"Müssen uns vor dem NBA-Einfluss schützen"

Marko Pesic warnt vor den Entwicklungen in Europa und den USA
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SPOX: Mushidi spielt Champions League, Hartenstein EuroLeague, Sie spielen Eurocup. Ganz schön viele Wettbewerbe. Ist das gesund für den Basketball in Europa?

Pesic: Nein, ganz und gar nicht. Das ist eine schleichende Entwicklung, die wir seit zwei, drei Jahren beobachten. Die Verantwortlichen dahinter haben am allerwenigsten die Spieler im Kopf. Ich habe das Gefühl, dass es vielen Entscheidern nicht klar ist, dass ein Fan keine Karte kauft, um sie zu sehen, sondern dass es um die Spieler geht. Die Spieler sind das Kapital - und das muss geschützt werden. Das wird es aber nicht.

SPOX: Was läuft Ihrer Meinung nach falsch?

Pesic: Nun, die Entwicklung findet ja nicht nur hier statt. Blicken wir in die USA: Da war es vor nicht allzu langer Zeit noch Pflicht, dass ein College-Spieler volle vier Jahre in der NCAA bleiben musste, bevor er Profi werden konnte. Oder man hat es wie Kobe Bryant oder Kevin Garnett gemacht und ist direkt von der Highschool in die NBA gegangen, was aber eher ein Ausnahmefall war. Im Normalfall waren es vier Jahre, dann entweder aufhören, NBA oder Europa.

SPOX: Mittlerweile muss man ein Jahr am College absolvieren.

Pesic: Genau. Und so ein "One-and-Done"-Spieler kommt dann mit 18 Jahren in die NBA, mit einer häufig nur sehr rudimentären Ausbildung. Vergleichen wir das mit Zipser, der 22 Jahre alt ist und schon unglaublich viel Erfahrung auf hohem Niveau gesammelt hat - natürlich ist so jemand attraktiver für die NBA als ein völlig roher Amerikaner mit vergleichbarem Talent. Die Befürchtung ist, dass uns all diese Leute weggeschnappt werden, die wir ausgebildet haben. Das ist gefährlich für uns alle. Wenn sich die Leute, die in Europa etwas zu sagen haben, nicht zusammensetzen und gemeinsam arbeiten, dann sehe ich schwarz. Wir müssen uns vor dem Einfluss der NBA schützen, statt wie jetzt aktuell gegeneinander zu arbeiten. Das ist für mich das wichtigere Thema als die Champions League oder die EuroLeague.

SPOX: Schon in diesem Sommer war gewissermaßen eine Flucht von Europa in die USA zu sehen, weil in der NBA mehr Geld zur Verfügung stand als je zuvor. Sergio Rodriguez etwa wäre früher eher nicht gewechselt, oder?

Pesic: Nun, bei jemandem wie Rodriguez ist das ein ganz anderes Thema. Er hat in Europa alles gewonnen, er will sich nochmal in der NBA beweisen und verdient dabei gut - warum sollte er das in seinem Alter nicht tun? Er startet meistens bei den Sixers und hat eine relativ fixe Rolle. Das ist mit der Situation von Zipser, der aktuell um jede Minute kämpfen muss, ja nicht zu vergleichen. Wenn Rodriguez geht, schmerzt das meiner Meinung nach deutlich weniger.

SPOX: In Amerika wird derzeit über ein neues Collective Bargaining Agreement verhandelt, bei dem unter anderem der "Mindestlohn" für Spieler in der D-League angehoben werden soll. Was würde das für Europa bedeuten?

Pesic: Ich denke, dass die sogenannten "Borderline"-Spieler wie früher Malcolm Delaney es sich noch mehr überlegen würden, ob sie wirklich nach Europa gehen oder lieber drüben bleiben. Das würde den Europäern vielleicht sogar helfen, wenn sie sich dadurch im eigenen Verein nicht die Spielzeit mit Delaney teilen müssten, wobei ich nicht weiß, ob Delaney in der D-League so eine steile Karriere hätte hinlegen können wie bei uns und später in Russland. Es hilft aber nichts, wenn die europäischen Talente dann auch alle rüber wollen. Im Sinne des europäischen Basketballs ist es so: Wenn wir nicht aufpassen, werden wir alle zu einer unterklassigen D-League für die NBA.

SPOX: Das ist eine sehr düstere Vorstellung. Sie kennen ja viele der Entscheider in Europa: Ist es realistisch, dass in den nächsten Jahren so ein Umdenken stattfindet?

Pesic: Es muss passieren. Es gibt so viele Themen, die wir da besprechen müssen. Wenn jetzt beispielsweise die Nationalmannschaftsspiele stattfinden: Ich sehe es nicht ein, dass ich Spieler abstellen muss und die NBA nicht. Nicht, weil ich es falsch finde, dass während unserer Saison Länderspiele stattfinden, im Gegenteil. Aber warum soll ich Spieler abstellen, wenn die NBA das nicht muss? Da sind die FIBA und alle anderen Entscheider gefordert, Lösungen zu finden.

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