Nach sieben Jahren steht die DBB-Auswahl wieder vor einer EM im eigenen Land. Im Interview mit SPOX spricht Bundestrainer Gordon Herbert über die hohen Ziele des Teams, den neuen Kapitän Dennis Schröder und die Einbürgerung von Bayern-Star Nick Weiler-Babb.
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Mr. Herbert, Sie sind nun mit dem Team seit zwei Wochen in der Vorbereitung auf die WM-Qualifikation und die EM im eigenen Land. Es gab zwei knappe Siege in Belgien und den Niederlanden. Auf welchem Level befindet sich das Team?
Gordon Herbert: Wir hatten erst fünf richtige Trainingstage, dazwischen war auch noch ein bisschen Pause. Wir sind in einer Phase, in der wir einiges ausprobieren und ständig versuchen, etwas Neues hinzuzufügen. Es ist ein Prozess, damit wir jeden Tag besser werden und als Team zusammenwachsen.
Was ist Ihre Vision mit diesem Team? Wie soll das DBB-Team spielen, wenn in einer guten Woche die Pflichtspiele anstehen?
Herbert: Hoffentlich sind wir ein verschworener Haufen, der auf dem Feld wie ein Team auftritt. Wir wollen tough sein, physisch spielen. Wir wollen das Spiel so spielen, wie es richtig ist. Wir wollen den Ball teilen, gute Abschlüsse generieren und hoffen, dass dies die Zuschauer anspricht, damit der Funke überspringt.
DBB-Präsident Ingo Weiss fordert seit Jahren, dass bei der Heim-EM zwingend um eine Medaille gespielt, also das Halbfinale erreicht werden muss. Wie realistisch ist das für Sie, auch im Hinblick auf die Hammergruppe mit Frankreich, Litauen und Slowenien?
Herbert: Ich habe es bereits bei meiner Vorstellung gesagt und dazu stehe ich weiter: Das Ziel ist eine Medaille. Wir wissen natürlich, dass es schwer wird, aber das ist bei diesem Turnier völlig normal. In Europa gibt es zwölf bis 14 Teams, die richtig gut sind und Ansprüche erheben können. So ist es nun einmal, Europa ist der am härtesten umkämpfte Kontinent auf der Welt, was den Basketball betrifft. Trotz allem, das Ziel bleibt eine Medaille.
imago imagesIn Richtung Medaille schielte die DBB-Auswahl auch vor drei Jahren bei der WM, viele sahen das tiefste Team aller Zeiten. Am Ende stand das Aus in der Vorrunde. Warum wird das diesmal anders?
Herbert: Wir sollten aber auch nicht vergessen, dass sich die Mannschaft im vergangenen Jahr bei Olympia richtig gut verkauft und das Viertelfinale erreicht hat. Ich kann mich an dieser Stelle nur wiederholen. Der Schlüssel ist es, dass wir ein gut funktionierendes Team stellen müssen. Und dann kann unsere individuelle Klasse den Unterschied machen. Wenn wir aber nur Einzelspieler sind, dann wird es nicht funktionieren. Wir haben gute Einzelspieler und wenn wir dann noch als Mannschaft spielen, dann muss die anvisierte Medaille kein Traum bleiben.
In den vergangenen Wochen mussten Sie dennoch Absagen von den verletzten Moritz Wagner, Isaac Bonga und dem pausierenden Maxi Kleber hinnehmen. Inwieweit hat das Ihre Pläne ein wenig über den Haufen geschmissen?
Herbert: Das ändert natürlich einiges, vor allem weil Isaac und Moritz gewisse Fähigkeiten haben, die diesem Team geholfen hätten. Das ist ärgerlich, aber wir können es nicht ändern. Wir müssen mit den Spielern arbeiten, die beim Team sind, für Deutschland spielen wollen und gesund sind. Nun ist es an mir, das Beste aus diesen Spielern zu machen. Ich freue mich über jeden Spieler, der sich der Aufgabe verschrieben hat und beim Team ist.
"Commitment" ist eines der Wörter, welches Sie seit Ihrem Antritt beim DBB oft benutzt haben. Was bedeutet das nun für jemanden wie Kleber, der sich gegen ein solches Commitment im Sommer entschieden hat. Ist er dennoch weiter eine Option, zum Beispiel für die WM, wenn man sich qualifiziert?
Herbert: Mein Fokus liegt auf den Spielern, die bei der Mannschaft sind. Zur Situation von Maxi möchte ich im Moment nichts sagen.
Anders sieht es bei Dennis Schröder aus, der erneut zur Verfügung steht und nun der neue Kapitän des Teams ist. Welche Eindrücke haben Sie von ihm gewonnen? Wie sah die Kommunikation aus?
Herbert: Ich habe ihn erstmals im vergangenen September besucht und seither stehen wir in Kontakt. Es war gut, dass er schon im dritten Länderspielfenster im Juni mit dabei war. So konnten wir uns ein wenig besser kennenlernen. Er macht seine Sache großartig, sowohl auf als auch neben dem Feld und ist ein guter Anführer.
Es gab immer wieder Stimmen, dass das Team mit Schröder etwas zu abhängig von ihm war. Wie haben Sie das gesehen und wie gedenken Sie ihn einzusetzen?
Herbert: Dennis ist einer unserer besten Spieler und natürlich brauchen wir unsere besten Spieler, wenn wir eine Medaille gewinnen wollen. Wir brauchen ein Team, aber wir brauchen auch individuelle Klasse und die hat Dennis unbestritten. Wie das in den Jahren zuvor war, kann ich nicht sagen, weil ich nicht da war.
Das ist wahr, allerdings lässt sich nicht abstreiten, dass Schröder weiter eine polarisierende Figur im deutschen Basketball ist. Finden Sie das fair?
Herbert: Dazu kann ich nicht viel sagen, weil er in der Zeit, in der ich mit ihm gearbeitet habe, ein echtes Vorbild war. Er trainiert unheimlich hart, unterstützt seine Mitspieler, wo er nur kann und unterstützt unseren Kurs zu 100 Prozent. Ich kann nichts Negatives über ihn sagen.
Gleichzeitig ist Schröder weiter Free Agent. Kann das ein Problem im Verlauf der kommenden Wochen werden?
Herbert: Nein, ich denke eher, dass es zeigt, wie sehr er für Deutschland spielen möchte. Eine Absage wäre für ihn der leichteste Weg gewesen, weil er eben noch keinen Vertrag und kein neues Team hat. Er ist aber bei uns und das sagt viel über seinen Charakter und seine Verbundenheit zum Land aus.
Der Kader für den DBB Supercup
Point Guard | Shooting Guard | Small Forward | Power Forward | Center |
Dennis Schröder | Nick Weiler-Babb | Franz Wagner | Daniel Theis* | Johannes Voigtmann |
Maodo Lo | Andreas Obst | Karim Jallow | Christian Sengfelder | Johannes Thiemann |
Justus Hollatz | David Krämer | - | Niels Giffey | Jonas Wohlfarth-Bottermann |
- | - | - | Gavin Schilling | Leon Kratzer |
* pausiert beim Supercup wegen Belastungssteuerung
Eine neue Komponente ist Franz Wagner, der endlich der benötigte Schlüsselspieler auf dem Flügel sein könnte.
Herbert: Franz war einer der besten Rookies in der NBA und hat eine überragende Saison gespielt. Er hat richtig Lust und will sein Land unbedingt vertreten. Wir haben hohe Erwartungen an ihn, auch weil er klar im Kopf ist und gut zu uns passt. Er ist vielseitig einsetzbar, kann für uns als Guard oder eben als großer Forward auflaufen. Dazu kommt, dass er mit dem Ball etwas anfangen kann und auch ein guter Schütze ist. Solche Typen braucht jedes Team.
Ein anderer Neuer ist Nick Weiler-Babb, der erst vor wenigen Wochen den deutschen Pass erhalten hat und vor allem neben Schröder als Two-Way-Guard wertvoll werden könnte. Wie war da der Prozess?
Herbert: Vor rund sechs Monaten haben wir uns erstmals ernsthaft mit ihm beschäftigt. Er hat deutsche Vorfahren und wir haben einfach mal gefragt, ob überhaupt Interesse besteht. Das war der Fall und nun ist er Teil unserer Gruppe. Dass es letztlich so lange gedauert hat, lag an einem Problem bei Nick in der Familie, weswegen er das Land verlassen musste. Er ist am Donnerstag zum Team gestoßen.
Also werden wir ihn beim Supercup womöglich ein paar Minuten sehen?
Herbert: Das kann sein, aber es ist natürlich schwer für ihn, sich da sofort zu integrieren.
Gleichzeitig müssen Sie aber auch noch zwei Spieler nach Hause schicken. Kann man davon ausgehen, dass Weiler-Babb im Kader bleibt, obwohl Sie ihn kaum im Training sehen konnten?
Herbert: Sicher weiß ich das noch nicht, aber ich gehe davon aus. Wir alle haben in unserem Leben Prioritäten und wenn es in der Familie ein Problem gibt, dann muss man respektieren und verstehen. Wir haben das getan und wäre auch bei jedem anderen Spieler der Fall gewesen.
Auf der anderen Seite wurde mit Robin Benzing vor wenigen Tagen der langjährige Kapitän aus dem Kader gestrichen. In der Szene wurde das kritisch gesehen, auch weil Benzing viele Jahre jeden Sommer zur Verfügung stand ...
Herbert: Es war eine der härtesten Entscheidungen, die ich in meinem Leben als Coach treffen musste. Robin war in den Quali-Spielen immer dabei und war sogar beim Team im Juni, als er verletzt war. Wir standen stets in Kontakt und das hat es für mich schwer gemacht. Ich wusste, dass er unbedingt seine Nationalmannschaftskarriere mit der Heim-EM beenden wollte, aber er war bis vor kurzem auch zwei Monate verletzt. Er hat alles versucht, um fit zu werden, aber leider hat es am Ende nicht für ihn gereicht. Ich musste eine Entscheidung treffen, die aus sportlicher Sicht das Beste für das Team war. Sie können mir glauben, wenn ich sage, dass ich mir nichts lieber gewünscht hätte, als einen fitten Robin Benzing in meinem Team. Als Coach muss man aber leider aus menschlicher Sicht harte Entscheidungen treffen.
Wie sieht es bei Ihnen persönlich aus? Wie groß war die Umstellung für Sie? Sie sind in über 25 Jahren Coaching kein Vereinstrainer mehr.
Herbert: Ich habe auch Georgien und Kanada gecoacht, aber das ist wirklich das erste Mal, dass ich "nur" ein Nationaltrainer bin. Ich war es gewohnt, jeden Tag zu arbeiten, in der Halle zu sein und mit meinen Spielern in Kontakt zu stehen. Das war schon eine gewaltige Umstellung für mich. Jetzt coache ich zwei Spiele im Februar und muss dann bis Juni warten.
Abschließend: Ob Medaille oder nicht: Wann würden Sie sagen, dass Ihre Mannschaft ein gutes Turnier gespielt hat?
Herbert: Es ist wichtig, dass sich eine Identität herauskristallisiert. Wir wollen einen bestimmten Stil spielen, welchen die Fans wahrnehmen und unterstützen. Tough, selbstlos, zusammen - das sind Dinge, auf welchen unsere Identität basieren soll.
DBB: Der Fahrplan bis zur EuroBasket
Datum | Uhrzeit | Gegner | Wettbewerb | Ort |
19. August | 20.30 Uhr | Tschechien | DBB Supercup | Hamburg |
20. August | tba | Serbien/Italien | DBB Supercup | Hamburg |
25. August | 18.30 Uhr | Schweden | WM-Qualifikation | Stockholm |
28. August | 15 Uhr | Slowenien | WM-Qualifikation | München |
1. September | 20.30 | Frankreich | EuroBasket | Köln |