Geboren in Philadelphia, kam Reggie Redding über Umwege nach Berlin. Derzeit kämpft der 25-Jährige mit Alba um den Einzug ins Playoff-Finale der BBL. Im Interview mit SPOX spricht der US-Amerikaner über die nervenaufreibende Serie gegen Meister Bayern, den Titel-Traum und seine Zukunft. Außerdem berichtet er von den exotischen Erlebnissen auf Zypern, seinen NBA-Chancen und verrät, wem er in den Finals die Daumen drückt.
SPOX: Herr Redding, was ist für Sie der Schlüssel, um München in der Halbfinal-Serie schlagen zu können?
Reggie Redding: Wir müssen hart sein. Wir müssen noch mehr kämpfen. Vor allem das Rebounding ist für unser Team so wichtig, dass wir gerade da noch dominanter sein müssen. Immer, wenn wir den Kampf unter den Brettern gewinnen, dann gewinnen wir auch das Spiel. So einfach ist das.
SPOX: Es steht 2:2 und Spiel fünf findet in Berlin statt. Aber hat der Heimvorteil in so einer Serie gegen den amtierenden Meister wirklich einen so großen Einfluss?
Redding: Ja, definitiv. Es wird schwer für die Bayern, ein Spiel in unserer Halle zu gewinnen und genau so schwer war es für uns, einen Sieg aus München zu entführen. Daher sind die drei Spiele zu Hause für uns äußerst wichtig. Unsere Fans pushen uns enorm und das ist nicht zu unterschätzen.
SPOX: Auf welchen Spieler legen sie als Team einen besonderen Fokus in der Defense, um zu verhindern, dass er heiß läuft?
Redding: So einfach ist es gegen München leider nicht. Es wäre schön, wenn es so wäre (lacht). Bayern hat nicht nur einen dominanten Spieler, den wir ausschalten müssen, um zu gewinnen. Sie haben eine Handvoll Jungs, die offensiv eine enorme Qualität mitbringen und die uns alle wehtun können. Sie sind ein starkes Kollektiv und fast jeder ist gefährlich. Daher ist die Serie für unsere Verteidigung eine große Herausforderung.
SPOX: Wie kann es sein, dass ein Team wie Bayern im ersten Spiel einer Serie Intensität und Fokus vermissen lässt? Sollte man nicht denken, dass jeder Spieler gerade in den Playoffs bis in die Haarspitzen motiviert sein müsste?
Redding: Es hat nicht immer mit fehlender Motivation zu tun, auch wenn es vielleicht von außen manchmal so aussieht. München hat sich auswärts bisher schwer getan, auch in der Serie gegen Frankfurt, da erging es ihnen ähnlich. Manchmal liegt es einfach am Spielverlauf. Klar ist in den Playoffs der Druck höher, aber das sorgt auch für einen zusätzlichen Ansporn. Uns fehlt der sicher nicht, mit den Bayern haben wir ja noch eine Rechnung aus der letzten Finalserie offen.
SPOX: Wie bereiten Sie sich auf ein Spiel vor? Haben Sie ein spezielles Ritual?
Redding: Nein, ein Pregame Ritual habe ich nicht direkt. Am Spieltag versuche ich, mich ein wenig zu entspannen und dann beginne ich, mich zu fokussieren. Es ist nicht immer leicht, im Kopf genau den richtigen Level an Intensität zu erreichen, nicht übers Ziel hinauszuschießen und dennoch selbstbewusst und mit der richtigen Einstellung auf den Court zu gehen.
SPOX: Wenn Sie sich gegen München durchsetzen, hieße der Finalgegner Bamberg. Die Brose Baskets haben in den Playoffs bisher noch nicht eine Partie verloren. Ist es dennoch ein Matchup, auf das Sie sich freuen?
Redding: Natürlich! Sie sind ein gutes und ein sehr körperliches Team, aber wir haben sie in der Saison schon einmal geschlagen. Das würde sicher eine anspruchsvolle und spannende Serie werden und mit Sicherheit wäre es ein würdiges Finale. Doch noch sind wir nicht im Finale und wir konzentrieren uns ausschließlich auf Bayern München.
SPOX: Berlin ist seit sieben Jahren auf der Jagd nach dem Meistertitel, den letzten Erfolg feierte Alba 2008. Warum klappt es dieses Jahr?
Redding: Es passt einfach. Das Team ist gut zusammengestellt und jeder bringt sich mit seinen Fähigkeiten ein. Dazu kommt, dass wir ein paar Puzzleteile letztes Jahr noch nicht hatten, die uns jetzt sehr weiterhelfen. Zum Beispiel sind wir dieses Jahr ein wenig größer, was uns einige zusätzliche leichte Körbe in der Zone verschafft.
SPOX: Lassen Sie uns über die Situation in der BBL sprechen. Was haben Sie gedacht, als Sie vom Rückzug der Artland Dragons erfahren haben?
Redding: Ich war total geschockt. Artland war zuvor ein harter Konkurrent gewesen und in den letzten Jahren immer wieder in den Playoffs vertreten. Sie nicht mehr in der Liga zu haben, ist wirklich ein Verlust und auch der Zeitpunkt war überraschend. Ich selbst habe ja vor meiner Zeit in Berlin für die Walter Tigers Tübingen gespielt, ebenfalls ein Team aus der zweiten Garde der BBL. Das Hauptproblem dieser Klubs ist und bleibt das Budget. Man hat einfach nicht die Möglichkeiten, bestimmte Spieler zu holen. Und eine einzige falsche Entscheidung kann die gesamte Saison zerstören.
SPOX: Alba Berlin scheiterte dieses Jahr nur knapp am Einzug in die Euroleague Playoffs. Definitiv eine Verbesserung, aber ist die Lücke zu den Platzhirschen Barcelona oder Real Madrid nicht bereits zu groß, um sie in naher Zukunft schließen zu können?
Redding: Ich bin nicht sicher. Teams wie Barca oder Real stehen seit Jahren an Europas Spitze, sie sind etabliert und haben die nötigen finanziellen Mittel, um die richtig großen Namen anzulocken. Wir haben eine tolle Euroleague-Saison gespielt und aus unseren Möglichkeiten das Beste gemacht. Es steht und fällt mit den Spielern, ganz ehrlich. Um zu Real und Barca aufzuschließen und die Chance zu haben, sie in jedem Spiel schlagen zu können, müssen wir einfach die richtigen Spieler finden, die zu uns passen.
SPOX: Gibt es einen Spieler, mit dem Sie schon immer einmal zusammenspielen wollten?
Redding: Ja, Devin Smith von Maccabi Tel Aviv. Er spielt ebenfalls meist als Small Forward. Ich bewundere, wie er spielt und ich denke, von ihm könnte ich vermutlich eine ganze Menge lernen.
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SPOX: Nachdem Sie fast jede Saison Ihre Effizienz verbessert hatten, gingen Ihre Quoten dieses Jahr extrem nach unten. Die Wurfquote sank von 51 auf 43 Prozent, Ihre Freiwurfquote sogar von 85 auf 70 Prozent. Wie ist das zu erklären?
Redding: Ich muss gestehen: Ich weiß es nicht. Dieses Jahr sind einfach einige Würfe nicht gefallen, die ich sonst treffe. Ich werde mich im Sommer ganz genau so vorbereiten wie jedes Jahr. Ich werde in die Halle gehen und an meinem Wurf arbeiten und weiter an meinem Körper arbeiten. Und ich brauche den Wettbewerb. Das hilft mir, mich zu verbessern. Manchmal gibt es einfach solche Saison, in der nächsten ist es hoffentlich wieder anders.
SPOX: Apropos nächste Saison: Mit 25 Jahren sind Sie noch jung, Sie wurden dieses Jahr erstmals in das All BBL First Team gewählt und sind begehrt. Ihr Vertrag in Berlin endet nach der Saison. Was passiert danach?
Redding: Das weiß ich noch nicht. Wirklich nicht. Natürlich gibt es eine Menge Anfragen und manche Teams würden am liebsten schon mit den Vertragsverhandlungen anfangen, aber darum kümmert sich mein Agent. Ich konzentriere mich momentan nur auf die Playoffs und versuche mit Alba die Meisterschaft zu gewinnen. Alles andere spielt für mich derzeit keine Rolle.
SPOX: Würden Sie sich mit einem geringeren Gehalt zufrieden geben, wenn Sie dafür bei einem Klub spielen können, der ihnen wirklich richtig gut gefällt?
Redding: Das Gehalt ist wichtig, aber es geht mir nicht nur ums Geld. Ich bin ein Spieler, der sich wohlfühlen muss, sowohl mit dem Team als auch mit dem Umfeld. So wie das in Berlin der Fall ist. Sonst kann ich meine besten Leistungen nicht abrufen.
SPOX: Gerüchten zufolge gibt es nicht nur Interesse aus Europa, sondern auch losen Kontakt zu NBA Teams. Glauben Sie, dass es für Sie noch einmal eine Chance gibt, in die NBA zu wechseln oder ist der Zug abgefahren?
Redding: Natürlich, mein NBA-Traum lebt weiter und die Möglichkeit besteht. Aber in erster Linie ist es eine Entscheidung, ob ich bereit bin, meinen Traum weiter zu verfolgen, auch wenn damit Unsicherheit verbunden ist und es keine Garantie gibt, dass ich mich dort auch durchsetzen kann. Auf der anderen Seite steht ein Engagement in Europa mit einem garantierten Vertrag und höchstwahrscheinlich einem Stammplatz, da fällt die Entscheidung gar nicht so leicht wie es auf den ersten Blick scheint. Und das muss ich abwägen.
SPOX: Lassen Sie uns ein bisschen über ihre Zeit am College in Villanova sprechen. Sie waren vier Jahre dort, haben einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften gemacht und mit den Wildcats einmal das NCAA Final Four erreicht. Haben Sie noch Kontakt zu ihren Teamkollegen von damals?
Redding: Selbstverständlich. Einige von ihnen sind ja in Europa aktiv und mit vielen stehe ich in regem Austausch. Zum Beispiel auch mit Randy Foye von den Denver Nuggets, den ich im Sommer ab und zu sehe in den USA sehe oder mit Kyle Lowry. Er ist einer meiner guten Freunde und mit ihm telefoniere ich regelmäßig. Er war diese Saison bei den Toronto Raptors fantastisch und die Nominierung als Allstar-Starter hatte er sich wirklich verdient. Eigentlich schon letztes Jahr, wenn man ehrlich ist. Leider war er auch länger verletzt und konnte den Raptors in den Playoffs nicht so helfen, wie sie es vielleicht gebraucht hätten. Schade, dass ihre Saison in der ersten Runde zu Ende gegangen ist. Da wäre vielleicht auch mehr drin gewesen.
SPOX: Der NBA Draft steht kurz bevor und viele College-Spieler hoffen darauf, ihren Namen zu hören - so wie Sie 2010. War es sehr enttäuschend für Sie, damals nicht ausgewählt worden zu sein?
Redding: Meistens hat man ein ziemlich gutes Gespür dafür, ob man zu den Spielern gehört, die sich wirklich Hoffnung machen können, gedraftet zu werden oder nicht. Wie ist die Karriere am College gelaufen? Welches Team will mit dir sprechen? Wo wirst du zum Workout eingeladen? Natürlich habe ich darauf gehofft, aber die Wahrscheinlichkeit, dass ich ausgewählt werden würde, war nicht sehr groß. Und das wusste ich.
SPOX: Was würden Sie einem jungen deutschen Spieler raten? Sollte er ans College gehen und sich dort für die NBA empfehlen oder lieber hier bleiben, sich in der BBL etablieren und dann auf einen Anruf aus den USA warten?
Redding: (lacht) Das ist eine gute Frage und eine die mir unsere jungen Spieler auch schon öfter gestellt haben, wie beispielsweise Moritz Wagner, der jetzt für die University of Michigan spielen wird. Meine College-Zeit war toll. Am Ende kann man da aber keine pauschale Empfehlung aussprechen. Diese Entscheidung muss jeder Spieler für sich treffen.
SPOX: Statt in die NBA ging es für Sie nach Zypern - ein ziemlich ungewöhnlicher Schritt für einen US-Amerikaner. Warum dorthin?
Redding: Nach den vier Jahren am College wollte ich natürlich auch weiterhin Basketball spielen und das war die beste Möglichkeit, die ich hatte. Es war nicht die einzige Option, aber die passende. Ich war noch nie weit von zu Hause weg und wollte das gern ausprobieren. Außerdem konnte ich dort in der Euro Challenge spielen und wir haben die Meisterschaft und den Pokal gewonnen. Gut, es war nicht die beste Liga, aber ich habe für mich mitgenommen, was mich weiter gebracht hat und mir dabei geholfen hat, weiter nach oben zu kommen.
SPOX: Was für Erfahrungen haben Sie dort gemacht und was haben sie gelernt?
Redding: Ich habe gelernt, wie es ist, nicht mehr zu Hause zu sein. Weg von der Familie, von den Freunden, das war ziemlich hart für mich. Besonders am Anfang hatte ich Schwierigkeiten, Anschluss zu finden und habe mich wirklich schwer getan und hatte Heimweh. Aber ich habe auch gelernt, damit klarzukommen und professionell zu sein, um meinen Traum weiter verfolgen zu können. Ich habe den Schritt nach Europa nie bereut.
SPOX: Zurück in die USA: Sie wurden in Philadelphia geboren. Darf man daher annehmen, dass sie in der NBA den 76ers die Daumen drücken?
Redding: Ja, das stimmt. Derzeit spielen sie ja nicht so herausragend, aber das wird sicher bald wieder besser. Ich komme leider kaum dazu, mal ein Spiel zu schauen. Normalerweise schaue ich mir am nächsten Tag die Highlights an, denn um die Matches live zu gucken, sind sie meist einfach zu spät.
SPOX: Was halten Sie von der Tanking Strategie, mit der Philly vor kurzem den Rebuild gestartet hat?
Redding: Wenn Sie mich fragen, ist das, was die Sixers machen, kein Tanking. Sie haben diese Saison versucht, jedes Spiel zu gewinnen. Und zwar mit großem Ehrgeiz. Nun hat Philly mehrere gute Draftpicks, um das Team zu verbessern. Der Rebuild kann etwas werden.
SPOX: Bei den Global Games haben Sie mit Alba schon die San Antonio Spurs geschlagen, 2011 nur knapp gegen die Dallas Mavericks verloren. Glauben Sie, dass sie in der Lage wären, in der regulären Saison ein Spiel gegen ein NBA Team zu gewinnen?
Redding: Ja, davon bin ich überzeugt. Wir würden in der NBA Spiele gewinnen. Dabei kommt es natürlich darauf an, gegen welche Mannschaft wir spielen würden (lacht). Gegen die schwächeren Teams der Liga könnten wir sicherlich mithalten. Und wer mithalten kann, der kann auch gewinnen.
SPOX: Es gab immer mal wieder den Vorschlag, die NBA um eine Division in Europa zu erweitern. Was denken Sie darüber?
Redding: Das ist nach wie vor eine spannende Idee. Es wäre interessant zu sehen, wie sich der Basketball entwickeln würde und ob das die Strukturen in Europa nachhaltig verändern würde. Der Unterschied zwischen den großen und den kleinen Teams in den europäischen Ligen ist ohnehin relativ groß, daher glaube ich nicht, dass fünf NBA Teams den europäischen Basketball kaputt machen würden.
SPOX: "I hate Kendrick Perkins." Das haben Sie vor nicht allzu langer Zeit bei Twitter geschrieben. Was ist so schlimm an ihm?
Redding: (lacht) Ich würde nicht sagen, dass ich ihn wirklich hasse. Ich mag ihn und seine Spielweise einfach nicht. Oder lassen Sie es mich so formulieren: Er gehört nicht gerade zu meinen Lieblingsspielern. Ganz im Gegenteil zu LeBron James und Kevin Durant. Das sind zwei meiner absoluten Lieblinge. Ihnen schaue ich sehr gerne zu.
SPOX: Drücken Sie LeBron und den Cleveland Cavaliers auch in den NBA Finals gegen die Golden State Warriors die Daumen?
Redding: Aber sicher! Ich hoffe, dass sie gewinnen.
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Reggie Redding im Steckbrief