"So wird das nicht reichen", schrieben wir noch nach dem Japan-Spiel über die Leistung der Deutschen im Hinblick auf die Partie gegen Australien - nach einem Erfolg mit 20 Punkten.
So ist das, wenn die Erwartungen höher als in der Vergangenheit sind, eben auch, weil man weiß, wozu dieses Team in Bestform im Stande ist. Und wie gut der DBB sein kann, zeigte er gegen Australien - auch ohne den verletzten Franz Wagner, der seinen 22. Geburtstag an der Bank feiern musste.
"Franz hat nicht gespielt, das muss die Mannschaft kompensieren", analysierte Maodo Lô nach der Partie und traf damit den Nagel auf den Kopf.
Basketball-WM 2023: Deutschland siegt im NBA-Playoff-Style
Deutschland war hervorragend gegen dieses schwierige Matchup eingestellt. Natürlich gab es Dürreperioden, das ist gegen diese australische Defense aber unvermeidbar. Fragt nur mal bei Lauri Markkanen und den Finnen nach, die in der zweiten Halbzeit zum Auftakt gegen die Boomers nur noch 32 Zähler verbuchten. Matisse Thybulle, Dante Exum, Josh Green - das sind auch auf NBA-Niveau starke Flügelverteidiger plus ein Xavier Cooks, der wie angegossen in die australische Defense passt.
Australien wurde zu Beginn eiskalt erwischt (8:0-DBB-Start), fing sich aber, indem es versuchte, vor allem Schröder mit verschiedenen Strategien den Rhythmus zu nehmen. Mal war es die Ganzfeldpresse, mal das aggressive Doppeln - meist wurde aber geswitcht, um Schröders Penetration einzudämmen. Und das gelang auch. Die bekannte Combo "Schröder auf Theis", das Bread-and-Butter-Play der Deutschen, war lediglich dreimal erfolgreich.
Überhaupt erzielten die Deutschen nur 34 Punkte in der Zone (dazu 12/15 FT), das ist wenig für diese große Mannschaft, lag aber auch an den hyper-athletischen Boomers. Stattdessen wurde klassischer NBA-Playoffs-Basketball zelebriert, auch weil Australien zahlreiche Plays unterband und so jede Menge Zeit von der Shotclock nahm. Sowohl Schröder als auch Lô gingen auf Mismatch-Jagd und der Erfolg gab ihnen recht.
Nick Kay, Patty Mills oder auch Josh Giddey wurden immer wieder gelockt, zusammen verwandelte das Guard-Duo neun Dreier, sechs davon kamen aus solchen Situationen. Manuel Baraniak von basketball.de trackte die Daten dazu, beide Guards generierten so 1,67 Points per Play - ein abartig guter Wert, wenn man bedenkt, dass Deutschland über das Spiel gerade einmal auf ein Offensiv-Rating von 108 kam.
Eingeschränkt sei angemerkt, dass solche Werte auf Dauer nicht haltbar sein werden, aber das muss auch nicht sein, wenn Franz Wagner hoffentlich spätestens in der Zwischenrunde wieder einsatzbereit ist.
Basketball-WM 2023: Dennis Schröder wird nicht genug geschätzt
Solange wird vor allem Schröder das deutsche Spiel tragen. Man kann es gar nicht hoch genug einschätzen, wie gut der Braunschweiger in diesem Spiel war. Wir geben an dieser Stelle Moritz Wagner die Bühne: "Ich glaube, wir appreciaten ihn nicht genug als deutsches Basketball-Land. Der Typ wird jedes Jahr besser, ist ein absolutes Biest. Er spielt das ganze Spiel, wird vom besten Verteidiger verteidigt, gedoppelt, getriplet - und gewinnt uns das Spiel", fasste der Magic-Big Schröders Vorstellung zusammen.
Am Ende hätte sich zwar Schröder beinahe um den Lohn gebracht (der sehr kleinliche Pfiff für Schaufeln sowie der Turnover im Backcourt, als er minimal im Aus stand), dennoch verbuchte der Raptors-Guard mit einem seiner kaum zu stoppenden Drives aber auch die entscheidenden Punkte 46 Sekunden vor Schluss.
Fast 36 Minuten spielte Schröder, jagte dabei in der Defense Patty Mills hinterher, griff vier Steals ab und schmiss, wenn er auf dem Feld stand, fast die ganze deutsche Offense - und das gegen eine australische Defense, bei der fast jeder ein Defensiv-Spezialist in der NBA ist.
"Er hat seine Würfe getroffen", fasste es Australiens Coach Brian Goorjian zusammen. "Ansonsten würde ich hier nicht sitzen und erklären, wie wir dieses Spiel verloren haben." 30 Punkte waren es letztlich für Schröder, persönlicher WM-Rekord und die meisten Zähler eines DBB-Spielers bei einer Weltmeisterschaft seit 2006, als Dirk Nowitzki bei einem Spiel mit dreifacher Verlängerung gegen Angola 46 Zähler verbuchte.
Basketball-WM 2023: Deutschland vs. Australien: Der Boxscore
Spieler | MIN | PTS | FG | 3P | REB | AST |
Isaac Bonga | 15 | 9 | 4/5 | 1/2 | 1 | 3 |
Maodo Lô | 25 | 20 | 8/12 | 4/8 | 1 | 1 |
Niels Giffey | 14 | 2 | 1/2 | 0/1 | 0 | 0 |
Johannes Voigtmann | 19 | 7 | 2/2 | 1/1 | 6 | 4 |
Daniel Theis | 26 | 9 | 4/7 | 0/1 | 4 | 1 |
Moritz Wagner | 16 | 4 | 1/5 | 0/1 | 4 | 0 |
Dennis Schröder | 35 | 30 | 10/19 | 5/9 | 1 | 8 |
Justus Hollatz | 5 | 0 | 0/0 | 0/0 | 1 | 1 |
Johannes Thiemann | 19 | 2 | 1/4 | 0/3 | 5 | 0 |
Andreas Obst | 26 | 2 | 0/5 | 0/4 | 2 | 0 |
Basketball-WM 2023: Deutsche Defense on point
Aber nicht nur Schröder rieb sich in der Defense auf. Auch hier muss noch einmal Bundestrainer Herbert gelobt werden, der einen guten Game Plan hatte, welcher dann auch mit kleineren Ausnahmen hervorragend umgesetzt wurde. Deutschland ignorierte die schwachen Schützen am Perimeter und hatten es sich zum Ziel gesetzt, aus Giddey einen Scorer zu machen.
Das Top-Talent der Boomers kann zwar scoren, ist aber ein noch viel besserer Spielmacher. Deutschland hielt Giddey bei drei Assists, weil sie die Wege geschickt zustellten und Giddey eher in Richtung Korb navigierten, wo dann Daniel Theis, Johannes Voigtmann oder Johannes Thiemann den 20-Jährigen erwarteten.
Theis ist dabei der klassische Beschützer des Korbs, während Voigtmann eher über sein gutes Positionsspiel und seine Länge kommt. Am Ende erhielt aber Thiemann den Vorzug, ebenfalls ein guter Schachzug von Herbert. Der Alba-Spieler passte mit seiner Beweglichkeit besser ins Spiel und besorgte gegen Mills in der Crunchtime auch den entscheidenden Stop.
Dass er wenige Minuten zuvor von Giddey auf ein fieses Poster genommen wurde? Spielte alles keine Rolle. Was Cooks für die Australier auf der Gegenseite war, war Thiemann für den DBB. Flink auf den Beinen, gut nach Switches gepaart mit einer Prise Ringschutz, wie gesehen mit einem wichtigen Chasedown-Block gegen Josh Green im Schlussviertel.
Der Frontcourt bleibt damit eine echte Trumpfkarte für Deutschland, hier ist kein anderes Team so gut, so flexibel und so tief besetzt wie der Bronze-Gewinner der EuroBasket 2022.
Maodo Lô wieder in der Form des Vorjahres
In jedem anderen Spiel wäre Thiemann auch der "heimliche Held" gewesen, doch an dieser Stelle kommen wir um Maodo Lô einfach nicht herum. Auch wir waren nach der Vorbereitung und nach dem Japan-Spiel sehr kritisch mit dem Berliner, diesmal zeigte Lô, dass er noch immer auf dem Niveau der Heim-EM aufzocken kann.
Seine fünf Punkte zu Beginn des vierten Viertels veränderten die Dynamik des Spiels, nachdem Australien mit einem starken dritten Abschnitt (13:22) Oberwasser bekommen hatte und der deutsche Angriff enorm ins Stocken geraten war. Ein klassischer Stepback-Dreier, dazu ein ansehnlicher Floater und im Nu hatte Deutschland das Spiel gedreht.
Aber schon in Halbzeit eins deutete sich ein verbesserter Lô an. Er schickte Mills sowie Giddey mit seinem unnachahmlichen Crossover beinahe zu Boden, auch da traf er seine Dreier, einmal per Stepback, einmal als Spot-Up-Schütze. "Er ist ein X-Faktor für uns von der Bank. "Letztes Spiel hatten wir Moritz Wagner, diesmal hatten wir Maodo", stellte der einmal mehr nüchterne Herbert trocken fest.
Lô selbst drückte es etwas blumiger aus: "Ich habe etwas gestruggelt. Es fühlt sich gut an für mich", sagte er mit einem Grinsen im Gesicht. Aus deutscher Sicht ist zu hoffen, dass sich dies fortsetzt. Es ist neben Schröder ein weiterer Joker für den Fall, dass ein Gegner die besten Optionen wegnimmt. Und genau solche Spieler braucht es auf dem höchsten Niveau, wenn es immer weniger leichte Punkte gibt.