Wer das jüngste Mitglied der BBL sehen will, muss weit in den Norden reisen. Genauer gesagt in den westlichen Teil der norddeutschen Kleinstadt Vechta. In der Pariser Straße 8, nahe der B 69 und mitten in einer weiten Wiesenlandschaft am Stadtrand, trägt Rasta Vechta seine Heimspiele aus.
Der "Rasta Dome" ist bereits jetzt für den Rest der Saison ausverkauft. Mit zwei Siegen aus den ersten sechs Spielen ist der Neuling ordentlich gestartet. Am Sonntag ist Serienmeister Bamberg zu Gast. Es war ein weiter Weg für den Klub, der in den 70er Jahren aus einer Basketball-AG des Gymnasiums hervorging.
Unter den Klängen von Bob Marley entschlossen sich die Vechtacher Basketball-Pioniere im Jahr 1978, ihr Hobby einem breiteren Publikum anzubieten und eine Nachwuchsabteilung zu gründen. Gerade als man auf der Suche nach einem ansprechenden Namen war, ertönte Marleys Klassiker "Rastaman Vibration". Rasta Vechta war geboren.
Manager in der Eisdiele verpflichtet
"Unser Klub lebt von der Geschichte", sagt Rasta-Manager Alexander Müller im Gespräch mit SPOX. Mit 27 Jahren ist er der jüngste Manager der BBL. Als Jugendlicher lief Müller für Hansa Rostock in der Junioren-Bundesliga auf. Den Weg zum Profifußball verhinderten zwei Kreuzbandrisse, die Karriere für den Torhüter war vorbei.
Im Anschluss an die Fußballkarriere hat der gebürtige Vechtacher Sportmanagement studiert. Mit dem Basketball kam Müller dabei eigentlich nur selten in Kontakt. Als er Rasta Vechta als Fallbeispiel für seine Uni-Arbeit zum Thema "Professionalisierung von Sportvereinen" benutzte und die Arbeit danach an Rasta schickte, meldete sich kurz darauf Vereinsboss und Hauptsponsor Stefan Niemeyer.
In der Eisdiele bot Niemeyer dem Studenten an, künftig die Geschäfte beim damaligen Drittligisten zu führen. "Ich war total überrascht", erinnert sich Müller. Kurz darauf sagte er zu. Zwei Jahre später führt Müller einen Bundesligisten, verhandelt mit über 100 Sponsoren und verwaltet einen Etat von 1,5 Millionen Euro.
Aufstiegsmannschaft größtenteils gehalten
"Damit stehen wir ganz gut da", findet Müller. Man will langsam wachsen und sich in der BBL etablieren. Der Plan dazu klingt durchdacht: Ausbau der Nachwuchsabteilung, Fokus auf regionale Sponsoren, intakte Gehaltsstrukturen. "Bei uns verdient keiner sechsstellig", sagt Müller mit Blick auf den Kader.
Der Großteil der Aufstiegsmannschaft ist zusammengeblieben. Bis auf den Ex-Bamberger Dirk Mädrich hat kaum jemand fortgeschrittene Profi-Erfahrung. Ganz im Gegensatz zu Trainer Pat Elzie. Seit 30 Jahren lebt der gebürtige US-Amerikaner in Deutschland. Als Spieler führte er die Gießen 46ers zum Erfolg, seit den 90er Jahren ist der 53-Jährige als Trainer tätig.
In Vechta arbeitet Elzie seit 2009 und hat den bislang einzigen Durchmarsch in die BBL geschafft. "Er hat wahnsinnig viel Herz und weiß genau, wie er die Spieler anpacken muss", sagt Jung-Manager Müller über den Coach. Elzie hat das Team größtenteils selbst zusammengebaut. Seine Ansprache ist klar, bisweilen laut. Gegen Artland ging während der lauten Halbzeit-Ansprache sogar das Taktik-Board kaputt. Elzie lebt und liebt die Emotionen. Und er liebt Vechta. So sehr, dass er ohne Vertrag arbeitet. Per Handschlag haben Elzie und die Vereinsspitze bisher Jahr für Jahr miteinander verlängert.Alle Heimspiele sind ausverkauft
Das macht ihn und den ganzen Klub authentisch. Innerhalb einer Stunde waren die Karten für alle Rasta-Heimspiele ausverkauft. Die erst kürzlich neu gebaute Arena am Stadtrand musste nach nur einem Jahr schon wieder erweitert werden. Die Auflagen für die BBL forderten ein Fassungsvermögen von 3000 Zuschauern. "Es waren sehr viele Auflagen und eine Menge Arbeit, das alles vorzuweisen", sagt Müller im Rückblick.
Mittlerweile ist der Außenseiter in der BBL angekommen. Mit zwei Siegen aus sechs Partien deuteten die Spieler um Kapitän Flavio Stückemann ihr Potential schon an. Dazu kommen die knappen Niederlagen gegen Artland und Hagen. "Ich bin glücklich, wie sich das Team präsentiert hat", sagt Coach Elzie daher.
Das Gesellenstück haben die Bundesliga-Neulinge aus Vechta damit angefertigt. Am Sonntag könnte schon ein großes Meisterstück dazukommen. Niemand Geringerer als Serien-Champion Bamberg gastiert im Rasta Dome. "Die spielen natürlich nochmal in einer ganz anderen Liga. Aber wer weiß: Wenn wir weiter gut arbeiten, können wir auch dahin kommen", hofft Manager Müller.
Über 100 Sponsoren
Mit einem Etat von 1,6 Millionen Euro liegt der Verein im unteren Mittelfeld der Liga. Möglich machen das die zahlreichen Sponsoren. "Wir haben einige überregionale Partner und über 100 Sponsoren aus der Gegend", sagt Müller. Während die überregionalen teils sechsstellige Beträge zahlen, beginnen die Regional-Partner schon bei 1000 Euro. "Jeder Sponsor ist wichtig für uns, egal wie hoch seine Zuwendung ist", so Müller.
Einmal im Jahr trifft er jeden einzelnen Sponsor zum Gespräch. "90 Prozent der Partner würden uns auch in der Pro A unterstützen", ist er überzeugt. Sein Leben hat sich rasant geändert: Statt Vorlesungen, Hausarbeiten und Prüfungen sind jetzt Gespräche mit Spielerberatern, Vertragsverhandlungen und Reisen zu Auswärtsspielen an der Tagesordnung.
Neue Trainingshalle und Jugendinternat
Mittlerweile ist er in seine Rolle hineingewachsen. An Aufgaben mangelt es ohnehin nicht. "Wir wollen bald eine Trainingshalle bauen, uns in der Liga etablieren und langsam wachsen. Fernziel ist ein eigenes Jugendinternat. Alles Schritt für Schritt", meint Müller, der längst bemerkt hat, wie der Klub funktioniert.
Zusammenhalt und Engagement wird groß geschrieben beim kleinen Verein. Ohne die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer gäbe es keinen Tip-Off. Sie bereiten die Halle für den Zuschaueransturm vor, weisen Parkplätze aus und verkaufen Essen und Getränke. Dann kann es losgehen: Maskottchen "Bob, der Löwe" animiert mit Dreadlocks und Reggae-Mütze die Fans, aus den Boxen kommt Hip-Hop und Rock. Rasta Vechta ist in der BBL angekommen und trotzdem sich selbst treu geblieben.
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