Die Generalprobe für die Heim-EM ist geglückt - und das eindrucksvoll. Gegen Titelverteidiger und Mitfavorit Slowenien setzten Dennis Schröder und Co. ein Ausrufezeichen (90:71). Die Erkenntnisse zum Spiel.
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Der Bundestrainer bleibt seiner Linie treu
Es gibt nicht wenige Stimmen, die den Formationen mit echten Bigs skeptisch gegenüber stehen. Bundestrainer Gordon Herbert predigt bei jeder Gelegenheit Toughness und Rebounding als Schlüssel und genau das zeigte das DBB-Team gegen eine überraschend lethargische slowenische Mannschaft, die sich eher mit den Referees als mit dem Spielstand auseinandersetzten.
Deutschland gewann das Duell an den Brettern mit 56:27, holte sich 20 Offensiv-Rebounds und kaufte den Slowenen so den Schneid ab. "Hier haben wir das Spiel verloren, das ist so nicht zu akzeptieren", resümierte der schwache Goran Dragic (9, 4/12 FG), der sich auch noch ein technisches Foul abholte und im Anschluss darüber klagte, dass die Deutschen meist am Rande der Legalität gespielt hätten.
Deutschland schickte konstant gleich zwei Spieler ans offensive Brett, gleich sieben Spieler holten zumindest einen Offensiv-Rebound. Es dürfte Herbert bekräftigen, dass die großen Lineups funktionieren. Nur wenige Minuten standen nicht zwei Bigs auf dem Feld, was womöglich auch mit der Verletzung von Gavin Schilling zusammenhing, der nach der Pause nicht mehr zu sehen war.
Gegen Slowenien funktionierte es. Der Europameister hat zwar viel Länge, Rebounding ist aber keine Stärke, solange Luka Doncic nicht fleißig selbst mit anpackt. In München war das selten der Fall. Es bleibt fraglich, ob der DBB solche Zahlen gegen größere, athletischere Teams wie die Gruppengegner Frankreich, Litauen und mit Abstrichen Bosnien replizieren kann.
Sie bleiben trotz allem weiter Fragezeichen. Daniel Theis absolvierte vor der Partie im Audi Dome ein Workout, es herrscht leichter Optimismus, dass der Pacers-Center zur Verfügung stehen kann. Dies wäre enorm wichtig, da Herbert dann mit eben Theis, Johannes Voigtmann sowie Johannes Thiemann auf zumindest drei Bigs zurückgreifen kann, die internationale Klasse besitzen.
gettyVoigtmann überzeugte als Ringbeschützer und fand in Halbzeit zwei auch seinen Wurf. Es wäre nur wünschenswert, wenn der ehemalige Frankfurter am Korb häufiger entschlossen hochsteigt und nicht noch einmal den Extrapass nach draußen sucht. Thiemann wirkte da zielstrebiger und dazu gelang es ihm einige Male, Doncic nach Switches vor sich zu halten.
Von Jonas Wohlfarth-Bottermann konnte man dies nicht behaupten. Der 32-Jährige war zwar bemüht und rieb sich auf, auf dem höchsten Niveau stößt er jedoch an seine Grenzen. Dennoch startete WoBo erneut gegen Slowenien, das ist alles andere als ideal. Sollte Theis spielen können, sollte WoBo nur im Notfall Minuten sehen.
Und trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass der DBB es in der Vorbereitung verpasst, auch mal kleinere Formationen auszuprobieren. Mit Franz Wagner und Niels Giffey hat man Small-Ball-Optionen, gesehen hat man diese selten. Dabei könnten dies offensiv sehr potente Lineups sein, die von Voigtmann, Theis oder Thiemann zumindest ordentlich gesichert werden könnten. Schröder bleibt einer der schnellsten Guards auf dem Kontinent und kann jederzeit zum Korb ziehen oder Dreier generieren, wenn er denn genug Platz bekommt. Mit den zwei Bigs ist das Ganze deutlich schwieriger.
Dennis Schröder findet die Balance
Apropos Schröder. Der Braunschweiger machte im Audi Dome eines seiner besten Länderspiele, nicht nur weil er mit 17 Punkten (6/15 FG) und 10 Assists am Ende ein Double-Doube im Boxscore stand. Dabei erzielte der Spielmacher erst in der zweiten Halbzeit überhaupt seine ersten Punkte, um dann im vierten Viertel komplett zu übernehmen und den Sieg einzutüten.
In dieser Phase fühlte er es. Es gab Trash Talk mit seinem Gegenspieler, er netzte zwei Dreier am Stück und lief lachend über das Feld. Es war die Schröder-Show und der Funke zum Publikum sprang tatsächlich über. Die 6.000 Zuschauer hatten auch nicht vergessen, dass Schröder trotz einiger Backsteine vor allem defensiv ackerte und so engagiert wie lange nicht mehr wirkte.
Schröder hechtete nach Loose Balls über das Feld, navigierte Screens besser und ruhte sich nicht nur, wie häufiger in der Vergangenheit gesehen, am hinteren Ende des Feldes aus.
Dazu stimmte im Angriff die Balance. Schröder fand einen guten Mix aus eigenem Abschluss und Pässen im richtigen Moment, nur gegen Ende hatte er kleinere Schwierigkeiten, als die Slowenen den Point Guard einige Male blitzten. Es war nur ein kleiner Makel eines starken Viertels, in welchem der Braunschweiger den letzten slowenischen Comeback-Versuch erstickte.
Auffällig war dabei auch, dass Schröder das Spiel nicht verlangsamte, sondern bei jeder Gelegenheit versuchte, die Slowenen auf dem falschen Fuß zu erwischen. So gab es einige leichte Punkte in Transition und das entnervte die Slowenen.
DBB: Alle Spiele in der Vorbereitung im Überblick
Wettbewerb | Gegner | Ort | Ergebnis | Topscorer |
Freundschaftsspiel | Belgien | Hasselt | 87:83 | Franz Wagner (23) |
Freundschaftsspiel | Niederlande | Almere | 68:66 | Maodo Lo (16) |
DBB Supercup | Tschechien | Hamburg | 101:90 | Franz Wagner (26) |
DBB Supercup | Serbien | Hamburg | 56:83 | Andreas Obst (12) |
WM-Qualifikation | Schweden | Stockholm | 67:50 | Franz Wagner (16) |
WM-Qualifikation | Slowenien | München | 90:71 | Dennis Schröder (17) |
Andi Obst ist der X-Faktor
Einer der Adressaten von Schröder war nicht selten Andi Obst. Der Shooting Guard der Bayern stellte mit vier verwandelten Dreiern erneut seinen Wert für das Team unter Beweis (43 Prozent vergangene Saison von Downtown), auch wenn er diesmal nur von der Bank kam. Klubkollege Nick Weiler-Babb hatte diesmal den Vorzug erhalten, das könnte sich aber zum Auftakt gegen Frankreich wieder ändern.
Weiler-Babb ist zwar ein um Längen besserer Verteidiger, doch Obsts Gefahr von Downtown ist essentiell, selbst wenn er den Wurf gar nicht nimmt. Gegenspieler respektieren Obst für seinen Bilderbuch-Wurf, entsprechend bindet der Bayern-Guard einen möglichen Help Defender, was vor allem an der Seite von Schröder wichtig ist.
Herbert wollte sich nach dem Spiel zwar nicht in die Karten schauen lassen, ob Obst gegen Frankreich nicht wieder in der Starting Five stehen werden, lobte dafür aber ausdrücklich die körperliche Verfassung des Münchners.
Obst in der Starting Five ergibt ohnehin mehr Sinn, wenn man auf die Rotationen blickt. Das deutsche Team hat vier gute bis anständige Ballhandler, gegen Slowenien spielten mit Schröder, Weiler-Babb sowie Wagner gleich drei zusammen, während die Bank Units fast ausschließlich von Maodo Lo getragen werden mussten. Paart man dagegen NWB mit Lo hat das Team mehr Balance und ist weniger berechenbar.
Franz Wagner ist nicht zu ersetzen
Der eine Spieler, welchen Deutschland hingegen nicht ersetzen kann, ist Franz Wagner. Auch in seinem fünften Länderspiel konnte der NBA-Profi der Orlando Magic überzeugen, zu seinen 16 Punkten kamen gleich 5 Offensiv-Rebounds. Der Berliner hat einfach ein Näschen für den Ball, dazu hat er auf Small Forward gegen so ziemlich jeden Gegner Größenvorteile.
Wagners Vielseitigkeit bleibt ein echter Trumpf. Er kann sich als sekundärer Playmaker Würfe für sich selbst kreieren und Schröder damit entlasten. Gegen Slowenien wollte der Dreier zwar nicht wie gewünscht fallen (2/8), aber Wagner fand mit klugen Cuts oder Drives andere Wege, um zu scoren.
Dabei hilft, dass er mit 21 Jahren keine Furcht kennt. Es mag zwar nicht immer alles klappen (ein Postup gegen Doncic endete in einem Double-Dribble), aber er versteckt sich nicht und ist bereit, Verantwortung zu übernehmen.
Das gilt auch für die Defense, wo Wagner in Phasen die Herausforderung Doncic annahm und sich durchaus wacker schlug. Auch hier bliebt seine Länge und Agilität ein Trumpf, als Help Defender ist auch er am Ring wertvoll.
Die große Frage wird sein, wie viel Wagner abspulen kann. Kein anderer im Kader riss in der Vorsaison mehr Minuten ab, bisher war von Müdigkeit keine Spur. Gegen Slowenien stand der 21-Jährige knapp 27 Minuten auf dem Feld, bei der EM könnten es womöglich ein paar mehr werden.
Das liegt auch daran, dass es im Kader keine echten Alternativen gibt. Niels Giffey war erneut einer der schwächeren DBB-Akteure, Christian Sengfelder hat zwar offensiv einiges auf dem Kasten, muss aber defensiv versteckt werden. Viele Minuten für Wagner sind quasi alternativlos.
Er löst gleichzeitig ein DBB-Problem der vergangenen Dekade. Man muss sich nur mal fragen, wann Deutschland letztmals einen Forward von internationalem Format in ihren Reihen wusste, der mehr als nur ein Spezialist war. Man muss hier wohl bis zum großen Ademola Okulaja zurückgehen.
Und während man hinter Schröder mit Lo noch eine gute Alternative hat, ist der Qualitätsabfall hinter Wagner enorm und kann zu einem Problem werden, sollte der Berliner zum Beispiel mal in Foulprobleme geraten.
gettyAn guten Tagen kann Deutschland jeden schlagen
Und zum Schluss noch die Frage der Fragen: Wo steht das DBB-Team wirklich? Die Vorstellung gegen Slowenien war tatsächlich die Beste in dieser Vorbereitung, nachdem zuletzt die Auftritte gegen Serbien und Schweden eher für Ernüchterung gesorgt hatten.
Auf alle Fälle kann Deutschland mithalten und an guten Tagen auch Turnier-Favoriten in Bedrängnis bringen. Slowenien wurde in München auf dem falschen Fuß erwischt, der Titelverteidiger hatte zuvor neun Spiele in Serie gewonnen und dabei Schwergewichte wie Serbien oder die Türkei geschlagen.
Der DBB trat als Einheit auf, hatte einen klaren Plan und wirkte wie eine echte Einheit. Darauf lässt sich aufbauen. Deutschland braucht in seiner schweren Gruppe drei Siege, um eine Chance für zumindest Platz drei zu haben. Gelingt das, ist vieles möglich, weil die Kreuzgruppe A (Spanien, Montenegro, Türkei, Georgien, Belgien, Bulgarien) bei weitem nicht so stark besetzt ist.
DBB: Die Spiele in der Gruppenphase bei der EuroBasket
Datum | Uhrzeit | Gegner |
1. September | 20.30 Uhr | Frankreich |
3. September | 14.30 Uhr | Bosnien-Herzegowina |
4. September | 14.30 Uhr | Litauen |
6. September | 20.30 Uhr | Slowenien |
7. September | 20.30 Uhr | Ungarn |