herzegowina weiter. Am Freitag in München und am Sonntag in Berlin stehen vor dem Abflug nach Litauen noch zwei Spiele gegen EM-Teilnehmer Mazedonien auf dem Programm.

Reaktionen:

Dirk Bauermann (Trainer Deutschland): "Ich freue mich über diesen Sieg. Man hat deutlich die Entwicklung zum Spiel gegen die Griechen gesehen, allerdings brauchen wir noch weitere Trainingseinheiten und Testspiele, um für die Europameisterschaft gewappnet zu sein. Da war der Sieg gegen den Vize-Weltmeister heute ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung."

Dirk Nowitzki (Deutschland): "Es wird von Spiel zu Spiel besser. Wir haben gut verteidigt, vorne gut getroffen und wieder einen Schritt nach vorne gemacht. Wir sind bei der EM nicht der Topfavorit, aber wir können einige Mannschaften ärgern, wenn wir gut drauf sind. Für mich war der Supercup wichtig, es geht immer besser. Von Spiel zu Spiel versuche ich, meine Beine und meine Luft wiederzubekommen. Dann kann ich auch eine gute EM spielen."

SPOX-Spielfilm:

Vor dem Tipoff: Die Starting-Lineups beider Teams stehen fest. Deutschland: Hamann (PG), Herber (SG), Benzing (SF), Nowitzki (PF), Kaman (C). Türkei: Tunceri (PG), Onan (SG), Türkoglu (SF), Ilyasova (PF), Asik (C). Kanter und Erden kommen beispielsweise von der Bank. Das DBB-Team hat übrigens seit diesem denkwürdigen EM-Halbfinale 2001 in der Türkei (78:79 n.V.) nicht mehr gegen die Türken verloren, sondern neun Mal in Folge gewonnen.

7.: Da war er mal, der typische Nowitzki. Überragender Move, mit Brett abgeschlossen. Und nachdem Türkoglu den Layup verlegt, netzt Dirk im Fastbreak den nächsten Jumper. Stark! 11:10 Türkei.

17.: Tunceri zieht zum Korb, legt den Ball nicht rein, aber Asik ist mit dem Tip-in zur Stelle. 24:19 Türkei. Bauermann nimmt die Auszeit. Schlechte Phase des deutschen Teams. Auch die Reboundarbeit passt nicht so wirklich im Moment.

19.: Nowitzki ist gut drauf! Der nächste Jumper, nothing but net! Asik macht derweil mit Ohlbrecht, was er will, und geht wieder an die Linie. 1/2 diesmal. 25:23 Türkei.

29.: Schaffartzik mit einem genialen No-Look-Pass unter den Korb auf Jagla, drin das Ding! Fein gespielt. 41:37 Deutschland.

33.: Überragender Drive von Schaffartzik, drin! Dann ein Monster-Block von Ohlbrecht und dann noch ein Schultze-Dreier - Deutschland ist on fire! 50:38. Die Türken, die in 13 Minuten nach der Pause nur 9 Punkte zustande gebracht haben, nehmen die Auszeit.

37.: Es läuft! Jetzt fällt auch ein Dreier von Schwethelm! Und dann der nächste Dreier von diesem unglaublichen Schultze. 63:46. Da kann nichts mehr passieren.

Der Star des Spiels: Dirk Nowitzki. Gegen Griechenland lief beim Superstar so gut wie nichts, aber wenn es einen Spieler auf der Welt gibt, bei dem man sich aber mal gar keine Sorgen machen muss, dass das nur ein Ausrutscher in einem unbedeutenden Testspiel war, dann ist es Nowitzki. Man darf nicht vergessen, dass der 33-Jährige eine mörderische NBA-Saison mit über 100 Spielen, dem unglaublich emotionalen Titelgewinn und jede Menge Festivitäten im Anschluss hinter sich hat. Effektiv hatte Nowitzki kaum mehr als zwei Wochen Urlaub. Eigentlich hätte er wohl noch mal vier Wochen nötig. Nowitzki braucht noch seine Zeit, aber rechtzeitig zum EM-Start wird er unter Garantie frisch und voll da sein. Gegen die Türken machte Nowitzki in seiner Einsatzzeit schon wieder einen Top-Eindruck.

Analyse: Siege gegen Belgien und die Türkei, eine klare Niederlage gegen Griechenland - das sind die nackten Fakten des Supercups. Aber was hat das Vorbereitungsturnier für Erkenntnisse gebracht? Zunächst gilt es festzuhalten, dass Dirk Bauermann seinen 12er-Kader für Litauen gefunden hat. Per Günther und Konrad Wysocki sind als letzte Spieler aus dem Aufgebot gestrichen worden, genau das konnte man erwarten.

Günther hat zwar eine gute BBL-Saison gespielt - 12 Punkte pro Partie sind für einen deutschen Point Guard sehr beachtlich -, aber der 23-Jährige fiel letztlich raus, weil Bauermann sich entschied, nur zwei Spielmacher mitzunehmen. Wysocki musste weichen, weil jemand wie Sven Schultze einfach aufgrund seiner Persönlichkeit und seiner Abgezocktheit wichtiger ist. Das hat das Türkei-Spiel wieder gezeigt.

Das Türkei-Spiel hat auch gezeigt, dass es beim DBB-Team in die richtige Richtung geht. Es war von Anfang an klar, dass es seine Zeit brauchen wird, bis Nowitzki und Kaman ins Team integriert sind. Geduld ist gefragt. Und gegen die Türkei passte die Abstimmung schon deutlich besser. Es gibt zwar noch eine Menge Verbesserungspotenzial, vor allem in Sachen Reboundarbeit und Pick-and-Roll-Defense, aber gegen die Türken funktionierten zwei Sachen in Ansätzen schon sehr gut, die auch bei der EM wichtig sein werden.

Zum einen scheint die deutsche Zonenverteidigung für die EM ein gutes Mittel zu sein. Und zum anderen deutete sich in der zweiten Halbzeit leicht an, was in Litauen eine große deutsche Stärke sein muss: Freiwürfe. Die Bauermann-Devise: Es darf kein Team bei der EM mehr Freiwürfe schießen als das deutsche. Gelingt es der DBB-Auswahl, immer und immer wieder die Bälle in die Hände von Nowitzki und Kaman zu bringen, dann sollten die beiden NBA-Stars aufgrund ihrer individuellen Klasse sehr häufig an der Linie stehen.

Es scheint sich auch eine Starting-Five für die EM abzuzeichnen. Neben Nowitzki und Kaman werden aller Voraussicht nach Steffen Hamann, Johannes Herber und Robin Benzing in der Startformation stehen. Tibor Pleiß, der wie Jan-Hendrik Jagla für die NBA-Stars Platz machen muss, wird von der Bank kommen. Während sich Pleiß mit dieser Rolle aber schon ganz gut angefreundet zu haben scheint, ist Jagla ein kleiner Problemfall.

Ohne Nowitzki war Jagla der Go-to-Guy, jetzt ist er plötzlich nur noch ein Rollenspieler. Beim Supercup machte Jagla eine unglückliche Figur, es ist für den deutschen Erfolg von eminent wichtiger Bedeutung, dass Jagla bis zur EM in seine neue Rolle findet und sie gut ausfüllt. Für Diskussionsstoff sorgt vor allem die Besetzung des Backcourts. Man kann davon ausgehen, dass Captain Hamann der Starter bleiben wird, aber nach jetzigem Formstand muss Heiko Schaffartzik mehr Spielzeit erhalten und vor allem in der Crunchtime auf dem Parkett stehen.

Dass Schaffartzik unglaublich heiß laufen kann, weiß man. Inzwischen hat er aber auch in der klassischen Spielmacheraufgabe, dem Leiten einer Partie, klare Fortschritte gemacht. Schaffartzik spielt eine Top-Vorbereitung und ist die bessere PG-Ergänzung zu Nowitzki und Kaman als Hamann. Größte Schwachstelle ist die Shooting-Guard-Position. Es sieht so aus, als würde Herber starten, weil Bauermann dessen Qualitäten in der Defense schätzt. Offensiv ist Herber aber ohne jedes Selbstvertrauen - im gesamten Supercup hat er nur vier Würfe genommen.

Auch wenn das nicht seine erste Aufgabe ist, muss Herber zumindest eine gewisse Gefahr ausstrahlen und ab und zu einen Wurf von außen treffen. Die Alternativen zu Herber heißen Philipp Schwethelm und Lucca Staiger, beide konnten sich in Bamberg aber auch nicht wirklich empfehlen.

Deutschland - Türkei: Das Spiel zum Nachlesen im Ticker

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