Als Tochter einer Nationalspielerin und eines Trainers wurde Tina Menz schon früh mit dem Basketball-Virus infiziert. Inzwischen ist die 26-Jährige Top-Scorerin bei den ChemCats in der Damen-Bundesliga und hat knapp 60 Spiele für das DBB-Team bestritten. Das Saison-Auftaktspiel zwischen Chemnitz und dem Meister aus Wasserburg gibt es bei SPOX im LIVESTREAM FOR FREE am Samstag ab 14.15 Uhr. Im Interview spricht die Aufbauspielerin über ihre Karriere, die verpasste EM-Qualifikation und ihren Vater, den ehemaligen Herren-Bundestrainer Frank Menz.
SPOX: Tina, Ihr Vater steht seit dem Engagement beim DBB ziemlich im Rampenlicht. Wie war die Zeit für Sie als Tochter?
Tina Menz: Das hat mich natürlich sehr gefreut, vor allem auch, weil ich wusste, dass der DBB endlich den richtigen Mann an der Spitze hat (lacht). Ich glaube, langfristig wäre mein Vater auf jeden Fall der Richtige für den Job gewesen. Von dem Trubel an sich bekommt man als Tochter nicht viel mit, Basketball ist ja auch nicht so populär. Wenn ich jetzt Löw heißen würde, dann würde vermutlich jeder ankommen.
SPOX: Im Zuge des Rauswurfs gab es öffentlich viel Kritik an Ihrem Vater. Hat Sie das persönlich berührt?
Menz: Klar, ich hätte mir gewünscht, dass er die Chance bekommt, ein paar Jahre Bundestrainer zu bleiben, damit er etwas aufbauen und sich beweisen kann. Natürlich ist man enttäuscht, wenn es nicht klappt, aber das war leider nicht meine Entscheidung.
SPOX: Was ist Frank Menz für ein Mensch? Wie ging er mit der Enttäuschung um?
Menz: Es ist ihm schwergefallen, aber das wäre es vermutlich jedem, vor allem wie das alles abgelaufen ist. Ich bewundere ihn total, wie er mit der Situation umgegangen ist. Dass er jetzt auch wieder mit der U 20 erfolgreich ist, zeigt, dass er es kann. Und das bestärkt mich in dem Gedanken, dass er eine wirkliche Chance verdient gehabt hätte.
SPOX: Haben Sie als Tochter des Bundestrainers auch einige der Herren-Nationalspieler kennengelernt?
Menz: Nein, gar nicht. Man kommt mit den Männern überhaupt nicht in Kontakt. Außerdem bin ich mir sicher: Die würden uns noch nicht einmal erkennen, wenn wir uns direkt vor ihnen aufstellen (lacht). Aber im Ernst: Wir Mädels haben uns schon häufiger gefragt, ob die Jungs überhaupt wissen, wer wir sind. Aber ich will da nicht alle über einen Kamm scheren.
SPOX: Sie sprechen Ihre eigene aktive Laufbahn an, lassen Sie uns ein wenig zurückblicken. Haben Sie die Entscheidung, eine Basketballkarriere einzuschlagen, selbst getroffen, oder haben Ihre Eltern den Weg für Sie von vornherein geplant?
Menz: Geplant haben sie es nicht, aber für mich kam einfach keine andere Sportart infrage. Ich wollte immer Basketball spielen und war auch als Kind ständig in der Halle dabei. In der zweiten Klasse habe ich im Verein angefangen und natürlich haben mich meine Eltern unterstützt, aber sie haben mich da nicht hineingepresst. Ich hätte auch Handball spielen dürfen, Hauptsache irgendein Sport (lacht).
SPOX: Haben Sie ein sportliches Vorbild?
Menz: Ich hatte nie tausend Poster an der Wand von jemandem, dem ich nachgeeifert habe. Aber ich habe natürlich zu meiner Mutter aufgeschaut, die im Basketball viel erreicht hat. Daher war sie in gewisser Weise auch ein sportliches Vorbild. Ansonsten sind es viele verschiedene Leute, bei denen ich mir etwas abgeguckt habe, Mithat Demirel zum Beispiel. Er hat in Weißenfels unter meinem Vater gespielt und der hat mir immer wieder gesagt, dass ich Mithat zuschauen soll. Und dabei habe ich viel für mein eigenes Spiel gelernt.
SPOX: Für ein Studium sind Sie zwei Jahre nach Freiburg gegangen. Wie wichtig war es für Sie, von der basketballverrückten Familie zumindest vorübergehend Abschied zu nehmen?
Menz: Das war eigentlich nicht das Entscheidende. Für mich war eher wichtig, Basketball mit dem Studium verbinden zu können. Ich wollte nie nur Profi sein. Dafür war Freiburg perfekt, weil ich dort Eventmanagement studieren konnte. Und bei den Eisvögeln konnte ich zudem in der ersten Liga spielen, das war sozusagen die perfekte Kombination.
SPOX: In Ihrer Vita findet sich auch eine relativ ungewöhnliche Station: 2010/2011 haben Sie in England gespielt. Warum der Wechsel ins Ausland?
Menz: Ich wollte einfach mal herauskommen und ein bisschen von der Welt sehen. Es gab in Leeds eine Partner-Uni von Freiburg, wo ich meinen Bachelor abgeschlossen habe. Nebenbei konnte ich mit dem Universitäts-Team in der ersten Liga mitspielen. England ist keine Basketball-Hochburg, das wusste ich natürlich, aber das Niveau war auch nicht schlecht und ich habe dort gelernt, ein Team zu führen. Das war für mein Spiel enorm wichtig.
SPOX: Gab es schon einmal einen Moment, in dem Sie Ihre Basketball-Karriere angezweifelt haben und alles hinschmeißen wollten?
Menz: Nein, so extrem nicht. Ich merke natürlich, dass ich nach einer langen Saison und den Spielen mit der Nationalmannschaft erst mal ein paar Wochen brauche, um mich zu erholen, das ist schon anstrengend. Wenn ich die Fußballer sehe, die nach der WM direkt wieder in die Vorbereitung zur neuen Saison einsteigen, das könnte ich nicht. Gut, die bekommen auch genug Geld dafür (lacht).
SPOX: Im DBB-Team haben Sie mittlerweile knapp 60 Spiele bestritten. Was bedeutet Ihnen die Nationalmannschaft?
Menz: Viel, sehr viel. Sonst würde ich das nicht machen. Es ist schon etwas Besonderes, das eigene Land vertreten zu dürfen. Im Basketball haben wir nicht so viele Frauen in Deutschland, von daher ist es wichtig, dass wir uns alle richtig reinhängen und unser Bestes geben.
SPOX: Wie würden Sie Ihre Rolle im DBB-Team beschreiben?
Menz: Das hat sich in den vier Jahren komplett verändert. Gleich in meinem ersten Jahr hat der Physiotherapeut zu mir gesagt: "Irgendwann musst du die Mannschaft führen", da habe ich ihn nur mit großen Augen angeschaut. Und letztes Jahr fand ich mich schon in der Leader-Rolle wieder. Das ging ziemlich schnell, vermutlich auch, weil ich als Aufbauspielerin natürlich viele Entscheidungen treffe.
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SPOX: Kürzlich hat das deutsche Team die EM-Qualifikation verpasst. Woran lag es?
Menz: Eigentlich sind wir mit einem guten Gefühl gestartet, hatten aber in der Ukraine einen wirklich starken Gegner, den wir vermutlich auch mit unserer besten Leistung nicht geschlagen hätten. Und im ersten Spiel gegen Montenegro hatten wir einfach Schiss. Da haben wir es nicht geschafft, unser Potenzial abzurufen. Die Angst, zu verlieren, hat uns ziemlich gehemmt.
SPOX: Bei der EM 2009 nicht dabei, 2011 ohne Sieg in der Vorrunde ausgeschieden, 2013 wieder nicht und jetzt die verpasste Qualifikation für die EM 2015. Ist der deutsche Frauen-Basketball noch konkurrenzfähig?
Menz: Man muss einfach sagen, dass die Leistungsdichte früher eine andere war. Als beispielsweise meine Mutter noch aktiv war, gab es Spielerinnen, die im Ausland unter Vertrag standen und mit ihren Vereinen auch in internationalen Wettbewerben dabei waren. Das haben wir nicht mehr, weil eine riesige Lücke zwischen den Generationen entstanden ist. Der DBB hat ein Nachwuchsproblem - wobei jetzt schon wieder ein paar gute Spielerinnen nachkommen. Aber es bleibt die Frage, ob das reicht, langfristig auf internationalem Niveau wieder konkurrenzfähig zu werden.
SPOX: Auch bei den Männern wird häufig die Generationenfrage gestellt. Über allem thront aber weiterhin Dirk Nowitzki. Haben Sie bereits "Der perfekte Wurf", den Kinofilm über sein Leben, gesehen?
Menz: Nein, noch nicht, aber Dirk ist schon ein super Typ. Deswegen würde ich mir den Film gerne anschauen. Ich finde ihn echt sympathisch und schätze ihn sehr. Zum NBA gucken komme ich aber zum Beispiel gar nicht. Dafür habe ich einfach keine Zeit. Immerhin habe ich von der WM in Spanien ein paar Spiele gesehen.
SPOX: Apropos NBA - haben Sie sich schon einmal Gedanken über einen Wechsel nach Amerika in die WNBA gemacht?
Menz: Nein, das war nie ein Thema. Die einzige ernsthafte Option wäre ein Wechsel ins europäische Ausland gewesen, zum Beispiel nach Frankreich oder Spanien. Die Angebote kamen aber alle schon recht früh, da war ich noch 18 und gerade erst mit dem Abi fertig. Und da ich zweigleisig fahren wollte, also Basketball und Studium parallel, habe ich es nicht gemacht.
SPOX: Können Sie sich vorstellen, in Zukunft noch einmal woanders zu spielen?
Menz: Ich werde definitiv nicht mehr ins Ausland gehen. Ich arbeite 40 Stunden und trainiere nur noch drei Mal in der Woche. Daran merkt man, wie sich der Fokus verschiebt. Solange es mir noch Spaß macht und ich es noch zusätzlich leisten kann, werde ich weiter Basketball spielen. Aber auch innerhalb Deutschlands kommt ein Wechsel für mich nicht infrage. Ich habe hier meine Familie und meinen Job, von daher würde ich auch ablehnen, wenn Wasserburg anklopfen würde.
SPOX: Könnten Sie denn alleine vom Basketball leben oder bekommt man nicht mehr als eine Aufwandsentschädigung?
Menz: Leben könnte ich davon schon, aber meine Zukunft kann ich damit nicht sichern. Daher muss man sich - vor allem als Frau - relativ früh zu einem richtigen Job orientieren. Das ist übrigens noch so ein Problem der Nationalmannschaft. Wenn man bis 35 spielt, dann wird es schwer, anschließend noch Studium und Kinder unter einen Hut zu bekommen. Die Zeitspanne ist dadurch deutlich kürzer als bei den Männern.
SPOX: Im Verein lief es für Sie zuletzt deutlich besser als im Nationalteam: 2012 sind die ChemCats aufgestiegen, Sie kamen ins Team und haben es gleich ins Playoff-Halbfinale geschafft.
Menz: Wir haben als Mannschaft gut zusammengespielt. Die individuelle Klasse war gar nicht das Entscheidende, da waren andere Teams deutlich stärker. Die Halbfinals haben wir mit einem bzw. drei Punkten Unterschied verloren, da war schon was drin. In die Playoffs wollen wir natürlich auch dieses Jahr wieder, mal schauen, wie weit es dann geht.
SPOX: In der Saison 2007/08 haben Sie schon einmal in Chemnitz gespielt, damals mit einer Doppellizenz. Was hat sich seitdem hier verändert?
Menz: Der Verein hat angefangen, stabil zu arbeiten und auch Strukturen aufzubauen, damit man nicht immer zwischen der ersten und der zweiten Liga pendelt, sondern sich langfristig in der DBBL etablieren kann. Das ist ein sehr wichtiger Schritt. Dazu gehören langfristige Spielerverträge, die Nachwuchsarbeit und eine starke Unterstützung durch Sponsoren.
SPOX: Ihre Statistiken waren vergangene Saison wirklich stark: 14,9 Punkte, 3,4 Assists, 3,5 Rebounds und 1,7 Steals pro Spiel belegen Ihre Qualitäten als Allrounderin. Sind Sie die Seele des ChemCats-Spiels?
Menz: So würde ich es jetzt nicht sagen. Es stimmt, ich hatte mit meinen Punkten einen großen Anteil am Erfolg, aber ich muss in erster Linie das Spiel organisieren. Wenn ich dann auch noch Punkte mache und in anderen Kategorien gut aussehe, freut mich das natürlich. Auf dem Spielberichtsbogen schaue ich aber nur auf die Assists.
SPOX: Am Samstag starten Sie mit Chemnitz gegen den Meister aus Wasserburg (ab 14.15 Uhr im LIVE-STREAM FOR FREE). Kann das schon als eine erste Standortbestimmung gesehen werden?
Menz: Mit Wasserburg haben wir gleich den Kracher vor der Nase, da wird sich zeigen, wie gut wir vorbereitet sind. Aber eigentlich ist es schön: Wir haben nichts zu verlieren. Das ist ein bisschen wie in der Bundesliga, wenn ein Verein gegen Bayern München spielen muss. Unser Ziel muss es sein, sie ordentlich zu ärgern.
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Tina Menz im Steckbrief