SPOX: Herr Korner,nach der deutlichen Niederlage im Topspiel gegen Alba Berlin standen die Vorzeichen vor dem Hinspiel im Champions-League-Achtelfinale gegen Besiktas Istanbul alles andere als gut. Wie haben Sie Ihr Team wieder in die richtige Spur gebracht?
Raoul Korner: Es war niemand von uns zufrieden mit der dargebotenen Leistung. Wir haben viele unserer Werte vermissen lassen. Den eigentlich freien Tag danach haben wir gestrichen und eine lange Videositzung gemacht. Nach einer sehr offenen Aussprache waren wir uns alle einig, dass wir jetzt nicht in diese Schiene abdriften dürfen. Wir haben alle Mist gebaut, da nehme ich mich aus der Kritik nicht aus.
SPOX: Eine solche Selbstreflexion setzt starke Charaktere in der Mannschaft voraus. Wie stark achten Sie bei der Verpflichtung von neuen Spielern auf diese Eigenschaften?
Korner: Ich denke, dass ich dafür bekannt bin, auf den Charakter eines Spielers genauso viel Wert zu legen wie auf seine spielerischen Fähigkeiten.
SPOX: Wie sieht das in der Praxis aus?
Korner: Ich zapfe alle Quellen an. In Zeiten des Internets geht das ja ganz leicht. Ich schaue mir zum Beispiel auch die Social-Media-Accounts an, um mir einen Eindruck zu machen, wie ein Spieler tickt. Natürlich geht es um das persönliche Gespräch, das ist auch ein wichtiger Punkt. Aber ich habe auch ein großes Netzwerk an Kontakten, das mir hilft, Dinge über Spieler herauszufinden und sie so besser einzuschätzen.
SPOX: Im Rückspiel in Istanbul wird erneut Charakter gefragt sein. Wie wollen Sie das Spiel angehen, um zu bestehen und das Viertelfinale zu erreichen?
Korner: Das Wichtigste ist, auf Sieg zu spielen. Es wird aber eine Mammutaufgabe. Besiktas verfügt über sehr viel Erfahrung und Klasse. Wenn ich es aber jemandem zutraue, dort zu gewinnen, dann meiner Mannschaft. Ich glaube, dass wir für eine Überraschung gut sind und auch die mentale Stärke haben, um dort zu bestehen.
Raoul Korner über seine Arbeitsweise und Ambitionen
SPOX: Allein die Tatsache, dass Sie sich für die Champions League qualifiziert haben, war vergangene Saison eine große Überraschung. Bereits kurz nach Ihrem Amtsantritt sagten Sie, ihr Ziel sei es, ständig zu "overperformen". Wie nah sind Sie derzeit am Limit?
Korner: Man will das eigene Limit ja nie richtig wahrhaben. Wenn einem die Grenzen aufgezeigt werden, ist das sehr unangenehm - da wären wir wieder beim Spiel gegen Berlin. Ich denke, dass wir aus unseren Möglichkeiten sehr viel rausholen. Wir haben als Organisation schon ein sehr starkes Team zusammengestellt, aber wir laufen noch nicht auf 100 Prozent. Gegen Frankfurt in der Pokal-Qualifikation hat man mal gesehen, was passieren kann, wenn alles und alle funktionieren. Als Trainer ist man immer auf der Suche nach dem perfekten Spiel. Wir holen schon sehr viel raus, haben aber immer noch Potenzial.
SPOX: Andere Klubs verfügen über deutlich größere finanzielle Mittel als Bayreuth. Was wird derzeit in Bayreuth besser als bei der Konkurrenz gemacht?
Korner: Das ist immer schwer zu sagen. Ich denke, dass wir es geschafft haben, eine Identität aufzubauen. Es ist uns gelungen, Spieler zu finden, die diese Identität verkörpern und diese Gemeinschaft nutzen. Wenn ein Team funktioniert, ist viel möglich. Das Gesamte muss mehr sein als die Summe der Einzelteile, dann kann man von Overperfomance sprechen. Das gelingt uns wie gesagt ganz gut. Es geht um Zusammenhalt und harte Arbeit.
medi Bayreuth - Die letzten fünf Spiele
Datum | Wettbewerb | Spiel | Ergebnis |
17.02.18 | Top Four | medi Bayreuth - Alba Berlin | 74:96 |
18.02.18 | Top Four | ratiopharm Ulm - medi Bayreuth | 81:79 |
03.03.18 | BBL | Alba Berlin - medi Bayreuth | 100:86 |
07.03.18 | Champions League | medi Bayreuth - Besiktas Sompo Japan Istanbul | 81:76 |
09.03.18 | BBL | medi Bayreuth - Basketball Löwen Braunschweig | 84:62 |
SPOX: Inwieweit spielt auch die Infrastruktur eine Rolle, die unter Ihnen noch mehr Beachtung gefunden hat?
Korner: Das greift ja alles ineinander. Es ist ein Puzzle, das es zusammenzusetzen gilt. Da ist die Mannschaft ein sehr wichtiger Teil, aber es gibt auch die Randstücke, wozu die Infrastruktur gehört. Wir haben zum Beispiel einen Physiotherapeuten und einen Athletiktrainer in Vollzeit dabei . Das war vor meiner Zeit nicht so. Das hat viel Überzeugungsarbeit gekostet, aber wenn man nach 20 Jahren wie wir in der vergangenen Saison erstmals wieder in die Playoffs will, muss man eben auch etwas ändern. Ich wurde aber letztendlich in allem unterstützt, was ich wollte. Auch das ist ein Grund für den Erfolg. Jeder im Umfeld zieht voll mit.
SPOX: Ist das ein Unterschied zu ihrem Ex-Klub Braunschweig?
Korner: Jetzt zu sagen, dass die Leute in Braunschweig keinen guten Job machen, liegt mir fern. Was mir dort gefehlt hat, war die Perspektive und der Ehrgeiz, zu wachsen und über den Status Quo hinauszudenken. Man war zufrieden damit, wo man stand, aber es gab diese Ambitionen nicht, mehr zu wollen. Solche Ambitionen brauche ich aber. Das ist in Bayreuth stärker ausgeprägt.
SPOX: Können Sie auch dank dieser Ambitionen Spieler nach Bayreuth locken?
Korner: Die Argumente sind vielfältig. Dieser Anspruch mit dem Motto "Heroes of Tomorrow", den wir in Bayreuth haben, ist mittlerweile mit Leben gefüllt. Bayreuth ist ein guter Ort für einen Spieler, um sich zu entwickeln und gleichzeitig dem Klub und der Mannschaft zu helfen. Wenn es gelingt, diese Win-Win-Situation zu schaffen und man dann auch noch den einen oder anderen Routinier in seine Reihen bekommt, dann passt die Mischung.