Chris Fleming nimmt nach der EuroBasket 2015 das zweite große Turnier mit dem DBB-Team ins Visier. Vor dem Start der EM-Qualifikation am Mittwoch spricht der Bundestrainer über die Absage von Dennis Schröder, seine Erkenntnisse aus der Vorbereitung, Neuling Makai Mason und die Herausforderung für Maodo Lo. Darüber hinaus gibt er eine Einschätzung der Gruppengegner und äußert sich zu den NBA-Chancen von Paul Zipser.
SPOX: Herr Fleming, die Vorbereitung mit dem DBB-Team für die EM-Qualifikation läuft seit Ende Juli. Was hat sich in der Mannschaft in dieser Zeit am meisten verändert?
Chris Fleming: Definitiv der Prozess, als Team zusammenzuwachsen und sich gegenseitig zu unterstützen. Die Jungs kannten sich alle, aber gerade das Zugehörigkeitsgefühl und das Verantwortungsbewusstsein ist das, was sich am meisten gesteigert hat. Das macht sich gerade in der Defense bemerkbar, wo jeder für den anderen arbeitet. Spieltaktisch würde ich sagen, dass das Aufbauspiel deutlich ruhiger geworden ist. Unsere jungen Guards passen sich langsam an das internationale Niveau an.
SPOX: Gerade die Guards stehen vor großen Herausforderungen, da mit Dennis Schröder ein Leistungsträger nicht dabei sein wird. Wie haben Sie seine Entscheidung aufgenommen, nicht für Deutschland zu spielen?
Fleming: Ich habe es im Laufe der NBA-Saison schon erwartet, da die Atlanta Hawks versucht haben, Jeff Teague zu traden. Da gab es einige Gerüchte. Mir war bewusst: Wenn Dennis in Atlanta Starting Point Guard wird, ist die Chance gering, dass er dabei ist. Aber zu Beginn des Sommers sah es gut aus und er hat gesagt, dass er spielt. Dann kam doch der Teague-Trade und daher war es enttäuschend, dass die Entscheidung so spät gefallen ist. Aber man weiß nie, wozu es gut ist. Vielleicht können Maodo Lo und Makai Mason davon profitieren und sich so besser entwickeln.
SPOX: Offensiv wird Dennis besser und besser, profitiert von seiner Schnelligkeit. Wie sehen Sie seine Entwicklung defensiv?
Fleming: Dennis hat keine Probleme, sich gegen die Top-Guards in der NBA zu behaupten. Er ist einer der besseren defensiven Point Guards in der Liga. Es könnte nur schwer werden für ihn, das, was er bisher defensiv in 20 Minuten gezeigt hat, über 30 oder 35 Minuten aufs Parkett zu bringen. Aber Defense gehört zu Dennis' Identität und ist ein großer Teil von ihm. Er sollte sie nicht verlieren. Sie macht ihn zu dem, der er ist.
SPOX: Mit dem Umbruch von Dirk Nowitzki zu Dennis Schröder haben Sie das deutsche Spiel angepasst und auch schneller gemacht. Was verändert sich spieltaktisch, wenn Dennis nicht dabei ist?
Fleming: Wir haben das Glück, dass wir mit Maodo das Konzept nicht wirklich umstellen müssen. Er ist auch pfeilschnell und hat ein ähnliches Spiel wie Dennis. Anders ist es allerdings, wenn Bastian Doreth ins Spiel kommt. Mit ihm setzen wir weniger auf Tempo, dafür mehr auf Spielkontrolle. Aber wir sind auch in der Lage, unser Spiel situativ anzupassen.
SPOX: Lo hat erstmals in den USA Summer League gespielt. Hatte das einen Einfluss auf seine Entwicklung?
Fleming: Ehrlich gesagt gibt es wenig Spieler, die sich in der Summer League entwickeln. (lacht) Maodo hat sich definitiv verbessert und gewöhnt sich immer mehr an das Niveau, vor allem physisch. Er ist jetzt in einer ganz anderen Rolle als bei der EM im letzten Jahr und muss deutlich mehr Verantwortung tragen. Seine Spielkontrolle nimmt zu und er versteht immer besser, was es bedeutet, ein Team zu führen.
SPOX: Lo ist jetzt zu den Brose Baskets Bamberg gewechselt, wo Sie früher selbst gecoacht haben. Ist das der richtige Schritt für ihn?
Fleming: Ich freue mich immer, wenn meine Spieler zu Klubs gehen, die international spielen. Dort haben sie einfach einen noch härteren Wettbewerb. Bamberg ist in dieser Hinsicht aktuell die Nummer eins in Deutschland. Und ich glaube, er wird sich in Deutschland deutlich besser entwickeln als drüben in der D-League.
SPOX: Mit Makai Mason haben Sie in der Vorbereitung einen Überraschungsgast. Wie kam es dazu?
Fleming: Makai hat eine deutsche Mutter und daher die Möglichkeit, einen deutschen Pass zu beantragen. Sie ist aber schon vor seiner Geburt ausgewandert, daher flog er unter dem Radar. Und er hat ja auch keinen deutschen Namen. Ein paar Wochen vor der Vorbereitung hat er sich gemeldet und jetzt ist er dabei. Manchmal ist es so einfach.
SPOX: Sicher eine große Umstellung für ihn, der ja für die Yale University in den USA spielt. Wie macht er sich?
Fleming: Er macht sich ganz gut. Sicherlich ist es für ihn ein großer Sprung von einem mittleren College-Niveau zur deutschen Nationalmannschaft. Aber er ist ein geborener Scorer, ist sehr bissig und kämpft sich durch. Es gibt noch Momente, in denen er Probleme hat - beispielsweise in der Spielübersicht. Aber das ist ganz normal für College-Spieler und ich mag, dass er am nächsten Tag gleich an diese Dinge rangeht und versucht, sich zu verbessern.
SPOX: Haben Sie schon Ihre Startformation für die EM-Qualifikation gefunden oder experimentieren Sie noch?
Fleming: Bisher habe ich mich noch nicht festgelegt und probiere mehrere Formationen aus. Man kann davon ausgehen, dass Maodo Lo, Paul Zipser und Tibor Pleiß dabei sind. Aber wenn es besser für die Mannschaft oder das Matchup ist, kann sich das auch mal ändern. Wir können im Frontcourt mit Danilo Barthel und Daniel Theis klein spielen - oder auch mit Zipser und Robin Benzing groß auf den Flügeln. Ich habe kein Problem damit, die Starting Five zu wechseln. Und die Spieler auch nicht.
SPOX: Welcher Spieler hat Sie in der Vorbereitung am meisten beeindruckt?
Fleming: Johannes Thiemann. Wir mussten ihn leider letzte Woche cutten, aber er hat super trainiert und super gespielt. Ich kenne ihn schon sehr lange, noch aus meinen Zeiten als Coach in Bamberg. Es hat mich sehr gefreut, dass er sich an das DBB-Niveau angepasst hat und ich erwartete, dass er eine starke Saison in der BBL hinlegt. Auch in der Nationalmannschaft hat er definitiv das Potenzial, in das Team hineinzuwachsen.
SPOX: In der EM-Qualifikation trifft Deutschland ab dem 31. August auf Österreich, die Niederlande und Dänemark. Was erwartet die deutsche Mannschaft?
Fleming: Gegen Österreich und die Niederlande haben wir schon in der EM-Vorbereitung im letzten Jahr gespielt. Beide haben keinen großen Namen in Europa, aber ein unterschätztes Spielniveau. Holland hat sich gegen viele gute Teams wie Griechenland sehr teuer verkauft, sie sind gerade auf den Außenpositionen sehr athletisch. Österreich hat keine besondere Tiefe im Kader, aber die Spieler sind schon seit vielen Jahren zusammen. Hut ab, sie spielen guten Basketball und haben mit Kestutis Kemzura einen erfahrenen und sehr guten Coach. Dänemark kann ich am wenigsten einschätzen, das ist so ein bisschen die Wundertüte. Aber auch diese Aufgaben werden nicht so leicht, wie es viele Außenstehende einschätzen. Wir müssen kratzen und beißen.
SPOX: Österreich hat mit Rookie Jakob Pöltl von den Toronto Raptors jemanden, der das Team in Zukunft tragen könnte - auch wenn er in der EM-Qualifikation nicht dabei ist. Wie schätzen Sie sein Potenzial ein?
Fleming: Ich habe ihn am College, in der Nationalmannschaft und auch in der Summer League gesehen und er hat mich beeindruckt. Er ist ein guter Spieler, der Österreich in den nächsten Jahren definitiv weiterhelfen kann. Mit Rashid Mahalbasic hat das Team aber auch in der Quali ohne Pöltl eine gefährliche Waffe unter dem Korb. Er ist wohl der Center, der von allen Teams am meisten Schaden unter dem Korb anrichten kann.
SPOX: Auch Deutschland hat einen neuen NBA-Spieler: Paul Zipser, der von den Chicago Bulls gedraftet wurde. Wie sehen Sie seine Chancen in den USA?
Fleming: Paul hat sich in den letzten zwölf Monaten ungemein verbessert, vor allem offensiv. Ich habe überhaupt keine Zweifel, dass er sich in Chicago durchsetzen wird. Er ist ein Spieler, den sie dort gut gebrauchen können.
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SPOX: Tibor Pleiß hingegen hat ein schwieriges Jahr bei den Utah Jazz hinter sich, wo er auch viel in der D-League eingesetzt wurde. Jetzt wurde er auch noch getradet. War es schwer, ihm bei der Nationalmannschaft wieder Selbstbewusstsein zu vermitteln?
Fleming: Ich hatte nicht den Eindruck, als wäre er mit weniger Selbstbewusstsein angereist. Im Gegenteil. Er hat einen guten Fokus und das ist nicht selbstverständlich.
Fünf Fragen zu Pleiß: Over and Out?
SPOX: Am Mittwoch steigt das erste Spiel der EM-Qualifikation (Deutschland vs. Finnland, 20.45 im Liveticker). Darf man nach den Siegen gegen Portugal, England und Finnland vorsichtig optimistisch sein?
Fleming: Ich denke, die Siege sind nicht sehr aussagekräftig. Aber natürlich sind wir optimistisch. Unser Niveau ist stetig gestiegen. Und wenn es drauf ankommt, sind wir bereit.
Das DBB-Team im Überblick