2. Big-Ball muss nicht alternativlos sein
Vor der Theis-Verletzung (und der Rückholaktion von Kratzer und Schilling) hatte Herbert angekündigt, noch zwei kleine Spieler streichen zu wollen, und damit Wohlfahrt-Bottermann gewissermaßen den Platz als zwölften Mann in Aussicht gestellt. Nun ist Jallow weg, von Giffey, David Krämer und Justus Hollatz würden demnach wohl nur zwei den finalen Kader erreichen.
Es stellt sich nur die Frage, ob das angesichts der personellen Situation wirklich ratsam ist. Mit zwei Bigs zu spielen, ist die eine Sache, wenn diese Theis, Thiemann und Voigtmann heißen. Die anderen Kombinationen wirkten insbesondere gegen Serbien oft offensiv harmlos und defensiv nicht mobil genug, zu häufig taten sich riesige Lücken auf.
Vielleicht sollte die Alternative lauten, eher klein zu spielen und auf Geschwindigkeit und Variabilität zu setzen. Giffey oder auch Franz Wagner können durchaus auf der Vier eingesetzt werden, das würde es auch ermöglichen, dass Dennis Schröder und Maódo Lô möglichst viel Zeit gemeinsam auf dem Court verbringen können.
Sicherlich bringt das defensive Herausforderungen mit sich, aber nach dem Personalschwund auf den großen Positionen könnte Deutschland seine verbliebenen Stärken so vielleicht am besten zum Tragen bringen. Zumindest offensiv hätten Lineups wie beispielsweise Schröder, Lô, Wagner, Giffey und Voigtmann großes Potenzial.
Natürlich wäre das eine späte "Neuerfindung" in dieser Vorbereitung ... aber in gewisser Weise muss diese ja notgedrungen sowieso erfolgen.
3. Dennis Schröder ist unverzichtbar
Aufatmen konnte man immerhin bei Dennis Schröder, der sich kurz vor Ende des Tschechien-Spiels verletzte und gegen Serbien nur in Zivilkleidung zusehen konnte. Schröder hat eine Knochenprellung erlitten, die ihn zwar für einige Tage pausieren lassen ("im besten Fall drei bis vier Tage"), aber wohl nicht das Turnier kosten wird.
Wie wertvoll und wichtig Schröder für die deutsche Mannschaft ist, zeigten beide Spiele des Supercups. Selbst wenn er nicht selbst scort, ist er derjenige, der oft die Aufmerksamkeit auf sich zieht, der die Maschinerie durch seine Penetration anschiebt, der die Defensive zum Kollabieren bringt.
Es bleibt immens wertvoll, dass im europäischen Basketball kein Gegenspieler vor ihm bleiben kann. Damit sorgt er für Überzahlsituationen, von denen eine Mannschaft zehren kann, die nicht reich ist an individueller Shotcreation. Und er ist in der Lage, an die Freiwurflinie zu kommen ... was gegen Serbien über 38 Minuten kein Deutscher schaffte.
"Wir haben ihnen von Anfang an zu viel Respekt gegeben. Wir haben sie nicht attackiert, wir haben ein wenig klein bei gegeben", sagte Herbert. "Sie waren einfach deutlich physischer als wir." Das deutsche Team wirkte einige Male tatsächlich eingeschüchtert, fast ängstlich.
Und Schröder ist zwar bisweilen ein streitbarer Spieler - ängstlich sein ist aber ein Vorwurf, dem man ihm noch nie machen konnte. Das Team braucht seinen neuen Kapitän, aus vielen Gründen, aber nicht zuletzt deshalb, weil er das Leben auch Spielern wie Lô oder Wagner so viel leichter machen kann.
4. Franz Wagner ist bereit
A propos Wagner. Der 20-Jährige hatte nach 23 Punkten gegen Belgien und 26 gegen Tschechien individuell seinen ersten Dämpfer gegen die Serben, die gerade ihn sehr physisch verteidigten und über weite Strecken aus dem Spiel nahmen (5 Punkte). Das Fehlen von Schröder spielte sicherlich auch hier eine Rolle, dadurch konnte schließlich noch mehr Druck auf Wagner aufgebaut werden.
Dennoch: Der Forward hat bereits angedeutet, dass er einer der Breakout-Stars der EM werden kann. Mit welchem Selbstverständnis er sich bewegt, wie abgeklärt er spielt, wie sauber sein Wurf aussieht und wie athletisch er ist - das alles hebt Wagner ab, gegen Tschechien war der jüngste Spieler recht eindeutig der beste auf dem Court.
Wagner kann punktuell für sich selbst oder andere kreieren, Pick'n'Rolls laufen oder auch isolieren - noch eindrucksvoller ist bisweilen aber sein Off-Ball-Spiel, sein Gespür für den Cut im richtigen Moment. Spieler wie Schröder oder auch Voigtmann dürften ihn immer wieder in Szene setzen können, so kann Wagner schon beim ersten großen Turnier eine richtige Waffe werden.
Bei allem Argwohn zum jetzigen Zeitpunkt: Das sollte Hoffnung machen.