Vulkan, Legende, Meister der Mind Games: Sarunas "Saras" Jasikevicius plant mit Panathinaikos die Sensation beim Final-Four-Turnier der Euroleague, der Champions League des Basketballs. Gleich im Halbfinale kommt es zum Duell mit seinem Thronfolger Milos Teodosic, Superstar von ZSKA Moskau. Der 36-Jährige über Teodosic, den Dirk-Nowitzki-Fadeaway und das NBA-Scheitern.
SPOX: Beim Euroleague-Final-Four in Istanbul könnte es zu einem griechischen Endspiel kommen, sollten sich ihr Klub Panathinaikos und Erzrivale Olympiakos jeweils im Halbfinale durchsetzen. Wäre es ein Traum-Finale - oder doch mehr ein Albtraum?
Saras Jasikevicius: Ich mache mir überhaupt nichts daraus, ob es gegen Olympiakos gehen könnte oder nicht. Vielmehr denke ich daran, wie großartig es wäre, wenn wir überhaupt das Finale erreichen würden. Dann hieße es nämlich, dass wir im Halbfinale ZKSA Moskau besiegt hätten, den großen Favoriten. Von daher denken wir nur an ZSKA - und verschwenden keinen einzigen Gedanken an Olympiakos.
SPOX: Aus dem Fußball sind einige Feindschaften bekannt: FC Barcelona gegen Real Madrid, Dortmund gegen Schalke oder Celtic gegen die Rangers. Wie lässt sich das Verhältnis zwischen Pana und Olympiakos beschreiben?
Jasikevicius: All die aufgeführten Rivalitäten erfassen nicht einmal ansatzweise, wie es zwischen Pana und Olympiakos zugeht. Ich habe selbst in Tel Aviv gespielt und Maccabi gegen Hapoel miterlebt. Ich war auch bei Barca und spielte gegen Real. Diese Teams mögen sich nicht - aber bei Pana und Olympiakos ist es eine Eskalationsstufe höher. Abgrundtiefer Hass trifft es am besten. In der Vergangenheit gab es so viele gewaltvolle Zwischenfälle, für die beide Fan-Gruppen verantwortlich zeichnen, die niemals hätten passieren dürfen. So etwas wie Pana und Olympiakos gibt es in keiner Sportart der Welt.
SPOX: Sie selbst sind ein hochemotionaler Spieler. Besteht die Gefahr, dass Sie bei einem möglichen Aufeinandertreffen gegen Olympiakos die Nerven verlieren?
Jasikevicius: Nein, das kann ich ausschließen. Es wird ja nicht mein erstes Derby sein, ich bin in meiner Karriere über 20 Mal gegen Olympiakos angetreten und weiß, was mich erwartet. Außerdem werden in Istanbul zwar zahlreiche Fans beider Teams anreisen, dennoch wird es dort niemals so hektisch und chaotisch zugehen wie in Athen.
SPOX: Im Halbfinale treffen Sie zunächst auf ZSKA Moskau und Superstar Milos Teodosic. Stimmen Sie zu, dass Sie sich ähnlich sind? Sie beide sind Point Guards, besitzen die gleiche Winner-Mentalität - und neigen zu Impulsivität.
Jasikevicius: Natürlich sind Parallelen vorhanden: ähnliche Größe, ähnliches Talent. Und wir kommen beide nach außen etwas anders rüber, als wir tatsächlich sind. Ich mag es prinzipiell nicht, einzelne Spieler hervorzuheben, aber Teodosic wird in der Zukunft einer der Schlüsselspieler des europäischen Basketballs sein und die Ära der Guards fortsetzen, wenn irgendwann Papaloukas, Diamantidis oder ich aufhören. Das ist der Kreislauf des Lebens: Großartige Spieler gehen, großartige Spieler kommen.
Teodosic im SPOX-Porträt: A Beautiful Mind
SPOX: Sie denken an ein baldiges Karriereende?
Jasikevicius: Das wollte ich damit nicht sagen: Ich bin zwar 36 und es wird immer schwerer, auf dem Level zu spielen, dennoch möchte ich meine Laufbahn so weit wie möglich in die Länge ziehen. Ich achte auf meinen Körper und bleibe in Form. Um es klarzustellen: Ich denke überhaupt nicht ans Aufhören.
SPOX: Sie sind eine Institution des europäischen Basketballs. Und Sie sagen: "Der beste Basketball wird immer in Europa gespielt werden, weil es Basketball ist." Wie meinen Sie das?
Jasikevicius: Ich definiere Basketball als Mannschaftssport - und die Regeln in Europa fördern den Mannschaftsgedanken: Ball Movement, Team Offense, Team Defense. In der NBA geht es hingegen darum, das Individuum zu bevorzugen. Neben den Regeln gibt es einen weiteren entscheidenden Grund: In Europa wird Basketball viel besser gelehrt. Ich glaube, nein ich weiß, dass die Trainer in Europa deutlich besser und qualifizierter sind als in der NBA. Ein Beweis dafür ist für mich, dass alle NBA-Franchises, die auf Dauer erfolgreich sind, eine europäische Identität besitzen oder zumindest den Mannschaftsgedanken in den Vordergrund rücken. Die Mavericks gewannen so im letzten Jahr die Meisterschaft.
SPOX: Sie wurden in den USA sozialisiert und gingen dort auf die Highschool und ans College. Man hätte mit etwas mehr Begeisterung rechnen können.
Jasikevicius: Ich habe das volle Paket "american way of life" mitbekommen. Ich weiß, wie es auf einem Prom, dem Abschlussball, zugeht. Ich weiß, wie das Leben an einer Highschool ist. Einige Dinge haben mir sehr gefallen, einige Dinge nicht ganz so. Dennoch möchte ich die Erfahrung um nichts auf der Welt missen.
SPOX: Wie verlief die Eingewöhnung als Teenager aus Litauen, der plötzlich in einem Dorf in Pennsylvania auf die Schule ging?
Jasikevicius: Es war tough, andererseits wusste ich immer, dass es die richtige Entscheidung ist. In Litauen gab es damals nichts. Wir hatten uns gerade erst von der Sowjetunion gelöst und deswegen war es die mit Abstand sinnvollste Option, in die USA zu ziehen, um die bestmöglich Ausbildung zu erhalten und dies mit dem Leistungssport zu vereinbaren.
SPOX: Gab es Überlegungen, nach der Highschool auf das College zu verzichten und als Profi in Europa sofort Geld zu verdienen?
Jasikevicius: Nein, nie. Ich wollte immer einen Uni-Abschluss.
SPOX: Umso erstaunlicher war es, dass Sie sich trotz Highschool und College so schwer taten, als Sie 2005 in die NBA wechselten. Sie sagten einmal: "Es gibt nur eine Person, der ich die Schuld dafür geben kann: mir selbst." Welche Fehler begingen Sie?
Jasikevicius: Ganz einfach: Ich hätte wissen müssen, dass ich für die NBA nicht bereit bin. Ich hätte wissen müssen, dass in der NBA keine Zeit ist zum Training und zur Selbstreflexion. Ich hätte wissen müssen, dass ich professioneller leben muss. Erst als ich nach den zwei Jahren in der NBA nach Europa zurückkam, konnte ich wieder zu mir selbst finden und mich verbessern. So waren zwei Jahre in meiner Entwicklung für den Müll.
Teil II: "Nowitzki wurde mit dem Jump Shot geboren"
GettySPOX: Wie schwer fiel es Ihnen, dass Sie als europäischer Superstar in der NBA ein Niemand waren? Pat Riley soll nicht einmal Ihren Namen gekannt haben.
Jasikevicius: Dieser Aspekt war kein Problem. Ich bereitete mich schon vorher darauf vor.
SPOX: Ist nach den Erfahrungen Ihr Respekt für jemanden wie Dirk Nowitzki größer, der sich als Europäer in der NBA durchgesetzt hat?
Jasikevicius: Der Respekt ist ohnehin schon so groß, wie er nur sein kann. Für jeden europäischen Spieler gilt, dass er in der NBA seinen Klub noch sorgfältiger aussuchen sollte als ohnehin schon. Ich dachte damals, dass die Indiana Pacers die Richtigen wären, weil Larry Bird sehr an mir interessiert war. Aber ich hätte bei einem Klub unterschreiben sollen, der zu meinem Spielstil und meiner Mentalität passt, so wie die Portland Trail Blazers, deren Angebot ich aber ablehnte. Es gibt jedoch eine Ausnahme von der Regel: Für Dirk war es völlig egal, bei welchem NBA-Team er landet. Er ist ein einzigartiges Talent, das es vielleicht nur einmal in einer Generation gibt. Es war klar, dass er es mit seiner Größe, mit seinen Fähigkeiten überall schafft.
SPOX: Sie verfügen über einen der gefährlichsten Jump Shots des Basketballs. Was sagt ein Experte zu Nowitzkis One-Legged-Fadeaway?
Jasikevicius: Nowitzki wurde mit dem Jump Shot geboren. Aber am Fadeaway zeigt sich auch, wie unfassbar hart er an sich arbeitet, um solch eine Technik zu beherrschen. Er eignete sich über die Jahre die unterschiedlichsten Moves an, um sich immer neu zu erfinden. Das ist für mich das Essentielle im Basketball. Nowitzki ist die perfekte Kombination aus Talent und Hingabe.
SPOX: Der deutsche Basketball wähnt sich selbst ohne Nowitzki im Aufwind. Wie bewerten Sie die Pläne der BBL, bis spätestens 2020 zu den besten Ligen Europas zu gehören?
Jasikevicius: Es wird schwierig, sehr schwierig. Ehrlich gesagt ist Bamberg der einzige deutsche Klub, mit dem ich aktuell etwas verbinde. Alleine schon die regelmäßigen Teilnahmen an der Euroleague sind ein Beweis für den guten Job, den Bamberg erledigt. Alle anderen Mannschaften kann man als Außenstehender nur schwer verfolgen. Ich hörte davon, dass die deutsche Liga einen Schritt nach vorne gegangen ist, dennoch hängt es am Ende am Geld. Nur wenn sich mehr Sponsoren finden, kann ein gutes Level erreicht werden. Das große Problem in Deutschland: Der Volkswirtschaft geht es großartig, doch alles fließt in den Fußball ab. Wenn man in der Sport-Landschaft ein kleines Umdenken zugunsten des Basketballs bewirken kann, wäre es ein riesiger Erfolg.
SPOX: Sie trafen mit Litauen zuletzt bei der EM 2011 auf die deutsche Nationalmannschaft. Welchen Eindruck hinterließ sie?
Jasikevicius: Mit Nowitzki und Chris Kaman am Korb strahlte sie immer Gefahr aus. Aber es war offensichtlich, dass die beiden mehr Hilfe gebraucht hätten.
SPOX: Sie kennen den neuen Bundestrainer Svetislav Pesic aus der gemeinsamen Zeit bei Barca. Ist er der richtige Mann?
Jasikevicius: Da bin ich vielleicht nicht der ideale Ansprechpartner. In Barcelona war die Zusammenarbeit auf menschlicher Ebene nicht die beste, daher lasse ich die Frage lieber unbeantwortet.
Svetislav Pesic im Interview: "Die NBA ist der leichteste Job der Welt"
SPOX: Pesic kündigte an, noch mehr auf die deutschen Talente bauen zu wollen. Kennen Sie welche?
Jasikevicius: Ich kenne den Guard, dessen Name so schwierig auszusprechen ist....
SPOX: Heiko Schaffartzik. Er ist jedoch schon 28 Jahre alt.
Jasikevicius: Wirklich? Außerdem gibt es noch den jungen Small Forward...
SPOX: Robin Benzing.
Jasikevicius: Genau, der ist mir ebenfalls aufgefallen. Generell sollte man aufpassen mit dem Hypen von Talenten, nicht nur in Deutschland. Generell werden mir die Jungen zu schnell nach oben gejubelt. Ich finde, dass man sich an die Devise halten sollte: "Don't talk the talk if you can't walk the walk." Erst einmal Taten sprechen lassen, dann sehen wir weiter.
SPOX: Im SPOX-Interview sprach Litauens zukünftige NBA-Hoffnung Jonas Valanciunas darüber, wie sehr Sie ihm bei der EM 2011 geholfen hätten. Wird auch um Valanciunas zu viel Aufhebens gemacht?
Jasikevicius: Fakt ist: Er ist ein großes Talent, das vermutlich größte Talent Litauens, deswegen versuchen wir alle, ihm zur Seite zu stehen. Ich hoffe nur, dass ihm bewusst ist, welche Verantwortung er trägt. Nicht nur für sich, sondern für den gesamten litauischen Basketball. Er muss die Tradition fortsetzen und ein guter Repräsentant sein. Ich helfe ihm, ich gebe ihm Ratschläge. Aber am Ende geht es nur um ihn. Er muss seine Schwächen kennen und daran arbeiten.
Die Euroleague-Playoffs im Überblick