SPOX: Mr. Patrick, nachdem Sie im Achtelfinale Oldenburg besiegt haben, wartet im Viertelfinale der Champions League mit Bayreuth erneut ein deutscher Gegner. Verwechseln sie manchmal die Wettbewerbe?
John Patrick: Es ist schon etwas seltsam und zudem auf der einen Seite schade, weil es gut für die Liga wäre, zwei Teams ins Final Four schicken zu können. Denn wir haben uns bis hierhin sehr stark präsentiert. Auf der anderen Seite zieht solch ein Duell natürlich auch Aufmerksamkeit auf sich, weil es eben nicht alltäglich ist.
SPOX: Sie sind mit den Riesen zum zweiten Mal in Folge in der Champions League dabei - die auch erst zum zweiten Mal stattfindet. Welche Eindrücke haben Sie von dem nicht unumstrittenen Wettbewerb?
Patrick: Ich muss zugeben, wirklich beeindruckt von dem Niveau der Champions League zu sein. Ich sehe sie auf Augenhöhe mit dem EuroCup. Und es nehmen Mannschaften teil, sei es aus Spanien, Italien oder der Türkei, die in ihren nationalen Ligen Euroleague-Teilnehmer besiegt haben - und zwar deutlich. Aus diesem Grund bin ich stolz, dass es mit uns und Bayreuth zwei Teams unter die letzten Acht geschafft haben. Schöner wäre es natürlich gewesen, wenn die Konstellation es zulassen würde, zwei deutsche Mannschaften ins Final Four zu schicken. Aber es ist, wie es ist.
SPOX: Dass man überhaupt darüber diskutiert, spricht ja für eine gute Entwicklung der Bundesliga. Sie sind - mit einer kurzen Unterbrechung - schon seit 2003 als Coach in Deutschland aktiv. Was hat sich seitdem getan?
Patrick: Da kann ich sogar noch weiter zurückschauen: Erstmals war ich 1990 in Deutschland unterwegs, damals als Auswahlspieler der Pac-10 Conference aus der NCAA. Wir haben unter anderem Spiele gegen Bayer Leverkusen gehabt, das damals von Dirk Bauermann trainiert wurde. Und auch in den Jahren darauf war ich oft in Deutschland, zum Beispiel für Nike-Projekte und um meine Frau zu besuchen, ehe ich dann in den 2000er-Jahren Coach wurde.
SPOX: Haben die Strukturen und das Niveau noch irgendwelche Ähnlichkeiten mit der Zeit von damals?
Patrick: Kaum. Es hat sich alles enorm schnell entwickelt. Wir waren bei dem Spiel damals 1990 als Gegner sehr überrascht, wie locker alles zuging, auch wenn Leverkusen damals die beste Mannschaft im Land war. Als ich dann ein paar Jahre später wiederkam, gab es schon einige Deutsch-Amerikaner und US-Amerikaner, die die Liga dominiert und auch das Niveau angehoben haben - auch wenn es meist nur zwei pro Mannschaft waren. In den vergangenen zehn Jahren gab es dann den nächsten großen Sprung: Die Liga ist schneller geworden, athletischer. Und natürlich ist sie vollkommen professionalisiert worden. Wir sind insgesamt auf einem sehr guten Weg - das sieht man unter anderem daran, dass Teams aus dem Mittelfeld in den internationalen Ligen gut mithalten können, teilweise besser als die Mittelfeldteams aus Italien oder Frankreich.
SPOX: Und wie gefällt Ihnen persönlich der Trend hin zum schnellen Basketball, sei es Pace-and-Space oder Small Ball, der derzeit auch viele NBA-Teams prägt?
Patrick: Ich bin ein sehr großer Fan davon! Schon in der Highschool habe ich für Mannschaften gespielt, die damit erfolgreich waren. Nicht als ausgedachtes System, sondern weil die Teamzusammenstellung eben so war. Wir haben unseren Fokus aber meist auf die Defense gelegt, während in der NBA bei solchen Aufstellungen die Offensive und teilweise auch das Entertainment im Mittelpunkt stehen. Grundsätzlich ist es mittlerweile offenbar angesagt, die Aufstellung und die Taktik auf Schnelligkeit und Dreier auszulegen, während früher oft nach Größe aufgestellt worden ist. Auch die Vielseitigkeit eines Spielers ist entscheidend.
SPOX: Sie haben Ihre aktive Zeit als College-Spieler schon angesprochen: Sie waren Ende der 80er und Anfang der 90er-Jahre Point Guard der Stanford University. Über die Zeit dort haben Sie mal gesagt, dass ihr Spielstil "wie Kunst" gewesen sei. Wie meinten Sie das?
Patrick: Wir waren mit Stanford damals eine sehr halbfeldorientierte Mannschaft, die allerdings in einer sehr athletischen und schnellen Conference gespielt hat [Pac-10, heute Pac-12 - Anm. d. Red.]. Ich selbst war zum Beispiel der einzige Starting Point Guard aus der Conference, der es nicht in die NBA geschafft hat. Ich war zwar kurz davor...
SPOX: ... unter anderem soll es ein Tryout bei den Warriors gegeben haben, stimmt das?
Patrick: Ja, ich hatte einige Free-Agent-Tryouts, aber es hat aus unterschiedlichen Gründen nicht gereicht. Ich war einfach nicht gut genug. Aber aus meiner vierjährigen Zeit am College bei Stanford haben es vier Spieler meiner Mannschaft in die NBA geschafft, von UCLA oder Arizona waren es um die 15. Aber wir haben diese Mannschaften besiegt, mit einem sehr klaren Stil im Halbfeld, wo wir uns Lösungen überlegen mussten. Wir hatten einen klaren Plan und ein Konzept, das zu unseren Spielern gepasst hat.
SPOX: Das hatte also nicht viel mit dem schnelleren Stil von heute zu tun.
Patrick: Nein, gar nicht. Aber es war sehr erfolgreich, auch wenn ich zugeben muss, dass es mir als Point Guard nicht viel Spaß gemacht hat. Aber darum ging es ja auch gar nicht. Nach meiner College-Zeit habe ich dann beispielsweise in Japan unter Coaches gespielt, die ein schnelleres und kleineres Spiel mit Ganzfeldverteidigung praktiziert haben. Das hat mir persönlich mehr zugesagt, weil es von den Spielern mehr Kreativität verlangt und ihnen auch mehr Freiheiten gibt. Unser Spiel heute ist auch kein Run and Gun.
SPOX: Mit 30 wurden sie bereits Coach in Japan. Welchen Stil haben Sie zunächst übernommen?
Patrick: Wir haben an das schnelle Spiel angeknüpft. Wir waren ein kleines Team mit kleinem Etat und meiner Meinung nach ist dies dann die beste Möglichkeit, um erfolgreich zu sein. Und das waren wir drei Jahre lang, obwohl wir nur ein kleiner Fisch in der Liga waren. Und auch später in Deutschland, erstmals bei Göttingen in der zweiten Liga, hat es funktioniert, obwohl wir teilweise mit ehrenamtlichen Spielern gespielt haben. Wir sind ohne US-Amerikaner in der oberen Tabellenhälfte gelandet, das wäre heute undenkbar.