Noch ein flüchtiger Blick nach links, dann lässt es Gustavo Ayon zwei Schritte später aus vollem Lauf ordentlich krachen. Neben Kyrie Irving können auch Anthony Davis und Kenneth Faried nur zusehen, wie Mexikos Nummer acht das Leder mit beiden Händen und ordentlich Wucht durch den Ring hämmert. Kaum zurück am Boden, kann sich der 29-Jährige ein verschmitztes Lächeln nicht verkneifen.
Wirklich viel zu bejubeln gab es im Achtelfinale der Weltmeisterschaft für Mexiko allerdings nicht, zu übermächtig präsentierte sich der Gegner aus den Vereinigten Staaten. Nicht nur gegen Ayon und Co. zeigten die US-Boys dabei ihre Klasse, sondern über das gesamte Turnier hinweg. Am Ende stand nach einer weiteren Demonstration im WM-Finale gegen überforderte Serben der Titel, für Mexiko war nach der Niederlage hingegen Schluss.
Titel? Nebensache!
Für die Fans der Südamerikaner war das Aus jedoch nur ein kleiner Wermutstropfen. Zu groß war der Stolz über das, was ihr Team erreicht hatte. Allein die Teilnahme, die erst durch einen Überraschungstriumph bei den Amerika-Meisterschaften in Venezuela ein Jahr zuvor gesichert wurde und die erste seit 40 Jahren war, entsprach einer kleinen Sensation. Der Einzug in die Playoffs stellte dann die vorzeitige Krönung dar.
Bereits im Vorfeld der Endrunde ruhten die Hoffnungen dabei auf einem Mann, der als das fehlende Puzzleteil des mexikanischen Teams gesehen wurde und der sein Land als MVP der Qualifikation nach Spanien führte. Die Rede ist von Ayon, der gegen die USA auf 25 Punkte und acht Rebounds kam und anschließend von seinen Teamkollegen und der heimischen Presse mit Lob geradezu überschüttet wurde.
Auch sein Turnier-Schnitt von 17,6 Punkten und 7,6 Rebounds sowie eine starke Quote von 61 Prozent aus dem Feld sorgten für Anerkennung. Und das, obwohl Mexiko nur zwei seiner sechs Spiele für sich entscheiden konnte.
Mehr als nur ein Sport
Die Weltmeisterschaft war somit der vorläufige Höhepunkt einer Karriere, mit der der ruhige Mexikaner, der den Spitznamen Titan trägt, auf diese Weise wohl selbst nicht gerechnet hätte. Vor allem, da die Prioritäten in seiner Jugend zunächst gänzlich andere waren. In der beschaulichen Kleinstadt Zapoteca im Westen Mexikos, in der Ayon aufwuchs, genießt die Landwirtschaft eine immense Bedeutung. Auch er lernte deshalb früh, mit anzupacken.
Die Bedeutung von Arbeit, Bodenständigkeit und Zusammenhalt dienten als Fundament seiner Erziehung, weshalb Ayon bereits als Kind jene Werte verinnerlichte, die ihn auch heute noch auszeichnen. "Meine Familie hat mich immer unterstützt und meine Heimatstadt war ein großartiger Ort, um aufzuwachsen", blickte der 29-Jährige unlängst zurück und fügte an: "Die Menschen dort sind sehr nett und haben mich stets vorangetrieben. Ich komme immer gerne zurück nach Hause."
In den Abendstunden verlagerte sich das Geschehen dann regelmäßig auf den kleinen Sportplatz im Herzen des knapp tausend Einwohner fassenden Städtchens. Während sich am Rand über den Tag unterhalten oder Karten gespielt wurde, ging es auf dem Platz selbst ordentlich zur Sache. Egal ob jung oder alt, der Basketball vereint bis heute die verschiedenen Generationen Zapotecas. Auch Ayon erlag an nahezu jedem Abend seiner Anziehungskraft.
Ein faszinierendes Duo
Wie viele junge Mexikaner verfolgte auch er während seiner Jugend die NBA, war dabei jedoch ein Spätstarter und ließ den Blick gerne etwas weiter schweifen. "Erst als ich 16 Jahre alt war, habe ich angefangen, die Karriere von Luis Scola und auch die NBA wirklich zu verfolgen. Ich habe es genossen, mir die Los Angeles Lakers anzuschauen", schwärmte Ayon: "Es war faszinierend, Kobe Bryant und Shaquille O'Neal zusammen zu sehen."
Er selbst rückte erst Jahre später während seiner Uni-Zeit ins Rampenlicht. Der Titel als wertvollster Spieler der Universitätsmeisterschaften im Jahr 2006 war dabei ein unverkennbares Zeichen, das auch den Scouts im Nachbarland nicht verborgen blieb.
Die San Jose State University griff zu, doch statt für die Spartans in der NCAA unter den Brettern aufzuräumen, entschied sich der Power Forward, der aufgrund seiner Physis auch auf der Fünf spielen kann, für Halcones UV Xalapa. Ein mexikanischer Erstligist, den er zu zwei Titeln führte. Zudem gelang ihm der Sprung in die Nationalmannschaft. Die Zeit für eine neue Herausforderung war gekommen, denn nichts war Ayon seit jeher so fremd wie Stagnation.
Auf zu neuen Ufern
Statt für naheliegende Optionen in Nord- oder Südamerika entscheid er sich allerdings - mit einem kleinen Zwischenstopp in Venezuela - für den risikobehafteten Sprung nach Europa. Für die spanischen Fans war der 2,08-Meter-Hüne bei der Weltmeisterschaft deshalb alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. Bereits in der Saison 2010/11 spielte er für CB Fuenlabrada und erarbeitete sich dort nicht nur einen Stammplatz, sondern auch den Titel als bester Newcomer der ACB.
Ausschlaggebend für den schnellen Erfolg war neben der Sprache, die die Kommunikation enorm vereinfachte, vor allem der Blick über den Tellerrand. Auf diese Weise konnte er die komplett andere Metaebene des Basketballs, wie er in Europa gespielt wird, deutlich schneller verinnerlichen. "Ich habe auch als Jugendlicher schon die europäischen Ligen verfolgt, dem Internet sei Dank", sagte Ayon. Trotz oder gerade wegen der erfolgreichen Zeit war Fuenlabrada im Endeffekt nicht mehr als ein Sprungbrett. Er erfüllte sich seinen Traum...