Im letzten Moment konnte sich die deutsche Basketball-Nationalmannschaft die Qualifikation für die EuroBasket 2017 sichern. Das Auftreten davor warf sowohl auf dem Parkett wie auch außerhalb des Spielfeldes Fragen auf. Wien geht es beim DBB weiter? Was wird aus Chris Fleming? Was muss sich bis zur EM ändern? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was bedeutet die EM-Qualifikation für den DBB?
Das Erreichen der EuroBasket 2017 bedeutet vor allem eines: Erleichterung. Die Qualifikation für die EM war alternativlos, ein Scheitern wäre - vor allem in dieser Gruppe - ein Super-GAU gewesen. Die letzte Europameisterschaft ohne deutsche Beteiligung liegt 25 Jahre zurück. Dementsprechend war das Erreichen im viel beschworenen Vier-Jahres-Plan des Deutschen Basketball Bundes auch fest eingeplant.
Nun ist die Nationalmannschaft dem Abgrund entkommen und hat zumindest kurzfristig wieder eine Perspektive. Das Verpassen der EM hätte auch unweigerlich die Chancen auf eine Teilnahme an der kommenden Weltmeisterschaft sowie Olympia 2020 auf ein Minimum reduziert, was auch die weitere Beteiligung von Spielern wie Schröder, Zipser oder Zirbes fast ausgeschlossen hätte.
Damit wäre der deutsche Basketball in der Post-Nowitzki-Ära völlig von der Bildlfläche verschwunden. Ein fatales Zeichen für die Jugend. Stattdessen können die Karten nun neu gemischt werden und einige eklatante Fehler aus der EM-Qualifikation können angegangen werden, wenn auch tiefergreifende Probleme in der Verbandsstruktur nicht innerhalb dieses Jahres gelöst werden.
So bedeutet die Qualifikation also eine Chance für alle Beteiligten, sowohl für eine endgültige Klärung der Trainerfrage wie auch für die zahlreichen Spieler, die abgesagt haben, und für die Spieler des aktuellen Teams, das sich nicht wirklich mit Ruhm bekleckert hat.
Wie geht es auf der Trainerposition weiter?
Die Zeit von Chris Fleming als Head Coach der deutschen Basketball-Nationalmannschaft ist höchstwahrscheinlich gezählt. Armin Andres, Vizepräsident Leistungssport beim DBB, meinte bereits deutlich: "Da Chris in der NBA als Co-Trainer fungiert, kann er 2017 aufgrund der Zeitfenster gar kein Trainer mehr bei uns sein." Somit hat der US-Amerikaner, dessen Doppelfunktion sowieso immer kritisch beäugt wurde, wohl keine Zukunft mehr.
Auch unabhängig von seinem Engagement in den USA stand der Bundestrainer zuletzt aber vermehrt in der Kritik. Seine Trainingsmethoden, sein Coaching und seine Rollenverteilung wurden gerade nach den misslungenen Auftaktspielen in Frage gestellt. Auch Flemings öffentliche Darstellungen nach den Auftritten gegen Österreich und die Niederlande waren nicht unbedingt gelungen.
Flemings Nachfolger steht bereits in den Startlöchern und ist kein Unbekannter. Ex-Profi Henrik Rödl trat schon während der EM-Qualifikation als Assistent von Fleming auf und übernahm häufiger die Ansprache während der Auszeiten. Der ehemalige Nationalspieler ist hauptamtlich als Bundestrainer tätig und genießt im Verband wie auch bei den Spielern ein hohes Ansehen.
Rödl machte sich vor allem als Coach im Nachwuchsbereich einen Namen und könnte damit die lange gesuchte Ideallösung sein, welche auch langfristig die großen Talente wie Hartenstein, Bonga Mushidi oder Freudenberg ans Team heranführt und die Spieler auf Dauer für das Projekt Nationalmannschaft begeistert.
Welche Perspektive hat das aktuelle Team?
Läuft es wie gewünscht, werden die deutschen Basketball-Fans bei der kommenden Europameisterschaft ein zumindest in der Spitze ausgewechseltes Team auf dem Parkett erleben. In den abgelaufenen Wochen haben sich nur wenige Spieler aus der zweiten Reihe für höhere Aufgaben beworben, wenn auch gerade sie im Gegensatz zu den zahlreichen abwesenden Spielern den Kopf hinhielten und letztlich die Quali packten.
Am ehesten Werbung in eigener Sache konnte Johannes Voigtmann betreiben, der den blassen Tibor Pleiß nicht nur stark vertrat, sondern einer der Indikatoren für den Aufschwung nach den peinlichen Niederlagen gegen die Niederlande und Dänemark war, während Paul Zipser seinen Status als Leistungsträger bestätigte und oftmals wie der Einäugige unter den Blinden wirkte.
Daneben kann vor allem die Bamberger Fraktion um Theis, Heckmann und Lo relativ zufrieden sein, wobei gerade die beiden erstgenannten Spieler sicherlich nach einer etwas größeren Rolle streben dürften. Lo dagegen zeigte sich oftmals überfordert mit dem Ballvortrag und würde sich am meisten über eine EM-Zusage von Dennis Schröder freuen.
Mit dem NBA-Star der Atlanta Hawks steht und fällt die Perspektive des Teams. Seinem Beispiel könnte weitere Spieler wie Maxi Kleber oder Maik Zirbes folgen, die Deutschland unbedingt braucht, um bei der EM halbwegs konkurrenzfähig zu sein. Eines hat die Quali und das aktuelle jedenfalls gezeigt: Das DBB-Team verfügt in der Breite nicht über das Material, um die Absage einer kompletten Starting Five aufzufangen.
Was lief falsch während der EM-Quali?
Während der Qualifikation wirkte es so, also kämen die Kritiker aus allen Ecken und nähmen einen großen Einfluss auf die Mannschaft. Mitten win der Qualifikation stritt DBB-Präsident Info Weiss öffentlich mit Kritikern aus den Vereinen so wie Michael Stotschek über die angeblich mangelhaften Bedingungen.
"Ich sehe teilweise, wie die Spieler mit unakzeptablen Verfassungen aus der Qualifikation herausgehen. Wir werden Wochen brauchen, bis sie wieder auf normalem Leistungsniveau sind", äußerte sich Bamberg-Boss Stotschek noch während der Quali-Spiele. Bundestrainer Fleming deutete schon vor der Quali seinen Rückzug an, Ex-Bundestrainer Dirk Bauermann dagegen prangerte vor allem die Absagenflut an.
Alleine der Umgang mit Schröder offenbarte den insgesamt fehlenden Zusammenhalt. Schon vor der Qualifikation wurde der NBA-Spieler wieder als Buh-Mann dargestellt, obwohl er mehrfach betonte, dass er in Zukunft noch häufig für Deutschland auflaufen will und das Team sogar zum Auftakt gegen Dänemark von der Tribüne aus unterstützte.
Die Spieler wirkten verunsichert, es mangelte oftmals an Eingespielheit, Zusammenhalt und Selbstbewusstsein. Dass es insbesondere im Reboundduell und in der Defensive gegen, bei allem Respekt, Basketball-Zwerge wie Dänemark oder die Niederlande, häufig nicht stimmte, war bezeichnend. Was mit einer fokussierten und konzentrierten Leistung möglich ist, zeigte das finale Spiel gegen Oranje.
Was muss sich bis zur EuroBasket ändern?
Insgesamt müssen professionellere Strukturen geschaffen werden. Das bedeutet: Die Trainerfrage muss früh geklärt werden und die Trainingsbedingungen müssen verbessert werden, vielleicht braucht die Mannschaft auch einen eigenen Teammanager. Aussagen wie die von Bamberg-Boss Michael Stotschek, der die Betreuung seitens des DBB kritisiert, sind bedenklich.
Vor allem gilt es für den DBB aber an einem Strang zu ziehen und alle Störfeuer vom Team fernzuhalten. Es muss wieder darum gehen, die besten Spieler des Landes für die deutsche Nationalmannschaft zu begeistern und während der entscheidenden Spiele Ruhe zu bewahren. Dass sich das Team bis zur Europameisterschaft in irgendeiner Form einspielt, scheint angesichts des dichten Terminplans und der NBA-Auftritten von Schröder und Zipser eher unrealistisch.
Mit den Spielern müssen auch die Fans wieder begeistert werden. Generell hat das Team das Potenzial, um für Spektakel zu sorgen. Es steht außer Frage, dass die neue Generation an Spielern um Schröder und Zipser für einen neuen Hype sorgen könnten. Die Spieler der BroseBaskets messen sich mittlerweile auf höchstem europäischem Niveau.
All diese Spieler gilt es nun zu einer Einheit zu formen und zu überzeugen, dass sie den deutschen Basketball nach vorne bringen könnten. Das geht letztendlich nur über Erfolge oder starke Leistungen auf dem Feld, zumindest das haben auch die Handballer vorgemacht.
Die deutsche EM-Qualifikationsgruppe in der Übersicht