Um früher beim FC Bayern sein zu können, verzichtete Vasilije Micic freiwillig auf die WM, nebenher studiert er Jura. Der Serbe ist kein gewöhnlicher Point Guard und soll nun die neuen Bayern anführen. Im Interview spricht Micic über seine Erfahrungen mit NBA-Prospects, Coach Svetislav Pesic und eine mögliche Zukunft in der NBA.
SPOX: Herr Micic, mittlerweile sind Sie seit einigen Wochen in München. Wie gut haben Sie sich in Ihrer neuen Heimat eingelebt?
Vasilije Micic: Bevor ich hierhergekommen bin, war ich schon aufgeregt. Es ist ja das erste Mal, dass ich außerhalb Serbiens spiele. Dann auch noch bei einem großen Klub, mit großer Tradition, der dazu gerade die deutsche Meisterschaft gewonnen hat. Das bringt auch Verantwortung für mich mit. Schließlich wollen wir den Erfolg wiederholen.
SPOX: Zudem wartet ja auch noch die Euroleague.
Micic: Richtig. Das ist auch eine Premiere für mich. Das wird schon interessant. Aber mit Svetislav Pesic haben wir ja einen sehr erfahrenen Coach. Das wird mir sicherlich helfen. Zumal ich noch nie über einen längeren Zeitraum mit einem derart erfahrenen und erfolgreichen Coach zusammengearbeitet habe.
SPOX: Er war also ein Grund für Ihren Wechsel?
Micic: Definitiv. Ich habe schon viel über ihn gehört. Mein Nationalmannschaftskollege Nemanja Bjelica hat bei Roter Stern Belgrad unter Coach Pesic gespielt und sehr von ihm profitiert. Pesic gab ihm eine Chance und nun ist er einer der besten Spieler Europas auf seiner Position. Bjelica hat mir auch schon ein wenig erzählt, was Pesic erwartet. Er fordert viel, gibt dir jedoch umgekehrt auch viel.
SPOX: Sie sagten bereits, dass Sie vor Bayern nur in Ihrer Heimat Serbien spielten. Hat Ihnen das zu Beginn ein wenig Angst gemacht?
Micic: Angst nicht. In Serbien erwartet jeder von dir, dass du mit 20 Jahren bereits alles weißt. Gerade in Sachen Basketball. Du musst bereits viel Erfahrung gesammelt haben und darfst keine Fehler machen. Ich hatte auch Angebote aus Serbien - von Roter Stern beispielsweise -, aber ich habe meine gesamte Karriere in meiner Heimat verbracht, deshalb sah ich meinen nächsten Schritt im Ausland. Am Ende spielen der Verein und der Coach eine wichtige Rolle.
SPOX: Hat die Tatsache, dass mit Dusko Savanovic zuvor ein weiterer Landsmann verpflichtet worden war, ebenfalls geholfen?
Micic: Auf jeden Fall. Zu hören, dass Dusko kommen und Nihad Djedovic bleiben würde, hat meine Entscheidung noch einmal deutlich erleichtert. Gerade in meinem ersten Jahr ist es sehr wichtig, jemanden zu haben, der auch meine Sprache spricht, der klare Ansagen geben kann. So lassen sich Dinge einfach besser vermitteln, als wenn man Englisch oder eine andere Sprache sprechen müsste.
SPOX: Nimmt Dusko Savanovic also eine Art Mentor-Rolle für Sie ein?
Micic: Durchaus. Gerade während der ersten beiden Wochen hat er mir unglaublich weitergeholfen. Damals war meine Wohnung noch nicht fertig und ich habe im Hotel gewohnt. Dusko und seine Frau haben mir da eine Art Zuhause gegeben. Neben der basketballerischen hat er einfach bereits sehr viel Lebenserfahrung gesammelt - und das ist vielleicht sogar das Wichtigste.
SPOX: Mit Valdimir Stimac hat der FC Bayern einen weiteren Landsmann verpflichtet, der erst kürzlich Vize-Weltmeister geworden ist. Sie hätten ebenfalls in Spanien dabei sein können, richtig?
Micic: Genau. Ich hatte Probleme mit dem Knie, allerdings haben viele Faktoren eine Rolle gespielt. Deshalb habe ich mich während der Vorbereitung dazu entschlossen, nicht an der WM teilzunehmen. Zu dieser Entscheidung stehe ich auch. Diese Saison kann für mich einfach sehr wichtig werden, deshalb wollte ich so früh wie möglich beim Verein sein. Zumal ich noch jung bin und viele Spiele für mein Land machen kann.
SPOX: Es war also keine Entscheidung gegen die Nationalmannschaft.
Micic: Nein, auf keinen Fall. Wir sind eine Basketballnation und da macht es mich jedes Mal sehr stolz, wenn ich für mein Land spielen darf. Diesmal war es einfach eine spezielle Situation. Wie gesagt, ich spiele erstmals im Ausland und habe noch dazu gute Chancen, dort auch Minuten zu bekommen.
SPOX: Haben Sie es dennoch ein wenig bereut, als Serbien dann das Finale erreicht hat?
Micic: Ja, ein wenig schon. Das hatte ja niemand erwartet. Auch nicht in Serbien. Niemand hatte wirklich vertrauen in die Mannschaft, obwohl wir ein wirklich gutes Team mit einem sehr guten Coach haben. Auf der einen Seite habe ich die Silbermedaille verloren, auf der anderen jedoch auch etwas für mich persönlich gewonnen. Entscheidungen muss man immer treffen und diesmal habe ich mich dafür entschieden, nach München zu gehen und von Anfang an beim Team zu sein.
SPOX: Milos Teodosic spielte ein starkes Turnier, hatte im Finale allerdings die erwarteten Probleme...
Micic: Die Stats waren durchaus in Ordnung. Eigentlich ist er jedoch viel besser. Im Viertel- und Halbfinale hat er unglaublich gespielt. In Serbien wird ihm oft vorgeworfen, dass er in wichtigen Spielen nicht seinen besten Basketball spielt, genau das hat er diesmal allerdings getan. Ich bin froh, im Nationalteam an seiner Seite zu spielen und im Training dann auch viele Dinge von ihm lernen zu können. Die guten jedenfalls. Das weniger Gute sollte ich mir natürlich nicht abschauen (lacht)
SPOX: Ist er eine Art Vorbild für Sie? Immerhin ist er der große serbische Point Guard der letzten Jahre.
Micic: Nicht direkt. Er hatte ja auch diese verrückten Momente, in denen er Dinge gemacht hat, die nicht optimal waren. Grundsätzlich ist er für mich jedoch der talentierteste Point Guard in Europa.
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SPOX: Teodosic hat sich gegen die NBA entschieden, Sie haben sich für den Draft angemeldet und wurden in der zweiten Runde von den Philadelphia 76ers gezogen. Viele sagen, dass sie definitiv das nötige Talent für die NBA mitbringen. Wie sehen Sie Ihre Chancen, eines Tages tatsächlich den Sprung zu schaffen?
Micic: Um ehrlich zu sein, weiß ich das noch nicht wirklich. Vergangenes Jahr habe ich bei der U19-Weltmeisterschaft zwei Mal gegen die USA gespielt. Das hat sehr gut funktioniert. Da habe ich gesehen, dass ich gegen sie bestehen kann. Andererseits ist der Rhythmus und Stil der NBA momentan noch schwer für mich. Gerade auf meiner Position. Die Point Guards sind mittlerweile so schnell und kräftig. Aber, wie gesagt, ich habe gegen die Top-Picks des diesjährigen Drafts wie Marcus Smart, Elfrid Payton oder Aaron Gordon gespielt und konnte gut mithalten. Ob ich dann eines Tages tatsächlich in der NBA lande, weiß ich noch nicht. Bayern ist für mich momentan einfach die beste Option.
SPOX: Sie haben für zwei Jahre plus Option auf ein weiteres unterschrieben. Kann man da sagen, dass Sie in München etwas aufbauen wollen - für sich selbst, aber auch mit dem Verein?
Micic: Auf jeden Fall. Bislang bin ich immer mehrere Jahre geblieben - egal, wo ich war. Ich bin niemand, der einfach nur des Geldes wegen spielt. Natürlich braucht man es irgendwo, aber mir ist das nicht ganz so wichtig. Wenn sich nach den ersten beiden Jahren nicht etwas deutlich besseres auftut, würde ich sehr gern bleiben. Gerade wegen Coach Pesic und meiner Mitspieler. Dusko und Anton Gavel bleiben ja ebenfalls mindestens zwei Jahre. Das Grundgerüst steht also. Natürlich möchte ich etwas für mich aufbauen, aber definitiv auch für den Klub. Das soll nicht einfach eine Übergangsstation sein, die ich schnellstmöglich wieder verlasse.
SPOX: In München müssen Sie nun Malcolm Delaney, den MVP der vergangenen Saison, ersetzen. Spürt man da ein wenig Druck?
Micic: Nein. Natürlich hatte er eine großartige Saison, andererseits sind wir jedoch sehr unterschiedlich. Er interpretiert die Rolle des Point Guards völlig anders als ich. Delaney ist ein unglaublich guter Scorer, mir geht es dagegen darum, so viele Assists wie möglich zu verteilen. Ich muss keine 20 Punkte machen, um glücklich zu sein. Das ist mir nicht wichtig. Ich habe meinen eigenen Stil und werde mein Bestes tun, um dem Verein den größtmöglichen Erfolg zu ermöglichen.
SPOX: Kann man also davon ausgehen, dass sich das Spiel der Bayern in der kommenden Saison deutlich von dem der vergangenen Spielzeit unterscheiden wird?
Micic: Das denke ich schon. Ich glaube, dass Coach Pesic mich geholt hat, weil er einen klassischen Point Guard wollte. Das hat er mir jedenfalls so gesagt.
SPOX: Das Spiel dürfte also deutlich teamorientierter werden. Sind die San Antonio Spurs da in gewisser Weise ein Vorbild? Gefällt Ihnen persönlich diese Art, zu spielen?
Micic: Ja, definitiv. Die Spurs gefallen mir schon sehr gut. Um Meisterschaften zu gewinnen, brauchst du einfach eine sehr gute Teamchemie. Wenn man sich allein die Finals ansieht: Auf der einen Seite waren die Miami Heat mit drei Spielern, die zu den besten auf ihrer jeweiligen Position zählen. Auf der anderen die Spurs, die als Einheit aufgetreten sind, selbstlos gespielt haben. Die Heat wussten gar nicht, wie ihnen geschah, weil die Spurs einfach so unglaublich geschlossen aufgetreten sind. Wenn du etwas gewinnen willst, musst du als Team perfekt zusammenspielen. An diesen Punkt müssen wir beim FC Bayern ebenfalls kommen.
SPOX: Als Point Guard nehmen Sie da natürlich eine zentrale Rolle ein. Keine einfache Aufgabe für einen 20-Jährigen.
Micic: Das stimmt natürlich. Andererseits habe ich mit 16 mein erstes Profispiel gemacht und seither einfach unglaublich viel gelernt. Das hilft sehr. Dennoch ist die Eins ist eine unglaublich schwere Position, für die du unglaublich viel Erfahrung brauchst. Das ist auch einer der Gründe, weshalb ich direkt zu Beginn der Vorbereitung hier sein wollte. Gerade als Point Guard ist es sehr wichtig, sich mit seinem Team zu verstehen. Du musst deine Mitspieler akzeptieren, wie sie sind, und umgekehrt. Das braucht Zeit. Du kannst noch so talentiert sein, manchmal bist du für ein gewisses Level aber einfach noch nicht bereit. Point Guards brauchen Zeit.
SPOX: Und Sie sind mitten im Lernprozess.
Micic: Ganz genau. Ich mache natürlich Fehler. Als ich mit Coach Pesic gesprochen habe, nannte er mir zwei große Schwachstellen. Eine ist meine Defense. Da muss ich mich noch verbessern. Zumal ich die richtigen Voraussetzungen mitbringe, für einen Point Guard groß bin und noch dazu lange Arme habe. Das Potential ist also da.
SPOX: Und die zweite Schwäche?
Micic: Turnover. Das muss ich in den Griff bekommen. Ich spiele gerne den schönen Pass, das klappt dann natürlich nicht immer. Manchmal ist es besser, einfach zu spielen. Das muss ich umsetzen.
SPOX: Verständnis mit den Mitspielern ist da natürlich sehr wichtig. Wie funktioniert das bislang?
Micic: Als ich hierherkam, hatte ich zu Beginn einige Probleme. Ich musste erst lernen, meine Teamkollegen zu verstehen. Vergangene Saison hatten sie einen scorenden Point Guard und erwarteten deshalb nicht so viele Pässe. Deshalb habe ich im Training zunächst unglaublich viele Turnover produziert. Nach einige Wochen und einigen guten Gesprächen mit meinen Teamkollegen wird es aber immer besser. Jetzt müssen wir teilweise gar nicht mehr zwingend reden. Ich sehe ihnen an den Augen an, wo der Ball hinsoll.
SPOX: Als Playmaker ist man so etwas wie das Mastermind des Spiels. Da passt es irgendwie ins Bild, dass sie nebenher Jura studieren wollen. Wie kam es dazu?
Micic: Ja, das stimmt. Es wird natürlich etwas schwierig, denn ich möchte das an einer der anspruchsvollsten Universitäten Serbiens machen. Aber es war einfach mein Wunsch, weil man als Sportler meiner Meinung nach auch an seine Zukunft denken muss. Ich möchte nach meiner Karriere nicht einfach nichts tun. Deshalb möchte ich das Studium bis dahin abgeschlossen haben. Danach plane ich, auch mit der Universität zusammenzuarbeiten.
SPOX: Bei Ihnen dreht sich also nicht alles um Basketball.
Micic: Genau. Das ist mir wichtig. Ich liebe Basketball. Es ist meine große Liebe. Aber ich spiele vielleicht bis 35 und habe danach noch einige Jahre zu leben. Darauf möchte ich vorbereitet sein. Natürlich denke ich jetzt nicht zu sehr daran und konzentriere mich auf Basketball, aber es ist einfach gut, etwas für danach zu haben.