NBA-Power meets Mazedonien: Wer waren die überragenden Spieler der Basketball-EM? Die Unbezwingbaren aus Spanien sind nach dem imposanten 98:85-Finalsieg über Frankreich mit MVP Juan Carlos Navarro und den Gasol-Brüdern prominent vertreten. Auch ein Deutscher ist dabei: Chris Kaman.
Center
Chris Kaman (Deutschland, Los Angeles Clippers, 29)
Stats: 15,5 Punkte / 10,0 Rebounds / 1,8 Blocks
GettyDie Skeptiker waren zahlreich ob der umstrittenen Einbürgerung und der durchwachsenen Leistungen 2008. Doch Kaman erstaunte auch den NBA-Unkundigen. Ein Berg von Mann und so zerstörerisch wie eine Abrissbirne, aber gleichzeitig leichtfüßig und raffiniert: An Kaman lag es am wenigsten, dass Deutschland in der Zwischenrunde ausschied. Seine 10,0 Rebounds sowie 5 Double-Doules blieben bei der EM unerreicht, mit 1,8 Blocks rangiert er auf Platz zwei.
Die Freiwurf-Quote (53,8 Prozent) und der Hang zum Schrittfehler (2,6 Turnover) schmerzten, für Erstaunen sorgten hingegen die zwei Monster-Spiele: Seine 17 Punkte und 17 Rebounds gegen Italien sowie die 25 und 11 gegen Litauen. In Erinnerung bleibt Kaman aber vor allem als Typ: ein 2,10-Meter-Riese mit Charme, Witz und einer sensiblen Seele. Ein Gewinn für das DBB-Team.
Backup: Marc Gasol (Spanien, Memphis Grizzlies, 26)
Stats: 13,3 Punkte / 7,3 Rebounds / 0,7 Blocks
Ist endgültig im exklusiven Kreis der Top-Center angekommen. Bildete gemeinsam mit Bruder Pau und Serge Ibaka die beste Big-Men-Rotation der EM, alleine mit den 3,6 Blocks zu dritt übertrafen sie alle anderen Teams - wobei sich Gasol in dieser Kategorie noch am meisten verbessern kann. Ansonsten ist sein Paket nahezu komplett: Rebounding, Scoring, weicher Wurf (84,1 Prozent Freiwurf-Quote), einige Post-Moves und auch ein exzellentes Spielverständnis, was 5 Assists gegen Frankreich und Großbritannien sowie 4 Assists gegen Litauen beweisen.
Power Forward
Pau Gasol (Spanien, Los Angeles Lakers, 31)
Stats: 20,1 Punkte / 8,3 Rebounds / 1,7 Blocks
Dirk Nowitzki nahm ihm in den NBA-Playoffs etwas an Glanz und Reputation. Bei der EM rehabilitierte sich der älterte Gasol aber in eindrucksvoller Manier.
Wie gewohnt sah es teils schläfrig und lethargisch aus, zumal EM-MVP Navarro die Offensive dominierte.
Doch Gasol war gleich wichtig: So wie Navarro in den K.o.-Spielen beim Scoren Feuer fing, verantwortete Gasol in der Verteidigung etliche Big Plays. Seine Ausbeute ab dem Viertelfinale: 14,3 Rebounds. 2,0 Blocks, 1,7 Steals.
Dass er jedoch auch im Angriff von Wert war, beweisen seine 20,1 Punkte bei einer 53,8-prozentigen Wurfquote und verzeihlichen 1,1 Turnover über das ganze Turnier.
Außerdem streute er je nach Bedarf Dreier ein (63,6 Prozente) - was unter anderem die Deutschen leidvoll erfuhren, als Gasol alle seine 19 Punkte nach der Pause erzielte.
Regelrecht Angst einflößend auch seine 9 Offensiv-Rebounds im Halbfinale gegen Mazedonien.
Backup: Pero Antic (Mazedonien, Spartak St. Petersburg, 29)
Stats: 11,6 Punkte / 8,5 Rebounds / 0,3 Blocks
Wer ihn bei den beiden Testspiel-Niederlagen gegen Deutschland gesehen hat, mag nicht glauben, dass dieser Mann bei der EM trotz des aschfahlen Teints eines Vampirs für Schrecken sorgen könnte. Sein Spiel hat so viele Schwachstellen wie sein Körper Tattoos - was sich auch bei der EM bewahrheitete. Eine Wurfquote von 37,0 Prozent im Zweipunkt-Bereich ist für einen 2,10 Meter Forward genauso indiskutabel wie 0,3 Blocks und seine fatale Liebe zum Dreier (29,1 Prozent). Das große Aber: Antic war der emotionale Anführer Mazedoniens und neben McCalebb der entscheidende Faktor für den sensationellen Halbfinal-Einzug. In den letzten beiden Vorrunden-Spielen lieferte er gegen Finnland 14 Punkte und 19 Rebounds sowie gegen Bosnien 15 und 14.
Small Forward
Andrei Kirilenko (Russland, Utah Jazz, 30)
Stats: 14,9 Punkte / 6,1 Rebounds / 2,6 Steals
GettyKaum ein Spieler bekam derart viele Freiheiten wie Kirilenko. "Andrei ist ein wilder Mustang. Er ist am besten, wenn er ohne eine spezifische Rolle machen darf, was er will", sagte Russlands Trainer David Blatt. Und der wilde Mustang tat wie befohlen und spielte mal wie ein Center (6,1 Rebounds), mal wie ein Guard (2,3 Assists und 2,6 Steals), mal wie es seiner angestammten Position entspricht als Small Forward.
Nachdem er in den letzten Jahren vom Allround-Wunder zur NBA-Durchschnittsware verkommen war, meldete er sich in imposanter Art zurück. Auffällig sein verbesserter Dreier (40,7 Prozent), spektakulär seine Athletik. Hatte in den drei Wochen nur ein schwaches Spiel: 1/9 aus dem Feld und 3 Turnover in der Zwischenrunde gegen Mazedonien.
Backup: Nicolas Batum (Frankreich, Portland Trail Blazers, 22)
Stats: 13,8 Punkte / 3,2 Rebounds / 2,0 Steals
Das Ideal, dem Robin Benzing nacheifern sollte. Zwar sind beide gleich alt, doch obwohl der Deutsche eine gute EM spielte (9,1 Punkte, 52,6 Prozent Dreier), war es augenscheinlich, dass Batum zwei Schritte voraus ist. Der Franzose verkörpert das Protomodell des modernen Small Forwards: athletisch, schnell und konditionsstark, gleichzeitig ausgestattet mit genug Muskeln für den Infight, einer hohen Basketball-IQ, Uneigennützigkeit sowie einem sich immer weiter verbessernden Wurf (40,5 Prozent Dreier). Auffällig: Erzielte in allen 11 Spielen 9 Punkte oder mehr.
Teil II: Die Shooting Guards und Point Guards
Shooting Guard
Juan Carlos Navarro (Spanien, FC Barcelona, 31)
Stats: 18,7 Punkte / 3,0 Assists / 44,7 Prozent Dreier
GettySchon vor der EM ein Superstar des europäischen Basketballs, nach dem Finalsieg und der Wahl zum MVP in der Riege der ganz Großen der Geschichte. Die ersten beiden Turnierwochen verliefen wenig aufregend, aber dann legte er los. Seine Punkteausbeute ab dem Viertelfinale: 26 gegen Slowenien, 35 gegen Mazedonien, 27 gegen Frankreich. Das Frankreich-Spiel in der Zwischenrunde miteinberechnet, traf er 17 der letzten 28 Würfe von Downtown. Ob per Floater oder Dreier aus dem Dribbling, aus der Ecke, mit einem Bein, gegen zwei Gegenspieler: Navarro war die Definition von Clutch.
Seinem Trainer Sergio Scariolo verleitete dies zum ultimativen Lob der EM: "Navarro ist wie ein Maestro. Wie ein Bild, das im Louvre oder im Prado hängt. Wie ein Meisterwerk. Er hat sich seine eigene Welt geschaffen und spielt wie von einem anderen Planeten. Wenn er heiß läuft, schwebt er auf einer Wolke und kreiert. Er ist ein Basketball-Künstler."
Backup: Rimantas Kaukenas (Litauen, Montepaschi Siena, 34)
Stats: 10,9 Punkte / 2,2 Assists / 77,8 Prozent Dreier
Der alte Mann und das Pick'N'Roll: Der Ex-BBL-Profi trieb mit dem ständigen Blockstellen und dem Abrollen vor allem die deutschen Guards in den Wahnsinn. Litauen trat als Kollektiv auf (7 Spieler mit 8,4 Punkten oder mehr), doch Kaukenas stach mit seiner formidablen Schussauswahl heraus. Einem 34-jährigen Shooting Guard mit schwindender Athletik hätte man eine Wurfquote von 62,0 Prozent nicht zugetraut. Brandgefährlich machte ihn der gezielt eingesetzte Dreier, den er nur nahm, wenn er sicher war zu treffen (77,8 Prozent).
Point Guard
Bo McCalebb (Mazedonien, Montepaschi Siena, 26)
Stats: 21,4 Punkte / 3,7 Assists / 2,1 Steals
Vor der EM war der Name "Bo" in Deutschland nur geläufig wegen einer Ex-Hollywood-Schönheit (Bo Derek), einem semi-erfolgreichen Rapper (Das Bo) und einem Fußball-Profi (Bo Svensson). Alles vergessen, man sollte sich nur einen Bo merken: Bo McCalebb, die Sensation der EM.
Es gab nichts, was ihm nicht gelang: In jedem der elf Spiele stand er mindestens 31 Minuten auf dem Court und erzielte nie weniger als 16 Punkte. Was beeindruckte: Seine außerordentlichsten Leistungen zeigte er vor allem gegen die schweren Gegner (Litauen, Spanien, Russland).
Sein Dreier war nicht immer zuverlässig (31,0 Prozent), dafür tankte sich der 1,78-Meter-Zwerg kraft seiner Athletik und Schnelligkeit zum Korb und traf dort in allen erdenklichen Layup-Varianten (52,4 Prozent in der Zweipunkt-Zone).
Sein Leistungsausbruch deutete sich bereits bei Montepaschi an, mit dem er italienischer Meister, Pokalsieger und Supercupsieger wurde und das Euroleague-Final-Four erreichte.
Nicht nur wegen McCalebb fühlen sich die osteuropäischen Nationen bestätigt darin, einen US-Point-Guard einzubürgen. Auch Bulgariens Earl Rowland (18,0 Punkte, 53,8 Prozent Dreier), Kroatiens Dontaye Draper (6,6 Punkte, 7,0 Assists) und Ukraines Stiven Bertt (11,6 Punkte, 4,8 Assists) erwiesen sich als Leistungsträger. Nur Montenegros Ex-NBA-Profi Omar Cook (7,4 Punkte, 4,2 Assists) enttäuschte.
Backup: Tony Parker (Frankreich, San Antonio Spurs, 29)
Stats: 22,1 Punkte / 4,4 Assists / 1,6 Steals
Er kam erholter zur EM und hatte wesentlich bessere Mitspieler als Dirk Nowitzki, doch am Ende kam sich Parker ähnlich einsam vor in seinem Unterfangen, einen großen Titel mit dem Nationalteam zu erringen. Gegen Spanien setzte sich das fort, was schon im Viertelfinale gegen Griechenland und im Halbfinale gegen Russland begonnen hatte: Wenn es darauf ankam, musste Parker die Equipe fast alleine tragen - und wurde so anfällig für Fehler. Sein Turnover-Schnitt in den letzten drei Spielen: 4,7.
Alle Ergebnisse der EM 2011