Die deutsche Mannschaft ist mit einem 76:63-Sieg über Frankreich in die EuroBasket 2022 gestartet. Während der Kapitän sich noch zurückhält, überragt vor allem die Defense - und Schröders Stellvertreter. Die Erkenntnisse zum Spiel.
1. DBB: Defense wins ... Auftaktspiele
"Frankreich nur 63 Punkte, das ist unglaublich", staunte Daniel Theis nach dem Sieg. Richtigerweise. Zwar gelten die Franzosen noch mehr aufgrund ihres defensiven Potenzials als einer der Turnierfavoriten, auch offensiv ist in der von NBA-Spielern gespickten Equipe Tricolore jedoch viel Klasse vorhanden. Es war aber nur sehr wenig davon zu sehen - woran die deutsche Mannschaft tatsächlich einen sehr großen Anteil hatte.
Angefangen bei der sehr aggressiven Point-of-Attack-Defense, über die Kommunikation bei den Switches bis zum Ende der defensiven Possessions, also den Rebounds, agierte das DBB-Team hochkonzentriert und erlaubte sich sehr wenige Fehler. Frankreich suchte vergeblich nach Lücken, oft über 24 Sekunden, und bekam dann am Ende nur einen Notwurf los. Oder es segelte ein Pass zum Gegner, oder es rannte jemand in ein Offensivfoul. 17 Ballverluste wurden insgesamt notiert, gefühlt war das sogar noch wenig.
"Unsere Haltung am defensiven Ende war herausragend", lobte Bundestrainer Gordie Herbert nach dem Spiel, und Johannes Thiemann ergänzte: "So wollen wir definiert werden, als defensives Team, das mit viel Einsatz und Energie und Leidenschaft spielt. Heute haben wir das gebracht. Mit so einer Defense können wir auch schwache offensive Phasen kompensieren."
gettyBeeindruckend war dabei vor allem, wie sehr das Team an einem Strang zog, gerade im Vergleich mit den Franzosen. Es gab schließlich nicht viele Möglichkeiten, sich defensiv miteinander einzuspielen, das verhinderten ja schon die Ausfälle. Doch das gesamte Team wirkte defensiv sehr engagiert, die Kommunikation passte, und den Franzosen wurden konsequent ihre Stärken genommen.
Rudy Gobert wurde kaum als Rim-Runner eingesetzt, fast nie konnte er ganz tief bedient werden. Evan Fournier erhielt kaum Platz für seine Pullups. Auf alles, was die Franzosen versuchten, waren die Deutschen in der Regel vorbereitet. Frankreich sah offensiv sehr schwach aus, aber das hatte eben auch viel mit der Mannschaft auf der Gegenseite zu tun.
2. DBB: Es geht auch ohne Sahnetag von Schröder
Deutschland wiederum erwischte offensiv keinen Sahnetag. Vieles funktionierte zwar, aber der Dreier fiel beispielsweise eher schwach (10/32, 31 Prozent), und auch Deutschlands bester Scorer erwischte individuell kein gutes Spiel. Dennis Schröder brauchte für 11 Punkte 14 Würfe (4 Treffer), aus der Distanz ging gar nichts. Er verlor zudem fünfmal den Ball. Seine Defense war phasenweise sehr gut, die Offense aber hatte viel Luft nach oben.
Und trotzdem gewann Deutschland zweistellig gegen ein Top-Team ... das sollte Hoffnung machen. Das DBB-Team demonstrierte, wie tief und vielseitig es aktuell daherkommt, und auch das passierte nicht durch die Spieler, die man hätte erwarten können. Andi Obst punktete gar nicht, Franz Wagner oder Johannes Voigtmann erreichten keine Double Figures. Es war die Bank, die in diesem Spiel offensiv den Großteil der Last übernahm.
In der ersten Halbzeit zeichnete sich dabei vor allem Thiemann aus. Es war vielleicht die wichtigste Szene des Spiels, als er gegen Ende des ersten Viertels den Drive gegen Rudy Gobert auspackte und diesen beim And-1 sein zweites Foul anhängte - Frankreichs Defense war in den Minuten ohne den Wolves-Star um Welten schwächer als mit ihm.
In der zweiten Hälfte waren es dann in erster Linie der bärenstarke Maódo Lô sowie Niels Giffey, die offensiv Verantwortung übernahmen, Würfe trafen und in Lôs Fall auch vorbereiteten. Insgesamt erzielten die Bankspieler 48 der 76 Punkte Deutschlands. "Wir sind sehr tief und können alle zocken", erklärte Thiemann. Diese Partie belegte das eindrucksvoll, jeder eingesetzte Spieler leistete seinen Beitrag zu diesem Erfolg.
Schröder natürlich auch. Selbst wenn er in der Schlussphase zeitweise am meisten damit beschäftigt war, Lô von der Bank aus zuzujubeln, hatte er vermutlich auch das Highlight des Spiels, als er mit einer simplen Drehung zwei Verteidiger (darunter Gobert) ins Leere schickte und per Drive für die endgültige Entscheidung sorgte.
Und der Kapitän dürfte in anderen Spielen auch wieder mehr als Scorer gefragt sein. Dass es auf diesem Niveau aber auch ohne Schröder-Explosion ging, war ein sehr gutes Zeichen - auch für ihn selbst. "Das war eine optimale Teamleistung", sagte Schröder. "Das einzige, was hier zählt, ist ein Sieg. Ob ein Wurf reingeht oder nicht, das kannst du nicht kontrollieren. Das darf dich auch nicht jucken, als Leader musst du trotzdem vorangehen."
3. DBB: Der nächste deutsche NBA-Spieler ist Maódo Lô
Auch zu diesem Thema hatte Schröder eine eindeutige Meinung. "Maódo ... ich glaube, ich habe noch nie so einen lieben Kerl kennengelernt. Er ist der nächste Deutsche, der noch in die NBA kommt", sagte Schröder über den von der FIBA ernannten offiziellen Spieler des Spiels. Warum auch nicht, nach diesem Auftritt.
Lô hatte in der Vorbereitung wechselhafte Spiele gezeigt, gegen Frankreich war der Berliner in der zweiten Hälfte eindeutig der beste Spieler auf dem Court. Über die gesamte Partie leistete er sich keinen einzigen Ballverlust, obwohl er viele Scoring- und Playmaking-Aufgaben übernahm, und dabei durchaus sehr risikofreudig agierte.
Lô veränderte immer wieder sein Tempo, schickte die gegnerische Defense per Hesitation-Dribble oder Crossover ins Leere, traf seine Würfe und hatte das Auge für den freien Mitspieler - es war eine Point-Guard-Masterclass. "Er ist ein sehr kreativer Spieler", sagte Wagner. "Er bringt Ruhe rein, aber auch gleichzeitig so etwas Verspieltes, was einem immer Energie gibt." Giffey bezeichnete es als "Spice". Wie auch immer man es nennt, Lô demonstrierte viel davon.
Ob er deshalb wirklich bald in die NBA wechseln wird, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Einer der besten Guards in Europa ist er mittlerweile, das betonte auch Herbert. Um in die NBA zu gehen, gehört bekanntlich aber auch noch etwas mehr dazu. "Maódo ist jetzt 29 Jahre alt, aber man weiß ja nie, was passiert", sagte Herbert.
Es ist im Prinzip auch unerheblich. Deutschland hat nicht nur einen dynamischen Guard, der an guten Tagen vom Gegner nicht zu stoppen ist. Das haben nicht allzu viele Teams.
EuroBasket 2022: Die Tabelle der Gruppe B
Platz | Team | Bilanz | Differenz |
1 | Deutschland | 1-0 | +13 |
2 | Bosnien-Herzegovina | 1-0 | +10 |
3 | Slowenien | 1-0 | +7 |
4 | Litauen | 0-1 | -7 |
5 | Ungarn | 0-1 | -10 |
6 | Frankreich | 0-1 | -13 |