SPOX: Herr Beyer, Ihr Name ist selbst unter Experten kaum bekannt, dabei schrieben Sie 2014 eine der bemerkenswertesten Geschichten des deutschen Basketballs: vom kaufmännischen Leiter einer Fabrik für Fahrzeugteile hin zum Boss eines BBL-Topvereins. Wie fing das alles an?
Rolf Beyer: Es begann im Juni 2013 mit dem Umbau der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse der bestehenden Gesellschaft und den neuen Besitzstrukturen bei den Brose Baskets. In der Folge konzipierte ich einen Restrukturierungsplan, woraufhin Michael Stoschek, Vorsitzender der Brose-Gesellschafter, zu mir kam und mir sagte, dass ich scheinbar ein strukturierter Mensch sei und er mich gerne an seiner Seite im neuen Aufsichtsrat sehen würde. So fing ich an, mich richtig intensiv mit den Brose Baskets zu beschäftigen.
SPOX: Es wurde schnell turbulenter.
Beyer: Im Januar 2014 stellten wir Marko Beens als zweiten Geschäftsführer neben Wolfgang Heyder ein, damit auf der operativen Ebene Ruhe einkehrt. Aber dann kamen wir sportlich ins Straucheln, Wolfgang ging schrittweise raus - und im Juni war plötzlich auch Marko auf einen Schlag weg. Ich weiß noch, wie ich zu der Zeit am Gardasee im Urlaub war und den Anruf erhielt, ob ich nicht sofort die Geschäftsführung übernehmen könnte, weil ich nach dem Ausscheiden von Marko und Wolfgang am dichtesten dran wäre. Angedacht waren ursprünglich sechs bis zwölf Monate. Ich sagte also zu - merkte jedoch schnell, dass es mit drei Jobs gleichzeitig nicht funktioniert.
SPOX: Drei Jobs?
Beyer: Am 1. Juli hatte ich drei Aufgaben: Den alten Job als kaufmännischer Leiter der Brose-Produktionsstätte in Hallstadt, zudem hatte mich der Finanzvorstand gefragt, ob ich das Controlling der Brose-Gruppe weltweit übernehme - und eben die Geschäftsführung der Brose Baskets. Die Arbeitswoche ging über die kompletten sieben Tage. Montag fuhr ich zum Controlling nach Coburg, am Freitag nach Hallstadt und die restlichen Tage inklusive der Wochenenden gehörten dem Basketball. Ich machte es zweieinhalb Monate mit, doch vor dem BBL-Start musste ich mich entscheiden, sonst wäre das Pensum tödlich gewesen. Und weil ich bei den Brose Baskets so viel mitverändert hatte und es keinen Sinn gemacht hätte, plötzlich wieder rauszugehen, habe ich mich für den Basketball entschieden.
SPOX: Wie kommen Sie mit der teils irrationalen Hektik im Profisport klar? Der Alltag als Controller ist wohl deutlich ruhiger.
Beyer: Im Industriebetrieb kommen ebenfalls immer wieder Überraschungen auf einen zu, wobei das in einem anderen Rhythmus der Fall ist. Im Sport muss man sich viel schneller auf neue Themen einstellen und darauf, dass im Positiven wie im Negativen plötzlich Dinge auf einen einstürzen, auf die du zum Teil wegen der öffentlichen Wirkung sofort reagieren musst. Daher war es nötig, dass ich mich neu sortiere, was das Zeitmanagement und die Medienarbeit anbelangt. Dennoch bleibt es eine tolle Herausforderung und der Vertrauensvorschuss des Aufsichtsrats ist sehr positiv. Ich kann viele Dinge in Ruhe abarbeiten.
SPOX: Wie reagierte das Basketball-Establishment auf Sie - immerhin haftet an Ihnen keinerlei Stallgeruch? Gab es Skepsis?
Beyer: Nein, gar nicht. Berlins Marco Baldi dachte vor dem ersten Treffen am Rande der BBL-Tagung im September, dass da ein junger Hüpfer ankommt, der total grün hinter den Ohren ist. Jetzt weiß er, dass ich für andere Werte stehe. Auch sonst waren die Reaktionen sehr positiv. Ich glaube, dass ich mich mit meiner etwas anderen beruflichen Vergangenheit in Strukturdiskussionen der Liga gut einbringen und neue Perspektiven anbieten kann. Ich telefonierte unter anderem mit Edward Scott, dem COO der Euroleague, und er sagte, dass er froh ist um jeden, der für Organisation und Solidität steht. Es würde in Europa sicherlich der eine oder andere Ex-Profispieler oder Trainer bei Ihren Klubs für Strukturen zuständig sein, dem jedoch die Ausbildung fehle und der deshalb eher hemdsärmelig rangehen würde. Daher glaube ich, dass Leute wie ich im Basketball-Geschäft eine sinnvolle Ergänzung sind.
SPOX: Trotzdem: Haben Sie keine Zweifel, dass Sie zwei krisensichere Jobs bei einem Milliardenunternehmen wie Brose aufgaben, um in das von Hire-and-Fire geprägte Basketball-Geschäft zu wechseln?
Beyer: Die Brose-Führung versicherte mir, dass in der Firma immer ein Platz für mich ist. Unabhängig von dieser schönen Zusage mache ich mir da keine Gedanken. Meine Leistung muss passen, dann wird es da wie dort funktionieren. Zumal ich über eine optimistische Grundeinstellung verfüge und nicht davon ausgehe, bei den Brose Baskets gleich zu scheitern.
SPOX: Ein Rätsel bleibt in der Retrospektive weiter der plötzliche Abschied von Beens. Man dachte, dass er den Machtkampf gegen den damaligen Mit-Geschäftsführer Heyder gewonnen hätte und von Stoschek unterstützt wird.
Beyer: Ich bedauere es persönlich, dass er gegangen ist. Im Nachhinein wissen wir, dass die Arbeitsweisen von Marko und Wolfgang, also sehr nüchtern und strukturiert versus kreativ und impulsiv, zu unterschiedlich waren. Erschwerend kam hinzu, dass in der extrem hektischen Phase der Aufsichtsrat sehr intensiv Einfluss nahm. Dass das Arbeiten unter dieser Drucksituation nicht einfach war und er irgendwann eine Entscheidung treffen musste, kann ich verstehen.
SPOX: Kein Beens, kein Heyder: All die Aufgaben inklusive des sportlichen Bereichs gingen auf Sie über. Wie wohl fühlen Sie sich im Haifischbecken Basketball?
Beyer: Ich kann mit meiner Erfahrung viele Dinge richtig einschätzen, wenn beispielsweise ein Agent anruft und seine Interessen verfolgen will. Wobei es vermessen wäre zu glauben, die sportlichen Geschicke auf Dauer zu führen. Deswegen haben wir mit Daniele Baiesi die Position des Sportdirektors neu besetzt. Das Programm mit der Profimannschaft und dem gesamten Jugend-Unterbau hat Dimensionen erreicht, die sehr zeitintensiv sind.
SPOX: Wie viele Bewerbungen kamen wegen des Sportdirektor-Postens bei Ihnen an? 50?
Beyer: So viele sind es gar nicht. Ich weiß nicht exakt, wie groß der Markt im deutschen Basketball für Sportdirektoren ist. Der Kreis an qualifizierten Kandidaten dürfte jedoch überschaubar sein.
SPOX: Was war mit Pascal Roller? Sein Rat wird im Aufsichtsrat, besonders von Carl Steiner, sehr geschätzt.
Beyer: Der Name ist irgendwann gefallen, aber ich glaube nicht, dass er sich engagieren wollte. Er verfolgt sein eigenes Projekt in Hamburg.
SPOX: Stattdessen bekam der Italiener Baiesi den Zuschlag. Er war zwar für das internationale Scouting der Detroit Pistons zuständig, seine letzte Station als Manager liegt aber fast fünf Jahre zurück.
Beyer: Daniele hat viel Erfahrung in der NBA sammeln können, aber den europäischen Basketball in seiner Funktion genauestens verfolgt. Wir haben in den letzten zwei Monaten einige Gespräche geführt und gemerkt, dass die Chemie passt und dass Daniele viel an internationalem Know-how einbringt. Wir brauchen einen sportlichen Leiter, der vom Profi- bis zum U12-Leistungsbereich ein komplettes Programm konzipiert und führt. Ich bin überzeugt, dass Daniele das umsetzen kann.
SPOX: Wäre Brendan Rooney nicht eine logische Alternative gewesen? Als Scout entdeckte er zahlreiche Juwelen wie P.J. Tucker, Brian Roberts oder Kyle Hines und ist weiter für Bamberg tätig, obwohl er zu den Vertrauten von Ex-Trainer Chris Fleming zählte.
Beyer: Brendan ist weiterhin eine sehr wertvolle Stütze. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass er sich so exponieren möchte. Er ist Scout mit Leib und Seele.
SPOX: Sie sagen, dass Baiesi passen würde, weil er von der Persönlichkeit ein "Konterpart" zu Headcoach und Landsmann Trinchieri darstellt. Was meinen Sie damit?
Beyer: Vielleicht klingt Konterpart zu stark nach Konfrontation, nennen wir es ausgleichendes Moment. Ich habe Daniele als sehr rationalen und überlegt handelnden, ruhigen Menschen kennengelernt, der Andrea gut kennt und einschätzen kann. Deshalb ist er die ideale Ergänzung zu einem im Hier und Jetzt und emotional handelnden Headcoach. Das ist jedoch nicht negativ gemeint, das ist sein Job.
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