Ein Knaller nach dem anderen

Ole Frerks
02. Januar 201517:00
Marcelinho Huertas ist bei Barca der Chef auf dem Courtgetty
Werbung

Die Top-16-Gruppe von Alba Berlin hat es in sich. Neben den spanischen Giganten Real und Barca oder Panathinaikos gibt sich auch Titelverteidiger Maccabi Tel-Aviv die Ehre. Und dann wäre da noch das Effizienzmonster schlechthin in dieser Saison... SPOX stellt vor dem Duell gegen Barca (20 Uhr im LIVE-TICKER) Albas Gegner vor und bewertet die Berliner Chancen auf die Playoffs.

Roter Stern Belgrad

Zum ersten Mal überhaupt ist Belgrad im Top 16 dabei - und das weiß man sogar schon seit dem 8. Spieltag. Das Team von Maik Zirbes legte eine starke Vorrunde hin, vor allem vor dem frenetischen Heim-Publikum waren die Serben kaum zu bezwingen (4:1 in eigener Halle).

Die Stärken sind dabei klar zu erkennen: Kein Team reboundete besser, nur wenige sind mit Belgrad auf einem Level, was Toughness und Defense angeht. Zudem profitiert Roter Stern von einem tiefen, jungen Kader, der das ganze Spiel über Druck machen kann. Es ist wahrlich keine Freude, gegen dieses Team spielen zu müssen.

Mit Marcus Williams verfügen die Serben über einen NBA-erfahrenen Point Guard, der das Spiel meisterhaft lenken kann - seine 17 Assists im Spiel gegen Galatasaray waren der beste Beweis und nebenher noch ein Euroleague-Rekord. Niemand verteilte über die Vorrunde mehr Assists pro Spiel (6,9) als Williams. Keine Frage: Belgrad ist zwar erstmals im Top 16 dabei, zufrieden sind sie damit aber noch lange nicht. Die Chancen, dass es für Zirbes und Co. noch weiter geht, stehen nicht so schlecht.

Player to Watch: Boban Marjanovic. Der größte Spieler der Euroleague (2,21 m) ist nicht nur physisch ein Hüne - die Vorrunde über gab es keinen, der mehr Rebounds holte (10,7) oder effizienter agierte (24,9 PIR). Seine Dominanz unterm Korb gibt für das Team die Richtung vor und ist auch im Top 16 die größte Trumpfkarte, die Belgrad ziehen kann. Kann er seine Leistungen bestätigen, hat man gegen jeden Gegner eine Chance.

FC Barcelona

Eigentlich lief in der Vorrunde alles glatt für die Katalanen: Die ersten acht Spiele wurden allesamt gewonnen, der erste Platz in Gruppe A schon frühzeitig sichergestellt. Mit einer Kadertiefe, die europaweit ihresgleichen sucht, walzten Tibor Pleiß und Co. einen Gegner nach dem anderen platt und präsentierten sich wie ein legitimer Titelanwärter.

Kurz vor dem Beginn des Top 16 gab es dann jedoch einen Wermutstropfen, der es in sich hat: Juan Carlos Navarro riss sich einen Muskel in der Hüfte und fällt damit rund sechs Wochen aus. Der beste Scorer der Euroleague-Geschichte ist auch mit 34 noch einer, den man nicht eins zu eins ersetzen kann. Vor allem in der Crunchtime - Stichwort "cojones".

Sorgen um die Playoffs muss man sich bei Barca aber wohl noch nicht machen. Der FCB hat genug Talent versammelt, dass sich das Team über Wasser halten können sollte, bis Navarro wieder da ist. Zudem wurde im Dezember noch nachgebessert, indem Guard Edwin Jackson, der Topscorer der französischen Liga, von ASVEL Lyon Villeurbanne verpflichtet wurde.

Player to Watch: Marcelinho Huertas. Im Fokus stehen häufig die Anderen - aber Huertas ist bei Barca der Chef auf dem Court. Der Brasilianer bringt genau den richtigen Mix aus Erfahrung und Kreativität mit, um der perfekte verlängerte Arm von Coach Xavi Pascual zu sein. Er sorgt dafür, dass alle Spieler involviert werden. Zudem hat er ein gutes Gespür dafür, wann er selbst für Punkte sorgen muss. SPOX

Galatasaray Istanbul

Ein Spaziergang war die Vorrunde für Gala nicht - eher das genaue Gegenteil. Die Türken gewannen nur vier Spiele und mussten bis zum letzten Moment zittern. Ein Sieg im letzten Spiel gegen Piräus, bei dem Coach Ergin Ataman nur sieben Spieler zur Verfügung hatte, reichte letztlich für die Top-16-Quali.

Es war nicht der einzige Kampf, den die Türken in der Vorrunde überstehen mussten - mit Belgrad etwa lieferte man sich einen unfassbaren Krimi, den Gala nach zweimaliger Verlängerung für sich entschied. Dass sie überhaupt die Chance dazu hatten, lag an einem Irrsinns-Treffer von Zoran Erceg am Ende der regulären Spielzeit. An Herz mangelt es Gala also keineswegs.

Dennoch dürften die Playoffs wohl utopisch sein. In Sachen Talent haben die meisten Teams klare Vorteile gegen Gala, aufgrund der finanziellen Probleme konnten die Türken auch nicht in dem Maße nachbessern, wie es in den letzten Jahren häufig der Fall war. Unterschätzen sollte man sie trotzdem nicht.

Player to Watch: Zoran Erceg. Der Center hat eine bärenstarke Vorrunde hingelegt und war nach Taylor Rochestie zweitbester Scorer (18,11 pro Spiel) der Euroleague. Da er ein extrem guter Schütze ist (51,8 Prozent 3FG) und trotzdem Gardemaß hat (2,11 m), stellt er gegnerische Big Men regelmäßig vor große Probleme. Sein Shooting öffnet zudem Räume für die Penetration der Guards, indem er gegnerische Ringbeschützer aus der Zone wegzieht.

Maccabi Tel-Aviv

Der Start in die neue Ära fiel dem Titelverteidiger nicht ganz leicht - gegen ZSKA Moskau und zuhause gegen Zagreb wurde sogar recht deutlich verloren. Das war allerdings auch zu erwarten, schließlich verabschiedete sich im Sommer nicht nur Coach David Blatt Richtung Cleveland, der Kader erfuhr zudem auch eine hohe Fluktuation.

"Die Saison war ein Prozess", blickt Topscorer Devin Smith zurück: "Wir hatten am Anfang Probleme, weil wir einige Neue hatten, die auch die Euroleague noch nicht kannten. Das hat etwas Zeit gebraucht, aber nach und nach hat jeder seine Rolle gefunden."

Nach den ersten Wochen nahm Maccabi in der Tat an Fahrt auf: Von den letzten sechs Spielen wurde nur noch das Rückspiel gegen Moskau verloren. Die Erfahrung ist eine Trumpfkarte: Mit Go-to-Guys wie Rückkehrer Jeremy Pargo haben die Israelis gerade bei engen Spielen häufig Vorteile in der Crunchtime. Es ist alles drin für den Champion von 2014. Unschlagbar ist er aber nicht, wie die Pleite beim Spiel gegen Galatasaray bewies.

Player to Watch: Devin Smith. Der Amerikaner legt im Alter von 31 Jahren die besten Werte seiner Karriere auf - sowohl bei den Punkten (16,8) als auch bei den Rebounds (7,1) führt er sein Team an. Insbesondere nach der Verletzung von Guy Pnini drehte Smith noch einmal auf, nahm das Team auf seine Schultern und wurde folgerichtig im Dezember zum Euroleague-MVP des Monats erkoren.

Seite 1: Barca, Gala und Maccabis Star

Seite 2: Pana, Kaunas und die Königlichen

Panathinaikos Athen

Verletzungsprobleme kennzeichneten die bisherige Saison der Griechen - zum einen fiel Starting Center Esteban Batista phasenweise aus, vor allem schmerzte aber natürlich die Verletzung von Aufbaulegende Dimitris Diamantidis. Der 34-Jährige ist zwar auf dem absteigenden Ast (nur noch 5,4 Punkte pro Spiel), in Sachen Spielaufbau macht ihm aber nach wie vor niemand etwas vor.

Dass Pana trotzdem souverän ins Top 16 eingezogen ist, hat vor allem mit dem starken Start (5-2) sowie dem ausbalancierten Kader zu tun. Vor allem bei Heimspielen ist Athen eine Macht, gleich sechs Spieler scorten dort durchschnittlich zweistellig. Auch defensiv: Kein Team erlaubt den Gegnern eine schwächere Dreierquote (28,5 Prozent).

Am Ende der Vorrunde verlor Pana zwar drei Spiele in Folge, man darf sich davon aber nicht täuschen lassen. Vor allem zuhause können sie weiterhin an jedem Tag jedem Gegner gefährlich werden - wie der Sieg gegen Maccabi eindrucksvoll bewies.

Player to Watch: Esteban Batista. Der Uruguayer ist ein solider Offensiv-Center, auch wenn seine Ballkontrolle bisweilen dem Niveau eines übernächtigten Fünfjährigen gleicht (erschreckende 3,9 Turnover in 21,33 Minuten Spielzeit!). Er ist aber weder besonders groß (2,08 Meter), noch ein Ringbeschützer (1 Block in 8 Spielen). In einer Gruppe mit Ante Tomic, Boban Marjanovic oder Zoran Erceg kann das durchaus Probleme bereiten. Wenn Batista gegen seine größeren Gegner nicht bestehen kann, reduzieren sich Panas Playoff-Chancen dramatisch.

Real Madrid

Die Königlichen kassierten in der Vorrunde nur zwei Niederlagen und sorgten früh für klare Verhältnisse. Insbesondere offensiv dürfte man europaweit kein besseres Team finden: Nacheinander wurden Novgorod und Sassari 112 und 115 Punkte eingeschenkt, wobei mit je 33 Assists ein Euroleague-Rekord erst auf- und eine Woche später eingestellt wurde.

Beeindruckend, wie sicher Real mit dem Ball umgeht: Pro Turnover werden 2,09 Assists gespielt. Das ist Bestwert in der Vorrunde und gleichzeitig ein klares Indiz dafür, dass hier eine abgeklärte, erfahrene Truppe am Werk war.

Gleichzeitig hatte man fast immer das Gefühl, dass Real die Intensität bei Bedarf noch weiter hochschrauben konnte. Im Top 16 wird das aufgrund der besseren Gegner wohl häufiger der Fall sein, schließlich zählt nach dem verlorenen Finale in der letzten Saison nichts anderes als der Titel. Durchaus möglich, dass das "Finale dahoam" für Madrid in 2015 Realität wird.

Player to Watch: Andres Nocioni. Der Argentinier wurde vor der Saison von Laboral Kutxa Vitoria losgeeist, um dem Team einen erfahrenen Gewinnertypen zu geben - einen, der das Finale gegen Maccabi vielleicht hätte drehen können. Der Olympia-Sieger von 2004 hat sich bis dato gut eingefügt und vor allem gegen Sassari und Novgorod bewiesen, dass er immer noch punkten kann (je 15 Zähler). Seine Rolle dürfte beständig weiter wachsen, wenn im weiteren Saisonverlauf mehr auf dem Spiel steht.

Zalgiris Kaunas

Der Traditionsklub aus Litauen feiert in dieser Saison ein Jubiläum - den 70. Geburtstag, um genau zu sein. Arvydas Sabonis' Trikot wird unter die Hallendecke gezogen, und natürlich will Zalgiris auch sportlich für Aufmerksamkeit sorgen. Ob das auch im Top 16 gelingen kann, ist aber fraglich. Denn einige Schwachstellen bestehen definitiv.

Vor allem im Bereich Offense ist Kaunas in diesem Jahr kein Top-Team. Nur Limoges hat in der Vorrunde weniger Punkte erzielt (70,14), niemand hat weniger Assists verteilt (13,0), niemand hat häufiger den Ball verloren (16,5). Vor allem die vielen Ballverluste haben dazu geführt, dass sich Kaunas bei knappen Spielen immer mal wieder selbst ins Bein schoss. SPOX

Player to Watch: James Anderson. Keine Frage, mit der Verpflichtung von Anderson hat Zalgiris im Sommer ins Schwarze getroffen. Seit Beginn der Saison steht er offensiv im Fokus, nur drei Spieler haben während der Vorrunde mehr Punkte erzielt als der Small Foward (17,0). Sein 38-Punkte-11-Rebounds-Ausbruch gegen Kazan am 4. Spieltag war eine der beeindruckendsten Performances der Vorrunde. Hat er noch mehr davon auf dem Kasten?

Fazit:

Um es kurz zu machen: Es wäre eine große Überraschung, wenn Alba diese Gruppe überstehen würde. Das soll aber nicht heißen, dass es nicht schaffbar ist. Die Erklärung lieferte kürzlich Barca-Coach Xavi Pascual: "Jeder in dieser Gruppe kann spielen. Die kleineren Teams haben zudem den Vorteil, dass sie ohne viel Druck spielen können." Will sagen: Während die beiden spanischen Giganten oder der Titelverteidiger aus Tel Aviv es sich eigentlich nicht leisten können, die Playoffs zu verpassen, wäre ein Weiterkommen für Alba (oder auch Belgrad) eine Riesensache. Sie können befreit auftreten, weil sie nichts zu verlieren haben. Darin besteht eine Chance, selbst wenn es eine kleine ist.

Seite 1: Barca, Gala und Maccabis Star

Seite 2: Pana, Kaunas und die Königlichen