Das Mantra des Champions

Haruka Gruber
30. Dezember 201122:24
Karsten Tadda und Julius Jenkins: Von einer Schwächephase abgesehen, läuft es bei BambergGetty
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Die BBL ist so umkämpft und facettenreich wie selten: Alba Berlin vertraut auf seine zwei Basketball-Hirne DaShaun Wood/Heiko Schaffartzik, Meister Bamberg auf beängstigende Dominanz. "Bayern-Klon" Würzburg sorgt für ein statistisches Kuriosum.

7. s.Oliver Baskets Würzburg: 8 Siege, 6 Niederlagen

Das läuft gut: Eines der großen Rätsel der BBL: So peinlich Niederlagen wie die jüngste beim damaligen Vorletzten Hagen sind - Erfolge wie über die Bayern nach 0:12-Start oder in Ulm belegen die Stärke der Baskets. Obwohl der Kader nach dem Aufstieg fast komplett neu zusammengestellt wurde, fanden die Spieler schnell eine gemeinsame Basis: Von den ersten 8 Spielen wurden 6 gewonnen.

Das läuft schlecht: Verblüffende Parallelen zu den Bayern: Wie die Münchner stieg Würzburg erst auf, verpflichtete und löste alsbald den Vertrag mit einem College-Star (hier: Gilbert Brown), zeigt sich zuhause besonders gefährlich (7-1) und auswärts erschreckend harmlos (1-5). Erstaunlich die empirischen Extreme unter Coach John Patrick: Anders als noch in Göttingen bürgt er nicht für Offense (mit 72,3 Punkten nur 12.) - was damit zusammenhängt, dass die Baskets kaum Team-Basketball zeigen und in Folge dessen schlechte Würfe nehmen. Mit 11,2 Assists und einer Wurfquote von 41,4 Prozent ist Würzburg jeweils Vorletzter. 64,8 Prozent Freiwurfquote sind sogar Liga-Minus. Weiteres Kuriosum: Die Baskets sind gleichzeitig das beste Offensiv-Rebound-Team und das schlechteste Defensiv-Rebound-Team.

Der X-Faktor: Ricky Harris. Er ist ein Shooting-First-Guard - und nichts anderes. Von der Bank zu kommen, in 18 Minuten 11,6 Punkte zu erzielen und somit Würzburgs Topscorer zu sein, mag respektabel sein. Doch von einem 1,85 Meter kleinen Aufbauspieler müssen mehr als 0,6 Assists zu erwarten sein. Patricks Vorliebe für ungewöhnliche Basketball-Typen ist bekannt, aber selbst er würde sich von Harris wohl etwas mehr Konventionelles wünschen.

6. FC Bayern München: 8 Siege, 6 Niederlagen

Das läuft gut: Über welch großes Potenzial die Bayern verfügen, war unter anderem beim Heimsieg über Treviso (mit NBA-Profi Scalabrine) oder bei der knappen Niederlage gegen Alba ersichtlich. Die Qualität der Einzelspieler ist hoch genug, um jeden Gegner abgesehen von Berlin und Bamberg zu besiegen - egal ob zuhause oder auswärts. Erstaunlich: Die trotz der durchwachsenen Saison gute Resonanz im Audi Dome. Sie dürfte mitentscheidend sein für die hervorragende Ausbeute von 7 Siegen aus 8 Heimspielen.

Das läuft schlecht: Alles hängt offenbar an der Psyche. Anders lässt es sich nicht erklären, dass die Bayern auswärts fast alles herschenken (1-5), bei knappen Spielständen die Nerven verlieren, nur 67,2 Prozent der Freiwürfe treffen (Platz 15), teils sinnlose Regelwidrigkeiten begehen (Platz 2 bei begangenen Fouls), sich das entscheidende Spiel um das Eurocup-Weiterkommen in Treviso mit 66:92 um die Ohren hauen ließen und in Würzburg trotz eines 12:0-Starts erst komplett die Ordnung und dann die Partie verloren. Die unglückliche Personalpolitik (die designierten Stars Ford und Hansbrough baten um Vertragsauflösung), Verletzungen (Foster, Benzing, Doreth) und wegen eines Herzfehlers erzwungene Rücktritte (Boumtje-Boumtje) trugen ebenfalls ihren Teil bei.

Der X-Faktor: Jon Wallace. Vermutlich weiß er selbst nicht genau, warum er nicht häufiger sein Talent abruft. Wallace kann an guten Tagen jeden und alles dominieren, an schlechten hingegen erinnert er mehr an einen Drittliga-Amerikaner, der nicht viel mehr kann als dribbeln und werfen. Statistisch fast unfassbar: Entweder hat Wallace einen Effektivitätswert von 12 oder mehr (viermal in dieser Saison) - oder einen von 5 oder weniger (neunmal). Einen Mittelweg gibt es bei ihm offenbar nicht.

Chevon Troutman im Interview: Der Emotional Leader der Bayern

5. New Yorker Phantoms Braunschweig: 8 Siege, 6 Niederlagen

Das läuft gut: So recht wissen vermutlich die Phantoms selbst nicht, wie gut oder wie schlecht sie sind. In allen Team-Statistiken der BBL liegt Braunschweig zwischen Platz 7 und Platz 14. Positive Lesart: Braunschweig hat keine gravierende Schwachstelle. Auffällig: Ähnlich wie Bamberg wird die Scoring-Last paritätisch verteilt: 8 Spieler, allesamt mit mindestens 7,5 Punkten. Ebenfalls auffällig: die Finisher-Fähigkeiten. Braunschweig gewann 6 von 8 Spielen, die mit 5 Punkten oder weniger entschieden wurden.

Das läuft schlecht: Langsam wird eine Systematik sichtbar: Alle Partien gegen die Rivalen aus den Top 6 gingen verloren. Die Mannschaft ist ordentlich bis gut besetzt, doch bei all der Tiefe vermisst man das gewisse Etwas. Oder eben einen Go-to-Guy, der die Mannschaft aufzurichten weiß. Top-Zugang Immanuel McElroy gehörte mal zu den besten BBL-Spielern, doch wegen seiner zurückhaltenden Art als Mensch wie auch als Offensivspieler (nur 8,2 Punkte) taugt er nur bedingt dazu. Dabei trifft Defensiv-Spezialist McElroy so gut aus der Distanz wie noch nie (47,8 Prozent).

Der X-Faktor: Kyle Visser. Er könnte die BBL mitbestimmen. Könnte. Aber so talentiert Visser ist - dem Center fehlt es immer noch an Konstanz, Reife - oder am Willen. 5,0 Rebounds sind für einen 2,11 Meter Big Man genauso enttäuschend wie sein Hang zu Fouls. Ein Visser in Bestform hingegen ist kaum zu stoppen, so zu sehen gegen Artland: 21 Punkte, 10/11 Würfe, 9 Rebounds, 2 Blocks.

4. Artland Dragons: 9 Siege, 4 Niederlagen

Das läuft gut: David Holston ist der Mann der Superlative. Er ist der kleinste Spieler der BBL (1,70 Meter), gleichzeitig wohl der Schnellste. Seine 18,2 Punkte und 5,9 Assists bedeuten jeweils Platz zwei. Dass er dennoch nur 2,5 Ballverluste verzeichnet, spricht für seine Klasse. Genauso die für einen Zwerg herausragende Wurfquote im Zweipunktbereich von 48,1 Prozent. Defensiv ist er mit 1,5 Steals (3. Platz in der BBL) ebenfalls von Wert.

Holston ist aber nur die Speerspitze: Mit Nachverpflichtung Brandon Hunter sowie Nathan Peavy und Darren Fenn hat Coach Stefan Koch weitere Scorer in seinem Team. Mit 87,8 Punkten stellt Artland die beste Offense noch vor Bamberg und Alba, hinzukommt der zweitbeste Wert bei Assists und der drittbeste bei der Dreierquote.

Das läuft schlecht: So spektakulär die Offense anmutet - darunter leidet die Defense: In 6 von 12 Partien musste Artland 80 Punkte oder mehr hinnehmen. Coach Koch sagt in der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Wir haben zu wenig Kommunikation auf dem Feld, zu viele ruhige Typen." Vor allem der Ausfall von Bryan Bailey sei schmerzhaft, weil er "unser bester Verteidiger ist". Doch nicht nur Bailey verletzte sich, auch Christian Hoffmann und Adam Hess mussten ersetzt werden. Von den Vertretern Brandon Thomas, Goran Jeretin und Acha Njei kommt nur Thomas auf nennenswerte Anteile, so dass er wohl der Einzige ist, mit dem über das Jahr hinaus verlängert wird.

Der X-Faktor: Johannes Strasser. Ein deutscher Spielmacher mit viel Spielzeit und einem tödlichen Wurf - den außerhalb der BBL sonst kaum jemand kennt? Mit 29 Jahren gehört Strasser nicht zu den Jüngsten und in Artland punkten 7 Spieler mehr, dennoch sind 7,9 Zähler bei einer Dreierquote von 44,0 Prozent bemerkenswert. Er ist der Scharfschütze und das deutsche Gesicht der Dragons. Die Belohnung: eine Einladung zum All-Star-Game.

Die Top 3 mit der Überraschungsmannschaft, Bambergs Mantra und Berlins Doppelspitze: Hier geht's zu Teil!

3. ratiopharm Ulm: 10 Siege, 3 Niederlagen

Das läuft gut: Der Frühling und der Sommer ließen Schlimmes erahnen, immerhin trennte sich Ulm gezwungenermaßen vom vertragslosen Topscorer Robin Benzing und im Unfrieden vom langlährigen Coach Mike Taylor. Aber: Durch eine kluge Transferpolitik, dem Halten von Center John Bryant und Point Guard Per Günther sowie die Ernennung des neuen Erfolgstrainers Thorsten Leibenath wurde all das vergessen gemacht.

Welch positive Wirkung die für 27,5 Millionen gebaute Arena entfalten kann, war bei der Eröffnung gegen Oldenburg zu sehen, als der personell wesentlich besser besetzte Gegner mit 101:83 abgefertigt wurde.

Das läuft schlecht: 10 Siege nach 13 Spielen sind sensationell, doch wie sehr Ulm von MVP John Bryant abhängt, wurde in Berlin deutlich. Ohne den an einer Grippe erkrankten Center setzte es ein ernüchterndes 58:89. Ansonsten gibt es wenig zu mäkeln an der Überraschungsmannschaft der Saison: Sie liegt in den meisten Team-Statistiken im vorderen und mittleren Feld, nirgendwo ganz hinten. Spricht für eine gewisse Ausgewogenheit.

Der X-Faktor: Dane Watts. Bryant ist der große Star, Per Günther der deutsche Nationalspieler und Shooter Isaiah Swann der Topscorer - doch wenn Watts fehlen würde, könnten die drei wesentlich seltener glänzen. Watts ist ein klassischer Forward-Wühler: Es sieht nicht immer elegant aus, dafür arbeitet er am Brett (6,3 Rebounds) und trifft die Würfe, die es zu treffen gilt (10,2 Punkte). "Ohne ihn würden wir nicht so weit oben stehen", sagt Günther.

Per Günther im Interview: "An Turbo-Diddi kommt nichts heran".

2. Brose Baskets Bamberg: 10 Siege, 2 Niederlagen

Das läuft gut: Bamberg bleibt sich selbst treu: Der schwarze November mit 4 Niederlagen in Serie innerhalb von 10 Tagen wurde so schnell hinter sich gelassen wie er kam, am Grundsätzlichen wird ohnehin nicht gezweifelt. Das Mantra heißt Teamwork: 7 Spieler erzielen 8,7 Punkten oder mehr. Heißt: Je nach Gegner und Situation bekommt der passende Spieler seine Plays, so dass kein Team so unberechenbar ist wie Bamberg.

Fast schon beängstigend die statistische Dominanz in der BBL - egal ob in offensiven oder defensiven Kategorien: Platz eins bei den Assists (18,4), bei der Dreierquote (38,6), bei der Feldwurfquote (52,2) sowie bei den Blocks (4,0) und bei den Steals (7,2).

Das läuft schlecht: Das große Ziel lautete das Erreichen der Top 16 in der Euroleague - doch erneut scheiterte Bamberg. "Wir sind mit einer Bilanz von 3-7-Siegen ausgeschieden, mit ein bisschen mehr Glück hätte sie aber auch 7-3 lauten können", sagte Trainer Chris Fleming.

Das stimmt aber nur bedingt: Zwar hielt Bamberg selbst gegen ZSKA Moskau phasenweise mit, doch es war augenscheinlich, dass es entweder an der mentale Stärke oder schlichtweg der Qualität mangelte, um die entscheidenden Spiele gegen gleich gute oder etwas bessere Gegner zu closen.

Eine Erklärung dafür könnte sein, dass wegen John Goldsberrys Ausfall kein echter Floor General im Kader steht, der die Mannschaft zu beruhigen versteht, wenn es ins hektische Abschlussviertel geht: Anton Gavel, Brian Robert und Julius Jenkins sind allesamt mehr Shooting als Point Guard.

Der X-Faktor: Tibor Pleiß. Marcus Slaughter und der verbesserte P.J. Tucker sind Athletik-Tiere, Pleiß hingegen verspricht mit seinem klassisch-europäischen Big-Men-Basketball eine andere Facette. Nur: Ihm fehlt nach wie vor die Beständigkeit. Leistungen wie gegen Braunschweig (20 Punkte, 9 Rebounds, 4 Blocks) sind die Ausnahme und nicht die Regel. Anders formuliert: In allen wichtigen Statistik-Kategorien abgesehen von der Freiwurfquote verschlechterte er sich - und das bei fast gleich bleibender Spielzeit. Wenn Bamberg in einer Best-of-five-Playoffserie gegen Alba und den Twin Towers Francis/Idbihi gewinnen will, braucht es einen Pleiß in Bestform.

1. Alba Berlin: 10 Siege, 2 Niederlagen

Das läuft gut: Der Saisonstart verhieß nichts Gutes mit der verpassten Euroleague-Qualifikation und 2 Niederlagen aus den ersten 3 Ligaspielen. Seitdem jedoch hat Alba Feuer gefangen: 9 Siege in Serie mit 19,3 Punkten Vorsprung im Schnitt. Opfer wurden dabei alle Top-Gegner: Bamberg, Ulm, FC Bayern und Braunschweig. Damit ist Berlin erstmals seit eineinhalb Jahren Tabellenführer.

Was beeindruckt: Coach Gordon Herbert gelang es schneller als etwa Dirk Bauermann in München, aus einer nicht eingespielten Ansammlung von Profis eine homogene Mannschaft zu entwickeln - mit dem Prunkstück auf der Eins: DaShaun Wood und Heiko Schaffartzik ergänzen sich hervorragend.

Wood scort weniger als in Frankfurt (von 19,0 auf 15,8 Punkte), ist dennoch ein Muster an Konstanz (in 10 von 12 Spielen mindestens 12 Punkte) und trifft den Dreier besser (von 31,4 auf 39,6 Prozent). Schaffartzik wiederum liefert je nach Partie, was gefordert ist, seien es Dreier (37,7 Prozent), Assists (3,1), Rebounds (3,4) oder Nervenstärke von der Freiwurflinie (88,0 Prozent). Dank des Duos ist Alba das beste Freiwurf-Team und das zweitbeste Turnover-Team der BBL.

Und: Berlin liegt an der Spitze bei den Rebounds und foult so selten wie keine andere Mannschaft.

Das läuft schlecht: Es fällt schwer, nach Problemen zu suchen. Wenn überhaupt könnten einzelne Spieler Anlass zur Sorge sein. Derrick Allen etwa steckt in einem veritablen Loch, in den letzten drei Partien traf er nur 1 von 9 Würfen und beging mehr Turnover (4), als er Rebounds abgriff (3).

Lucca Staiger wird wiederum über seine grundsätzliche Perspektive nachdenken: Während Schaffartzik, Yassin Idbihi und Sven Schultze wertvolle Kräfte von der Bank sind, wird Staiger als einziger deutscher Nationalspieler kaum oder nur sporadisch eingesetzt: In 8 von 12 Spielen stand er gar nicht oder unter 9 Minuten auf dem Court.

Der X-Faktor: Torin Francis. Anders als Bamberg oder die Bayern plante Alba bewusst mit einem klassischen Center-Duo aus zwei echten Big Men: Francis/Idbihi. Der Beginn verlief enttäuschend, doch zusehends verbessert sich vor allem Francis. Sein Schnitt in den letzten drei Partien: 18,3 Punkte bei einer Quote von 83,3 Prozent!

Wie steht es in der BBL: Alle Ergebnisse und die Tabelle im Überblick