SPOX vs. Ruslan Tschagajew. Wir besuchen den Mann, der "weißer Tyson" genannt wird, im Hamburger Stadtteil Wandsbek. Hier, in der Walddörfer Straße 332, schuftet die härteste Linke der Welt für die wichtigsten Wochen in seinem Leben. Überraschend offen spricht das gefährlichste Kaliber im Schwergewicht über Walujew, Klitschko und seinen Sohn Arthur.
SPOX: Herr Tschagajew, vor ihrer langen Verletzungspause hatten sie die explosivste Linke der Welt. Wie sieht's heute aus?
Ruslan Tschagajew: Daran hat sich nichts geändert. Die Linke ist noch immer meine Spezialität. Und sie ist jetzt noch stärker.
SPOX: Wenn Ihre Linke an mein Kinn schlägt. Was würde passieren?
Tschagajew: Das wollen Sie nicht wissen. Das tut weh.
SPOX: Und ich gehe zu Boden?
Tschagajew: Jeder geht zu Boden.
SPOX: Mit wie viel km/h kommt ihre Faust geflogen?
Tschagajew: Das müssten wir mal messen. Aber ich glaube, sie ist gar nicht so schnell. Sie ist nur sehr schwer.
SPOX: Nach dem Sieg gegen Valuew wurden Sie in Ihrer Heimat Usbekistan von 100.000 Fans in einem Fußballstadion empfangen. Wie oft denken Sie noch daran?
Tschagajew: Das ist vergessen. Ich schaue nicht mehr zurück. Das war ein schönes Erlebnis. Aber ich bin jetzt 30 und habe mein bestes Boxalter vor mir. Ich brauche keine Erinnerungen. Ich freue mich viel mehr auf die Zukunft. Da warten viele neue Kapitel auf mich.
SPOX: Ganz ehrlich: Das glaube ich Ihnen nicht.
Tschagajew: Das ist Ihr Problem. Aber ich sage es Ihnen gerne noch mal: Für mich zählt nur der nächste Kampf. Die ganzen Dinge die davor waren, interessieren mich nicht mehr.
SPOX: Sie haben über ein Jahr nicht boxen können. Haben Sie ans Aufhören gedacht
Tschagajew: Manchmal ja.
SPOX: Wann war das?
Tschagajew: Gleich nach der Operation. Mein Arzt sagte mir direkt nach der OP, dass ich mich bewegen müsse. Aber meine Schmerzen waren so groß. Ich wollte nur liegen. Da dachte ich, dass ich keine Chance mehr auf Profiboxen habe. Für mich war es vorbei.
SPOX: Dafür sehen Sie jetzt wieder extrem fit aus.
Tschagajew: Ich habe viel gearbeitet. Sechs Tage Reha, sieben Stunden am Tag. Das war brutal. Aber als ich merkte, dass es besser wird, wurde die Motivation immer größer.
SPOX: Wie sehr hat Ihnen ihre Familie geholfen?
Tschagajew: Meine Familie hat irre viel geholfen. Ohne meine Frau Victoria und meinen beiden Söhnen Alan und Arthur hätte ich es nicht geschafft. Wenn ich nach der Reha müde nach Hause gekommen bin, haben meine Söhne oft gemerkt, dass es mir nicht gut ging. Mein Größter, der Arthur, sagte dann immer: "Papa, du musst noch mehr trainieren. Und Geld verdienen - für neues Spielzeug." Solche Dinge motivieren mehr als alles andere.
SPOX: Wohnen Sie noch immer in Ihrer 75-Quadratmeter-Wohnung in einem sehr bodenständigen Hamburger Stadtteil? Das ist eher untypisch für einen Box-Schwergewichts-Champion.
Tschagajew: Nein, ich bin umgezogen. Wir haben auf 150 Quadratmeter vergrößert. Aber es ist alles ganz normal. Kleiner Garten, eine Garage, Hunde. Es ist keine Mike-Tyson-Villa mit neun Schlafzimmern.
SPOX: Sie könnten sich viel mehr leisten.
Tschagajew: Aber ich fühle mich so wohl. Ich brauche die Ruhe, das Normale. Ich liebe das.
SPOX: Bis Ende Juni müssen Sie noch einmal gegen den Russen-Riesen Walujew boxen. Der Mann ist 2,13-Meter-groß, sie "nur" 1,85 Meter.
Tschagajew: Aber ich habe ihn ja schon einmal geschlagen. Und Holyfield hat ihm auch die Grenzen aufgezeigt. Für mich ist er kein Weltmeister. Er muss mich schlagen. Und dann darf er sich Weltmeister nennen.
SPOX: Wollen Sie auch über die Klitschkos reden?
Tschagajew: Jederzeit.
SPOX: Wie finden Sie die?
Tschagajew: Das sind zwei Weltmeister. Ich habe natürlich Respekt. Sie sind gute Boxer. Aber ich will gegen beide Klitschkos boxen. Und sie natürlich schlagen.
SPOX: Das klingt mutig.
Tschagajew: Jeder Boxer glaubt, dass er jeden schlagen kann. Und ich kann die Klitschkos schlagen.