Mit den Fraport Skyliners mischt Konstantin Klein derzeit die BBL auf und greift beim Top Four nach seinem ersten großen Titel. Im Halbfinale trifft Frankfurt am Samstag auf Alba Berlin (ab 19 Uhr im LIVETICKER). Im Interview spricht Klein über seinen Aufstieg, die Erlebnisse mit dem DBB-Team, Kritik an seiner Person, Auswärtsspiele an der syrischen Grenze und die Probleme der deutschen Mentalität.
SPOX: Konstantin, ein Kollege nannte Sie in einem Gespräch einmal den "Berliner Allen Iverson" - eine passende Beschreibung?
Konstantin Klein: (lacht) Der Berliner Allen Iverson? Das habe ich noch nie gehört. Ich fand Iverson immer geil. Aber außer meiner Größe und meinen Tattoos habe ich wohl wenig mit ihm gemeinsam. Obwohl, ich hatte auch mal eine Frisur wie er. Na gut, vielleicht passt es schon ein wenig. (lacht) Aber ich würde mich nicht über eine andere Person definieren. Ich bin der Berliner Konstantin Klein. Ehrgeizig, lustig, hungrig.
SPOX: Hungrig? Auch schon auf die EM 2017? Ihr ehemaliger NBBL-Coach Henrik Rödl übernimmt höchstwahrscheinlich das DBB-Team. Rechnen Sie sich da Chancen auf eine Nominierung aus?
Klein: Ich schaue nicht zwei Jahre in die Zukunft. Ich schaue auf heute. Auf morgen. Ich lebe im Hier und Jetzt. Wer weiß, was in zwei Jahren ist. Ich freue mich für Henrik, weil er ein guter Typ ist und es verdient hat. Und ja, das könnte auch positiv für mich sein, aber ich schaue deshalb wirklich nicht so drauf.
SPOX: Im Sommer waren Sie erstmals mit der Nationalmannschaft unterwegs. Wie war das Trainingslager mit Dennis Schröder?
Klein: Das war eine tolle Erfahrung. Man hat gesehen: Schröder spielt auf einem anderen Level, aber gegen ihn zu spielen, war gut. Da konnte ich viel lernen. Aber auch mit den anderen Spielern zu trainieren, war eine tolle Sache. Da konnte man sehen, wo man steht. Und es war gut, zu merken, dass ich mithalten kann, ohne mich verstecken zu müssen. Und ich habe gesehen, dass die auch alle nur mit Wasser kochen. Das war für mein Selbstbewusstsein wirklich gut.
SPOX: Wie haben Sie die Entscheidung von Chris Fleming aufgenommen, dass Sie aus dem EM-Kader gestrichen werden?
Klein: Ganz entspannt. Ich hatte zwei Operationen in der Saison und war froh, dass ich wieder fit war und spielen konnte. Und ich war froh, überhaupt eingeladen worden zu sein. Ich weiß: Ich gehöre ins DBB-Team. Aber ich hatte nach den Verletzungen nicht zwangsläufig erwartet, dass ich im Trainingslager dabei sein würde. Ich war also nicht todtraurig, als der Coach mir gesagt hat, dass es für die EM nicht reicht. Ich habe gesehen, woran ich arbeiten muss, um ein fester Teil des Teams zu werden.
SPOX: Kurz zuvor haben Sie bei der Universiade in Südkorea als Kapitän mit dem A2-Team Silber geholt, die erste deutsche Medaille seit 26 Jahren. So ein tolles Turnier - und dann die knappe Niederlage im Finale gegen die USA...
Klein: Das war wirklich bitter. Du hältst gegen die beste Nation der Welt mit und verlierst dann in zweifacher Verlängerung - da waren wir schon alle sehr geknickt. Schließlich sind wir dorthin gefahren, um Gold zu holen. Aber es war eine tolle Zeit mit dem starken Team und Henrik als Coach. Und wir haben uns auch von Spiel zu Spiel gesteigert. Das konnte man richtig sehen. Für mich persönlich war das Wichtigste, nach meinen Verletzungen wieder Spielpraxis zu bekommen.
SPOX: Die A-Nationalmannschaft spielte dann ohne Sie die EM, aber mit Anton Gavel, der kurz vor dem Turnier eingebürgert wurde. Überzeugen konnte er aber nicht. Haben Sie sich manchmal vor dem Fernseher gedacht: Mensch, da könnte ich jetzt stehen und die Dreier reinmachen?
Klein: Natürlich! Ganz genau! Das waren meine Gedanken. Das was Gavel da gespielt hat, das mache ich besser. Also nichts gegen ihn, er ist ein Super-Typ und hat sowohl in Bamberg als auch bei Bayern seinen Platz gefunden und schon viele große Erfolge gefeiert. Ich habe größten Respekt vor ihm. Und die Aussage soll auch nicht überheblich rüberkommen. Für mich ist das eher eine gesunde Einstellung.
SPOX: Das würden manche Leute anders sehen...
Klein: Und das ist genau das Problem. Jeder deutsche BBL-Spieler saß zu Hause vor dem Fernseher und hat genau das gleiche gedacht. Und ich würde lügen, wenn ich etwas anderes erzählen würde. Jeder andere Spieler ist Konkurrenz. Auch beim All-Star Day ist jeder ein Konkurrent. Ich bin hier, um mitzuspielen und um etwas zu reißen. Nicht, um zuzugucken, wie andere Dreier danebenwerfen. Und anstatt, dass die Leute denken: "Man, ist der Klein arrogant", sollen sie lieber sehen, dass da jemand ist, der heiß ist, der die Herausforderung annimmt und sich den Arsch aufreißt. Und der sagt, was er denkt. Im Leistungssport musst du ein bisschen arrogant sein. Arroganz ist gesund und bringt dich weiter. Du musst auf dich aufmerksam machen. Und du musst von dir überzeugt sein. Wenn du vor dem Spiegel stehst und denkst, dass du die wichtigen Würfe nicht triffst, dann wirst du sie in deinem ganzen Leben nicht treffen.
SPOX: Eine ähnliche Diskussion gab es vor wenigen Wochen bei den selbstbewussten Aussagen von Dennis Schröder. Ist das ein Problem der deutschen Mentalität?
Klein: Mit Sicherheit. Bei Dennis' Aussagen habe ich mich auch gewundert, wie sie aufgenommen wurden. Leute, seht es doch mal anders. Da ist jemand, der will weiterkommen. Er möchte in naher Zukunft Starter bei den Hawks sein. Da sage ich: cool! Ich möchte in naher Zukunft auch Starter in Frankfurt sein. Ich möchte in naher Zukunft auch Meister sein. Und am liebsten wäre ich auch MVP. Aber diese negative Auffassung ist wirklich typisch deutsch. Nur bringt dich das nicht weiter. Wenn du in der Liga an den Start gehst und sagst, dass du Zweiter werden möchtest, dann kannst du auch gleich wieder nach Hause gehen. Die amerikanische Mentalität ist da völlig anders. Daher finde ich Dennis' Aussagen auch genau richtig.
SPOX: Sie waren schon immer recht selbstbewusst, auch damals, als sie 2012 nach Frankfurt kamen. Trotz Doppellizenz bestritten Sie fast alle Spiele in der BBL. Wie kam es dazu?
Klein: Ja, damit hatte ich auch nicht gerechnet. Wir hatten Verletzungspech und da wurde ich direkt ins kalte Wasser geworden. Ich bekam die Möglichkeit, direkt viel zu spielen und das habe ich genutzt. Ich habe dem Coach das gegeben, was er von mir verlangt hat.
SPOX: Und das war?
Klein: Dass ich verteidige. Und das habe ich gemacht. Mit allem, was ich hatte. Natürlich will das jeder Coach, denn du brauchst in deinem Team auch Leute, die Defense spielen wollen. Die also nicht nur verteidigen, weil sie es müssen, sondern die wirklich heiß darauf sind. Gerade wenn man als deutscher Junge in so eine Mannschaft kommt, hilft so eine Einstellung. Offensiv war ich nie der große Künstler, daher war klar, dass ich reinkomme und verteidigen soll. Und alles, was vorne kommt, kommt eben. Und da ich hart an mir gearbeitet habe, kam immer mehr. (lacht)
SPOX: Inwiefern ist Ihr Aufstieg auch mit dem ehemaligen Frankfurter Aufbauspieler Dawan Robinson verbunden?
Klein: (lacht) Irgendwie ist er das wohl, vor allem mit seinem Rauswurf aus dem Team. Dawan und Gordon Herbert hatten einige Schwierigkeiten und ich habe davon profitiert. Nach dem Motto: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Das hat mir natürlich in die Karten gespielt. Aber du musst so eine Möglichkeit auch nutzen. Du musst Leistung bringen. Und es gibt genügend Spieler, die das in solchen Situationen eben nicht geschafft haben und so eine Chance danach vielleicht nie wieder bekommen.
SPOX: Apropos Chance: In der BBL belegte Frankfurt in der Saison 13/14 Platz elf, in der Saison 14/15 Rang sechs. Ein weiterer Sprung um fünf Plätze würde in diesem Jahr Platz eins bedeuten...
Klein: Aktuell haben wir nur einen Sieg Rückstand auf Rang zwei, also unerreichbar wäre das nicht. Aber die Teams sind eng beieinander und die Playoffs noch mal eine ganz andere Nummer. Zunächst ist das Ziel, unter die Top Five zu kommen, um in der ersten Runde kein allzu schweres Los zu haben. Man rechnet ja immer damit, dass Bayern, Bamberg und Berlin die ersten drei Plätze belegen. Aber wer weiß, vielleicht können wir ihnen dieses Jahr in die Suppe spucken.
SPOX: Im FIBA Europe Cup läuft es ebenfalls sehr gut. Sie stehen mit Frankfurt ohne Niederlage im Achtelfinale. Zuletzt mussten Sie unter anderem in Gaziantep an der türkisch-syrischen Grenze antreten. Hatten Sie beim Auswärtsspiel ein mulmiges Gefühl?
Klein: Definitiv. Wenn du weißt, dass der IS 40 Kilometer entfernt seine Stadt hat, dann denkt man da schon drüber nach. Aber der Klub hat gesagt, dass alles sicher sei und daher sind wir dort auch ohne Panik hingefahren. Ein bisschen Angst war schon dabei, keine Frage. Aber es ist wie bei allem im Leben: Wenn du immer mit Angst durch die Gegend rennst, wirst du auch nichts erreichen. Wir waren zudem gut geschützt von Polizisten. Natürlich geht in der Region ab und zu mal eine Bombe hoch, aber das kann, wie wir leider erfahren mussten, auch in Europa passieren. Als wir dort waren, ist zum Glück nichts passiert. Aber es war schon eine nicht gerade alltägliche Erfahrung. Wir haben dort gewonnen und sind unserem Ziel, den Europe Cup zu gewinnen, so ein Stück näher gekommen.
SPOX: Vor einem Jahr haben Sie gesagt, dass Sie sich hinter Schröder, Heiko Schaffartzik und Per Günther als viertbesten deutschen Point Guard sehen. Wie lautet jetzt Ihre Einschätzung?
Klein: Es ist nicht mehr so einfach zu trennen. Inzwischen bin ich eher ein Combo-Guard, der auch viel auf der Zwei spielt. Per spielt nur auf der Eins, hat ein ganz anderes Spiel und als Führungsspieler in Ulm eine ganz andere Rolle. Dennis spielt in der NBA, Heiko in der Euroleague beziehungsweise im Eurocup und hat unheimlich viel Erfahrung. Ich kann schon einschätzen, dass die drei Jungs besser sind als ich. Aber danach sehe ich keinen. Maodo Lo muss sich zum Beispiel auch noch entscheiden, ob er Point Guard oder Shooting Guard sein möchte. Und ich bin gespannt, wie er sich in der BBL macht, falls er nächste Saison nach Deutschland wechseln sollte. spox
SPOX: Gibt es einen Spieler, dem Sie nacheifern oder an dem Sie sich ein Beispiel nehmen?
Klein: Magic Johnson fand ich immer stark. Aber richtig nachgeeifert habe ich nie jemandem. Stattdessen habe ich versucht, mir bei den Spielern, gegen die ich gespielt habe, Dinge abzuschauen. Anton Gavel zum Beispiel. Seine Defense ist wirklich gut. Davon habe ich gelernt. Aktuell finde ich Janis Strelnieks von Bamberg super. Der kommt kalt von der Bank und trifft jeden seiner Dreier. Er ist kein Überathlet und schafft es trotzdem immer, einen Weg zum Korb zu finden. Und ich denke, es ist auch besser, im direkten Umfeld nach Spielern zu schauen, von denen ich lernen kann. Ich spiele ja in der BBL und schließlich nicht gegen Magic Johnson. (lacht)