SPOX: Bei der EM 2011 sagte Ihr spanischer Nationaltrainer Sergio Scariolo: "Navarro ist wie ein Maestro. Wie ein Bild, das im Louvre oder im Prado hängt. Wie ein Meisterwerk. Er hat sich seine eigene Welt geschaffen und spielt wie von einem anderen Planeten. Er ist ein Basketball-Künstler." Herr Navarro, wie lebt es sich als Basketball-Künstler?
Juan Carlos Navarro: Es ist ein nettes Kompliment vom Coach, er benutzt gerne solche Vergleiche. Dennoch sehe ich mich nicht als Künstler und meine Art, Basketball zu spielen, ist auch keine künstlerische Leistung. Ich bin einfach nur ein Sportler, der sich immer verbessern will, wenn er auf dem Court steht.
SPOX: Ihr Dreier und Ihr Floater sind der Inbegriff der Perfektion. Was antworten Sie einem Nachwuchsspieler, wenn dieser nach dem Geheimnis fragt?
Navarro: Dass Perfektion nicht existiert. Es gibt so viele Basketballer, die alle ihren Stil geprägt haben - und jeder Stil hat eine Berechtigung. Daher sollte sich kein Nachwuchsspieler darauf versteifen, etwas nachzueifern, sondern stattdessen den eigenen Weg finden. Es gibt Profis, die eine sehr hässliche Wurftechnik haben, diese aber dennoch effektiv ist. Das ist das Entscheidende: Effektivität. Wenn ein Schuss schön aussieht, ist es nett - aber am Ende nur schmückendes Beiwerk.
SPOX: Wie gelang es Ihnen, zu einem solch vielseitigen Scorer zu werden?
Navarro: Angeborenes Talent ist Voraussetzung - doch es reicht bei weitem nicht aus. Ich versuche jeden Tag, aus den verschiedensten Positionen den Wurf zu trainieren und verschiedene Spielsituationen zu simulieren.
SPOX: Scariolo beschreibt: "Wenn Navarro heiß läuft, schwebt er auf einer Wolke." Wie fühlt es sich an, auf einer Wolke zu schweben?
Navarro: Sorry, aber mir fehlen die Worte, um dieses Gefühl auszudrücken. Es sind Momente, in denen ich mir absolut sicher bin, dass ich zu jederzeit und von überall den Ball in den Korb bekomme. Ich sehe den riesigen Ring und ich weiß, dass mein Wurf reingeht. Es ist immer noch abstrakt, aber ich kann es nicht besser formulieren.
SPOX: Sie gehören schon jetzt zu den größten Basketballern der europäischen Geschichte. Doch wen bewundert Juan Carlos Navarro?
Navarro: Ich habe und werde immer Michael Jordan bewundern. Dabei geht es mir nicht vorrangig darum, was für ein fantastischer Basketballer er war. Vielmehr ist es faszinierend, welchen Einfluss er auf die Mitspieler hatte. Jeder, wirklich jeder Mitspieler wurde dank Jordan besser. Jeder, der von den Bulls wegging, wurde schlechter. Das mag ich so an Jordan: Er war der beste Basketballer der Welt und machte gleichzeitig alle anderen besser. Wer kann das sonst von sich behaupten?
SPOX: Sie standen mit einigen Legenden in einer Mannschaft. Wer war der Aufregendste?
Navarro: Ich hatte das Glück, mit so vielen großartigen Basketballern den Locker Room zu teilen, dass ich keinen hervorheben kann. Saras Jasikevicius war in allen Belangen herausragend, Dejan Bodiroga besaß ein unglaubliches Basketball-Know-how, Gianluca Basile gehört zu den besten Shootern überhaupt und Pau Gasol ist der beste europäische Center aller Zeiten.
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SPOX: Zwischen 2009 und 2011 gehörte auch Ricky Rubio zu Ihren Teamkollegen. Ist der Hype um ihn gerechtfertigt?
Navarro: Ricky liegt Basketball im Blut. Es ist eine Gabe. Das spüren die Leute, deswegen fühlen sie sich so hingezogen zu seinem Style und seiner Einzigartigkeit. Ich weiß nicht, wo ich aufhören soll: Er ist ein harter Arbeiter, der weiß, was er will. Er wird super beraten und er ist sehr intelligent. Er befolgt seinen Karriereplan vorbildlich Schritt für Schritt. Es ist schade, dass er sich so schwer verletzt hat und bei den Minneosta Timberwolves die halbe Saison ausfiel, aber ich bin mir sicher, dass er noch stärker zurückkehrt. Da habe ich keinerlei Zweifel.
SPOX: Rubios erste NBA-Saison war ein Erfolg, aber auch ihr Debüt in den USA verlief damals sehr ordentlich. Sie kamen 2007/08 bei den Memphis Grizzlies 26 Minuten im Schnitt zum Einsatz und erzielten 10,9 Punkte. Allerdings beendeten Sie sofort den NBA-Aufenthalt und unterschrieben wieder bei Barca. Warum?
Navarro: Es gab viele Gründe. Ich bereue das Jahr in der NBA nicht, ich und meine Familie fühlten uns sehr wohl. Trotzdem merkte ich, dass ich den europäischen Basketball bevorzuge und wieder bei dem Verein sein wollte, wo ich mein gesamtes Leben verbracht habe. Als ich hörte, dass mich Barcelona zurück haben möchte, einigten wir uns sehr schnell.
SPOX: Barcelona ist das Aushängeschild der spanischen ACB, der besten Liga Europas. Die deutsche BBL wähnt sich jedoch im Aufschwung und plant, bis 2020 zur ACB aufzuschließen. Realistisch?
Navarro: Ich weiß nicht, ob das möglich ist, weil es Zeit braucht, um eine solide Basis zu schaffen. Die deutsche Liga muss nach und nach wachsen und konkurrenzfähig werden. Wenn das gelingt, fangen gute Spieler an, sich für einen Wechsel zu interessieren. Davon bin ich überzeugt. Die Voraussetzungen stimmen. Jedes Mal, wenn wir in Deutschland spielen, sind die Hallen voll und die Unterstützung der Fans ist großartig. Sie sind nicht heißblütig, aber sie haben Ahnung von der Sportart. Deutschland hat das Potenzial, eine starke, kraftvolle Liga zu etablieren.
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SPOX: Grundlage für die Pläne der BBL ist der Einstieg des FC Bayern. Was wissen Sie über das Projekt?
Navarro: Ich habe davon gehört. Es ist vergleichbar mit uns in Barcelona, weil klubintern Fußball die größte Bedeutung zukommt, der Basketball dennoch sehr unterstützt wird. Die Bayern werden mit Ihrem Einstieg neues Interesse auf den Basketball lenken und dabei helfen, die Arenen voll zu zu kriegen. Das ist gut. Aber: Was für die deutsche Liga gilt, gilt auch für die Bayern. Man sollte versuchen, nachhaltig zu wachsen. Ein Gigant auf wackeligen Füßen hilft niemanden.
SPOX: Bei Bayern-Basketball sind häufig die Fußball-Stars zu Besuch. Wie ist es in Barcelona? Sprechen Sie häufig mit Lionel Messi, Xavi oder Andres Iniesta?
Navarro: Leider nicht so oft, weil sich die Spielpläne überschneiden. Wenn der Klub Veranstaltungen organisiert, setzen wir uns aber zusammen und sprechen über die Sportart des anderen: Wie habt Ihr gespielt? Wie schwierig war der Gegner? Sachen, worüber Männer eben reden. (lacht)
SPOX: Haben Sie selbst Fußball gespielt? Steve Nash erklärte, dass ihm seine Fußballer-Vergangenheit dabei geholfen hätte, ein besserer Basketballer zu werden.
Navarro: Wenn das Steve Nash sagt, wird es stimmen. Generell hilft es, verschiedene Sportarten auszuüben, um die Koordinationsfährigkeiten zu verbessern und Körperteile zu trainieren, die man sonst nicht so beansprucht. Fußball hilft besonders bei der Koordination der Füße und bei den Bewegungsabläufen auf engstem Raum. Außerdem macht Fußball einfach Spaß! Ich spiele häufig im Sommer mit meinen Kumpels, ganz ungezwungen. Und wenn es passt, dürfen wir Basketballer auch mal im Camp Nou kicken. Es kommt leider nicht so oft vor, aber wenn es klappt, haben wir immer eine großartige Zeit zusammen.
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