Dringend gesucht: Ein Star-Center!

Von Für SPOX im Audi Dome: Haruka Gruber
Steffen Hamann und der FC Bayern besiegten Fenerbahce mit 78:73
© Getty

Ein Sieg über ein europäisches Top-Team und eine geglückte Audi-Dome-Einweihung: BBL-Aufsteiger FC Bayern München überzeugte gegen den türkischen Meister Fenerbahce. Doch für den großen Wurf fehlt ein großes Puzzleteil.

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Das Ritual überlebte einen Sommer, einen Umzug und den Aufstieg in die Bundesliga. Vor dem Tipoff zur BBL-Generalprobe gegen den türkischen Doublesieger Fenerbahce nahm Dirk Bauermann vom Hallensprecher das Mikrofon und sprach einem Zeremonienmeister gleich zu den Fans des FC Bayern Basketball.

Ein aus der Vorsaison bekannter Brauch, der bei der Einweihung des mit 6.100 Zuschauern fast ausverkauften Audi Domes jedoch eine andere, durchschlagendere Wirkung erzielte als noch in der spartanischen und nur 3200 Zuschauer fassenden Olympia-Eishalle, der Stätte im letzten Zweitliga-Jahr.

Bayern-Coach Bauermann sprach davon, dass sich seine Jungs für die Anhänger "das Herz aus der Brust reißen" würden und die "Halle brennen" solle. Bedeutungsschwangere Worte - die aber auch eine gewisse Berechtigung hatten.

Star-Trainer von Bayern überzeugt

Denn mit einer engagierten und phasenweise ansehnlichen Leistung siegte der BBL-Neuling mit 78:73 über Fenerbahce. Ein Team, das zum Kreis der Mitfavoriten auf den Euroleague-Titel zählt und sich nichts sehnlicher wünscht als die Teilnahme am Final Four, das diese Saison in der Heimatstadt Istanbul ausgetragen wird.

Entsprechend hochkarätig ist Fenerbahce besetzt: Star-Trainer Neven Spahija bot in München alleine drei Stützen der türkischen Nationalmannschaft auf (Emir Preldzic, Ömer Onan, Oguz Savas), hinzu kamen unter anderem Kroatiens Scharfschütze Bojan Bogdanovic und der frühere NBA-Draft-Pick James Gist.

Dass sich dennoch der FC Bayern als die dominante Mannschaft erwies und sich zwar nicht absetzen konnte, aber fast das komplette Spiel in Führung lag, nötigte Spahija Respekt ab: "Die Bayern sind zwar erst aufgestiegen, aber sie sind absolut konkurrenzfähig, national wie auch international."

"Es gibt nicht viele deutsche Vereine, die gegen so einen Gegner zu so einer Leistung fähig gewesen wären", stimmte sogar Bauermann ein - nur um sich wenig später wieder in Understatement zu üben. Erst vier Tage zuvor hatte der FC Bayern ein Testspiel beim deutschen Meister und Pokalsieger Bamberg mit 66:106 verloren: "Genauso wenig, wie wir die Niederlage in Bamberg überbewertet haben, werden wir diesen Sieg auch nicht zu hoch aufhängen."

Nadjfeji wie neugeboren

Es gibt einige Einschränkungen. Etwa der Umstand, dass bei Fenerbahce mit den beiden Kroaten Roko Leni Ukic und Marko Tomas zwei wichtige Spieler fehlten. Oder dass die türkische Liga zwölf Tage später anfängt als die BBL und deswegen Quervergleiche nur bedingt aussagekräftig sind.

Gleichwohl dürften die Konkurrenten aus Bamberg und Berlin, das selbst beim Auftakt zur Euroleague-Qualifikation gegen Riga siegreich blieb, mit Interesse die Vorstellung der Bayern verfolgt haben - und dabei besonders vom 34-jährigen Aleksandar Nadjfeji überrascht worden sein.

Gemeinhin ging man davon aus, dass der BBL-Veteran sich langsam dem Rücktritt nähert, doch Nadjfeji setzte Blocks, rollte sich ab und traf hochprozentig seine Korbleger, als ob seit seinen Glanztagen in Bonn und Köln die Zeit stehen geblieben wäre.

Seine 15 Punkte (6/10) und 8 Rebounds (davon 5 offensiv) sind ein Beleg dessen, wie wirkungsvoll Bauermanns Anweisung war, im Sommer gezielt Muskeln aufzubauen. Der Serbe nahm rund vier Kilogramm an Masse zu und "ist jetzt viel stabiler" (Bauermann).

Foster und Hansbrough deuten Klasse an

Je'Kel Foster und Ben Hansbrough, die beiden Signature-Zugänge der Offseason, sahen nicht immer glücklich aus, doch mit je 12 Punkten waren sie gemeinsam mit dem wieder erstarkten Demond Greene (5/6 Würfe) die drittbesten Scorer der Bayern.

Foster zeigte die aus Oldenburg bekannten Allround-Fähigkeiten und punktete von außen wie von innen und verteidigte mit der Hartnäckigkeit eines Derwischs (5 Steals).

Hansbrough wiederum fand mit seinen Drives (6 Fouls gezogen) und seinen Pässen (5 Assists) verschiedene Wege, um zur Offensive beizutragen, nur sein sonst so zuverlässiger Dreier (0/3) ließ ihn im Stich.

James Gist offenbart größtes Bayern-Problem

Ein durchweg positives Fazit verbot sich jedoch. Wegen einer Zahl: die 21. Den Bayern unterliefen 21 Turnover, alleine Ruben Boumtje Boumtje (5) sowie Steffen Hamann und Hansbrough (beide 4) verloren den Ball zusammen 13 Mal unnötig. Bauermann erklärte dies mit der fehlenden Abstimmung und versprach baldige Besserung.

Eine weitere 21 jedoch verdeutlichte ein Grundproblem, das sich nicht mit Zeit und Trainingseinheiten beseitigen lässt: Die Bayern verteidigten insgesamt ordentlich und bekamen jeden Gegenspieler, mit zunehmender Dauer auch Shooting Guard Ömer Onan (15 Punkte), in den Griff. Nur einen nicht: James Gist, mit 21 Punkten bester Scorer der Türken.

Gist ist vielleicht kein herausragender, aber ein guter Power Forward: Er holt Rebounds, trifft vom Bayern-Spiel abgesehen (1/5) den Dreier und ist vor allem ein anatomisches Wunder an Sprungkraft und Athletik. Gegen den FCB glückten ihm mehrere spektakuläre Dunks.

Jagla als Not-Center

Jan Jagla (4 Punkte, 3 Rebounds) als Not-Center in der Ersten Fünf tat sein Bestes, aber weder ihm, noch den Backups Boumtje Boumtje und Bogdan Radosavljevic gelang es, Gist vom springen und stopfen abzuhalten.

Jagla fehlt die Athletik, Boumtje Boumtje bei allem Respekt das Talent und dem 18-jährigen Radosavljevic die Routine. Auch dem 38-jährigen Darius Hall, der nach zahlreichen Rückschlägen in der Vorbereitung auch gegen Fenerbahce pausieren musste, bleibt gegen einen solchen Spielertypus nicht mehr als die Rolle des Komparsen.

Doch weniger Gists 21 Punkte schmerzten die Bayern, sondern vielmehr die Erkenntnis, welch großes Loch sich wegen Sharrod Fords überhastetem Weggang aus privaten Gründen aufgetan hat.

Ford verzichtet auf Topgage

So wichtig der noch ungefähr drei Wochen pausierende Robin Benzing, die Nationalmannschaftskollegen Philipp Schwethelm und Jagla, Hansbrough sowie Foster sind: Die wichtigste Verpflichtung der Bayern war Ford. Ein Beleg: Ford, der beste Center der italienischen Liga, hätte 600.000 Euro verdienen sollen und wäre damit der mit Abstand bestbezahlte BBL-Profi gewesen.

"Genau für Spieler wie Gist haben wir Ford geholt. Mit seiner Athletik hätte er dagegenhalten können", sagt Bauermann. Umso dringender suchen er und Sportdirektor Marko Pesic nach einem neuen Center. Nur: Es fehlen die Kandidaten. Bauermann: "Marko und ich sitzen Tag und Nacht daran. Aber der Markt ist sehr schwierig."

Für den Season Opener in Bonn (Mo., 14.05 Uhr im LIVESCORE) wird sich Bauermann mit dem jetzigen Kader begnügen müssen, auch bis zum BBL-Heimdebüt gegen Braunschweig am 8. Oktober wird es eng. Womöglich muss es dann wieder das Ritual richten.

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