"Ich achte nicht auf Scouting Reports“

Linus Braunschweig
01. März 201713:30
Niklas Kiel spielt derzeit seine erste Saison in der BBLgetty
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Niklas Kiel ist einer der Hoffnungsträger im deutschen Basketball. Derzeit steckt er mitten in seiner ersten Bundesliga-Saison. Das Toptalent hat sich mit SPOX über die Umstellung auf die BBL, seine ersten Schritte als Vollzeit-Profi, den Vormarsch des deutschen Basketballs und die schwierige Saison seiner FRAPORT Skyliners unterhalten. Außerdem konkretisieren sich seine NBA-Pläne.

SPOX: Herr Kiel, beim letzten Interview mit uns haben Sie zwei Daten bzw. Ziele genannt: 2016 Abitur, 2019 NBA-Draft. Hat es mit dem Abi geklappt und bleibt es bei ihrem großen Plan?

Niklas Kiel: Es hat sich eigentlich nicht viel geändert. Das Eine ist geschafft. Ich habe mein Abi in der Tasche und will jetzt die Chance wahrnehmen, voll in den Profibasketball einzusteigen und mich komplett darauf konzentrieren.

SPOX: Das muss ich einfach fragen: Wie war der Abitur-Schnitt?

Kiel: 3,1 war es. Kein schönes Abi, aber es hat auf jeden Fall geklappt. Bestanden ist bestanden. (lacht)

SPOX: Dann wird es jetzt ja richtig ernst. Keine Schule mehr, dafür der Einstieg in den Profibasketball. Das ist doch bestimmt eine große Umstellung für einen 19-Jährigen, auf einmal Vollzeit-Profi zu sein und von der JBBL fast direkt in die Bundesliga zu wechseln. Wie war die Umstellung auf die BBL?

Kiel: Das Spiel ist schon deutlich schneller. Man spielt eben nicht mehr gegen jugendliche "Halbprofis", sondern gegen echte Männer und Profis, die davon leben. Am Anfang habe ich den Niveauunterschied schon gemerkt und mir ein bisschen schwer getan, doch mich dann relativ schnell daran gewöhnt. Außerdem liegt der Fokus woanders. Jetzt habe ich wirklich die Chance, mich den ganzen Tag auf Basketball zu konzentrieren und muss nebenbei nicht in die Schule. Das ist ein riesiger Vorteil, auch weil man sich mehr auf die kleinen Dinge wie die Ernährung fokussieren kann, um besser zu performen.

SPOX: Gehen wir einmal runter vom Parkett. Hat sich auch das Privatleben stark verändert? Haben Sie überhaupt noch Zeit für Freunde und Familie?

Kiel: Bei mir war es so, dass ich während der Schulzeit kaum Zeit für meine Freunde hatte. Jetzt kann ich zwischen den Trainings oder abends etwas mit ihnen unternehmen und muss mich nicht mehr um Schulsachen wie Hausaufgaben kümmern.

SPOX: Dann haben Sie jetzt mehr Zeit für Ihre Freunde als vorher?

Kiel: Komischerweise ja, mehr Zeit und mehr Kraft. (lacht) Viele meiner Kumpels sind derzeit aber eh im Ausland und auf Reisen. Mein bester Kumpel ist für ein Jahr in Neuseeland und genießt sein Leben richtig.

SPOX: Will man sich da nicht selber einen Rucksack schnappen, die Siebensachen packen und auf Reisen gehen?

Kiel: Wenn man so sieht, wo es alle so hin verschlägt, merkt man schon, was man verpasst. Ich reise ja auch viel und komme rum, aber das ist einfach was anderes. Vom Flugzeug aus die Städte zu sehen, ist eben nicht das Gleiche. Doch das gehört dazu und war mir von vorneherein klar.

SPOX: Zurück zu Ihren Zielen. Das Abitur ist gesichert, in der BBL haben Sie Fuß gefasst, dann ist das nächste Ziel die NBA?

Kiel: Die NBA habe ich immer noch vor Augen, doch wann ich mich genau zum Draft anmelde, steht natürlich noch offen. Klar ist: 2019 ist meine letzte Chance. Deswegen habe ich das immer im Hinterkopf.

SPOX: Also befassen Sie sich mit dem Gedanken, bereits 2017 oder 2018 zum Draft anzutreten?

Kiel: Das kommt ein bisschen darauf an, wie sich die Saison entwickelt. Ich mache mir da keinen Stress und denke eher in kleinen Schritten, von Saison zu Saison. Klar, die Möglichkeit, sich auch schon früher anzumelden besteht, doch da mache ich mir keinen großen Druck. Das ist noch relativ weit weg für mich.

SPOX: Die aktuelle Saison mit den FRAPORT Skyliners kann man als bisher enttäuschend bezeichnen, auch wenn die Mannschaft sich in den letzten Spielen ein wenig gefangen hat. Nach einer starken Saison letztes Jahr, belegt ihr Team derzeit mit 9 Siegen und 13 Niederlagen den elften Platz und würde nach jetzigem Stand nicht an den Playoffs teilnehmen. Was läuft falsch im Team?

Kiel: Das ist gerade echt eine schwierige Zeit, besonders wenn man die letzte Saison vor Augen hat. Wir haben unseren Kader relativ stark verändert. Mit AJ English, Antonio Graves, Isaac Bonga, Daniel Mayr und einigen anderen hatten wir viele Neuzugänge, während Danilo Barthel, Johannes Voigtmann und noch ein paar uns verließen. Wir spielen noch nicht sehr gut als Team zusammen und leben von vielen Einzelaktionen. Wenn es oft darauf hinausläuft, reicht es nicht, um Top-Teams wie Bayern oder Ulm zu schlagen. Wir müssen es hinbekommen, als Team gut zusammen zu spielen und daran arbeiten wir derzeit.

SPOX: Sie selbst spielen eine solide Saison, machen viel aus Ihrer Einsatzzeit, doch was können Sie noch besser machen?

Kiel: Coach sagt immer: 'Mach die einfachen Dinge, sodass du ins Spiel kommst'. Da hapert es manchmal. Ich glaube, mir ist es noch nicht gut gelungen zu rebounden, da muss ich auf jeden Fall weiter dran arbeiten. Das ist auch ein Knackpunkt als Team: Wir haben viele Probleme mit dem Rebound. Ich versuche, die Dinge zu machen, die dem Team helfen, dazu gehört eben das Verteidigen, Rebounden und natürlich auch ein bisschen das Scoren. Ich denke, da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben, nachdem ich nach meiner Verletzung noch nicht so richtig den Rhythmus wiedergefunden habe.

SPOX: Es gibt ein Ranking der besten internationalen Talente des Jahrgangs 1997- ihres Jahrgangs. Sie werden auf Platz 22 eingestuft und teils stark kritisiert. Achtet man auf solche Rankings und Scouting Reports?

Kiel: Ich würde nicht sagen, dass ich darauf achte, aber ich habe mir sowas auch mal angeschaut. Wenn man auf Platz 22 ist, merkt man schon, dass man noch viel Arbeit vor sich hat. Davon lasse ich mich nicht unterkriegen - schließlich weiß ich, was ich vor mir habe und noch erreichen will.

SPOX: Eines Ihrer Vorbilder, Giannis Antetokounmpo, war vor dem Draft auch nicht besonders hoch eingestuft. Gibt es noch andere Vorbilder? Immer noch Danilo Gallinari?

Kiel: Spielerisch sind nach wie vor "The Greek Freak" und Danilo Gallinari meine Vorbilder, aber ich finde auch Kristaps Porzingis von New York überragend. Ich denke, Paul Zipsers Weg ist ebenfalls etwas Besonderes. Er zeigt, dass mit viel Motivation und Wille alles möglich ist.

SPOX: Bei Zipser merkt man gerade, dass es - auch wenn man im Draft ausgewählt wurde - immer noch schwer ist, sich in der NBA zu etablieren. Trotzdem hat er es geschafft und durfte mittlerweile sogar öfters starten. Zwischendurch musste er allerdings auch mal in der D-League ran...

Kiel: Ich glaube, das gehört heutzutage in der NBA dazu. Das war 2013 bei Dennis Schröder genauso. Er hat damals einige Spiele in der Developement League gemacht und eben gute Leistungen hingelegt - genau wie Zipser. Nur weil man gedraftet wurde, ist man noch lange nicht in der NBA angekommen, man muss weiter hart arbeiten.

SPOX: Also ist der Draft erst der Anfang?

Kiel: Jein. Ich würde eher sagen, dass der Weg noch nicht zu Ende ist. Auch wenn man es bis dahin geschafft hat, liegt weiterhin ein langer Weg vor dir. Als Spieler muss man es erstmal schaffen, Fuß zu fassen.

SPOX: Es gibt immer mehr Deutsche, die es in die NBA schaffen oder zumindest eine Zeit lang dort verbringen. Würden Sie die These unterschreiben, dass deutscher Basketball mit Talenten wie Ihnen, Schröder, Zipser, Mushidi und Hartenstein auf dem Vormarsch ist?

Kiel: Auf jeden Fall! Das ist mir schon in der Bundesliga aufgefallen. Es sind immer mehr junge, deutsche Spieler in der BBL, mit denen man sich versteht und die man teilweise schon aus der Nationalmannschaft kennt. Als Beispiel fallen mir Oldenburgs Jan Niklas Wimberg oder Marcel Keßen und Jonas Grof ein, die vor kurzem noch bei Hagen waren. Mit denen bin ich auch befreundet.

SPOX: Mit einigen der Jungs haben Sie ja bereits in der Jugend-Nationalmannschaft zusammengespielt, wie wäre es für Sie, mit ihnen in der A-Mannschaft zu spielen?

Kiel: Die A-Nationalmannschaft ist für jeden Jugendnationalspieler das Ziel und ich glaube, dass alle hochmotiviert sind, das zu erreichen. Es wäre auf jeden Fall eine coole Sache.

SPOX: Wie waren denn die Erfahrungen in der Jugend-Nationalmannschaft? Für Sie war die U18-EM ja eher ein schwieriges Turnier.

Kiel: Es war insgesamt eine sehr gute Erfahrung und ich würde es sofort wieder machen. Man kann sich jeden Sommer mit den anderen europäischen Talenten vergleichen und abchecken, wo man steht. Auch wenn ich keine "Mörder-EM" hingelegt habe, kann ich viel daraus ziehen. Man kann sich von den anderen Spielern auch ein bisschen abschauen, wie sie trainieren und auftreten, etc.

SPOX: Wollen Sie irgendwann dann mit Schröder in der FIBA-WM spielen?

Kiel: Seite an Seite mit Dennis zu spielen, ist für jeden deutschen Basketballer ein Traum. Alle schauen zu Schröder auf! Wenn man mal mit ihm zusammenspielen könnte, vielleicht auch in der NBA, wäre das etwas Großes.

Niklas Kiel im Steckbrief