Ahmet Öner: "Ich habe kein Zuhause"

Von Interview: Haruka Gruber
Ex-Halbschwergewichtler Ahmet Öner gründete 2006 den Boxstall Arena
© Imago
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SPOX: Ungewohnte Zweifel beim sonst so selbstbewussten Ahmet Öner?

Öner: Ich bin es einfach leid, dass in Deutschland schlecht über einen geredet wird und keiner mit mir gesehen werden will, hinter verschlossenen Türen aber dann doch jeder ankommt und Geschäfte machen möchte. Darf ich Ihnen eine Frage stellen?

SPOX: Natürlich.

Öner: Ich weiß, dass ich in Deutschland einen miesen Ruf habe, obwohl mich nur wenige persönlich kennen. Wir haben vor dem Interview noch nie miteinander gesprochen, was halten Sie denn von mir?

SPOX: Genau diese Frage soll das Interview zumindest ansatzweise beantworten: Was für ein Mensch ist Ahmet Öner? Auf der einen Seite sind Sie verurteilt worden und gelten als jähzornig und unberechenbar. Auf der anderen Seite sagt es viel über Ihren Leumund aus, dass Sie mit "Sat.1" und "SKY" zusammenarbeiten, die sonst nur Premium-Sportprodukte wie die Champions League übertragen. Oder dass Fatih Akin, Deutschlands bester Regisseur, einen Film über Sie drehen möchte, weil er von Ihrem Werdegang fasziniert ist.

Öner: In Deutschland gibt es eben nur das Schubladendenken. Der Öner ist scheiße, Punkt. Dabei beruhen die Vorurteile nur auf Artikeln von Journalisten, die wiederum ihre Informationen von anderen Artikeln abgeschrieben haben und dies mit Übertreibungen kaschieren wollen. Nur ganz, ganz wenige  Menschen wissen etwa, warum ich mich 2004 mit Klaus-Peter Kohl gestritten habe.

SPOX: Sie haben Kohl körperlich angegriffen.

Öner: Da fragt aber keiner nach, ob der Kohl mich provoziert und mir ins Gesicht gesagt hat, dass er mich mit allen Mitteln fertig machen will, bevor ich die Beherrschung verloren habe. Ich bin eben der Vorzeige-Asoziale Deutschlands. Ein zweites Beispiel: Als ich letztes Jahr angeschossen wurde, dachten die meisten, ich sei der Täter, obwohl ich eindeutig das Opfer eines Hinterhalts war. So etwas nervt kolossal. Bevor ich mir so etwas anhören muss, will ich lieber anonym sein und nirgendwo auffallen. Es ist eine schöne Vorstellung, wenn sich nach einem Boxabend von mir die Zuschauer auf dem Nachhauseweg fragen: "Ach, war der Öner eigentlich da oder nicht?" Ich sehne mich nach Normalität.

SPOX: Bei den Verhandlungen am Hamburger Amtsgericht vor einem Jahr, als Sie wegen 16 Straftaten angeklagt waren und am Ende zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt wurden, gaben Sie in den offiziellen Akten als Wohnort "Hotel Kempinski in Istanbul" an. Fühlen Sie sich heimatlos?

Öner: So könnte man es ausdrücken. Zu Deutschland habe ich nach den Erlebnissen keinen emotionalen Bezug mehr. Wenn überhaupt bin ich in Hamburg, weil hier mein Sohn und ein paar Freunde wohnen. Aber sonst? Ich habe mittlerweile aus praktischen Gründen eine Wohnung in Miami bezogen, aber einen tieferen Sinn hat es nicht. Im Grunde habe ich keinen Ort, den ich als mein Zuhause bezeichnen würde.

SPOX: Sind Sie verbittert, wenn Sie sehen, wie sehr jemand wie Don King in Deutschland bejubelt wird und Sie nicht?

Öner: Don King hat zwei Leute umgebracht, das ist Fakt. Dennoch wird er überall angehimmelt, weil er einen langen Atem hatte und wusste, dass sich die Fans irgendwann nur noch für seine Kampfabende und vielleicht seine schrägen Outfits interessieren. Womöglich beginnt in zehn Jahren auch ein ähnlicher Prozess bei mir und die Öffentlichkeit achtet mehr auf meine Boxer als darauf, was der Öner schon wieder treibt. Mir ist bewusst, dass ich der Szene Zeit geben muss, um alles zu verdauen.

SPOX: Immerhin sind Ihre Erfolge als Promoter unbestritten. Während Kohl mit Universum in einer schweren Krise steckt, hat sich Arena etabliert. Fühlen Sie Genugtuung?

Öner: Als ich Arena gegründet hatte, kam der hochnäsige Kohl zu mir an und sagte, dass ich ohnehin keine Chance hätte und Universum uns platt machen würde. Jetzt bekommen sie die Strafe für ihre Überheblichkeit. Ich beschere "Sat.1" Millionen-Quoten, Universum findet hingegen keinen TV-Sender und ist froh, wenn "Sport1" irgendwelche Vorkämpfe zeigt. Jetzt versuchen sie verzweifelt, den Leuten Jack Culcay als zukünftigen Superstar zu verkaufen, lassen ihn deswegen gegen ausgelutschte Gegner boxen und verramschen das an "Bild.de". Aber Culcay wird kein Großer, das sehe ich jetzt schon.

SPOX: Was sagen Sie zum generellen Zustand des Boxens in Deutschland?

Öner: Die Qualität hat insgesamt nachgelassen. Es gibt nur vier Boxer, die als Hauptkämpfer einen großen Kampfabend tragen können: Die beiden Klitschkos, Felix Sturm und vor seinen Niederlagen Arthur Abraham. Dahinter kommen Marco Huck und mit einem weiteren Abstand Sebastian Sylvester sowie Robert Stieglitz. Danach klafft ein großes Loch.

SPOX: Sie bemängeln die fehlende Klasse vieler Boxer in Deutschland. Aber sind Sie es nicht gewesen, der den drittklassigen Steffen Kretschmann als neue Schwergewichtshoffnung angepriesen hat, bevor dieser  hoffnungslos überfordert den Kampf gegen Denis Bachtow aufgab und damit für einen peinlichen TV-Moment sorgte?

Öner: Ich sag es ganz ehrlich: Kretschmann war für mich ein trojanisches Pferd - und es hat sich ausgezahlt. Er hat mir dabei geholfen, dass Arena mit "Sat.1" erstmals bei einem großen Free-TV-Sender eine Boxnacht alleine veranstalten konnte. So konnten wir "Sat.1" beweisen, dass selbst mit einem unbekannten Boxer wie Kretschmann eine richtig gute Quote mit 20 Prozent Marktanteil machbar ist. Sonst produziert "Sat.1" ja irgendwelche Event-Filme wie "Die Grenze" für mehrere Millionen Euro selbst, wir hingegen lagen mit dem Budget weit unter einer halben Million und haben dennoch etwas Vernünftiges abgeliefert, auch wenn das Ende nicht wie gewünscht verlaufen ist. Ohne Kretschmann hätte ich "Sat.1" nie dazu bewegen können, das Experiment Boxen zu wagen.

SPOX: Haben Sie keinerlei Mitleid mit Kretschmann?

Öner: Warum sollte ich? Er hatte doch alles selbst in der Hand. Wir haben ihm auf dem Silbertablett eine Chance serviert, für die sich tausende andere Boxer ein Bein ausgerissen hätten. Statt diese Möglichkeit zu nutzen und alles für den Event und den Sieg zu geben, hat er sich vor dem Kampf als nicht kooperativ erwiesen, die Medienarbeit vernachlässigt und dann noch die vielen Termine fürs Fernsehen als Ausrede für seinen schwachen Auftritt genutzt. Vor dem Kampf fragte er allen Ernstes, ob wir die ganzen Promotion-Drehs nicht nach dem Kampf machen könnten. Er hat einfach zu keinem Zeitpunkt verstanden, was wir für ihn geleistet und wie wir uns für ihn den Arsch aufgerissen haben. Wenn er im Ring dieselbe Leistung gezeigt hätte wie das gesamte Team um ihn herum, würden wir jetzt vielleicht nicht über Solis als nächsten Klitschko-Gegner sprechen sondern weiter über Steffen Kretschmann. Anders formuliert: So jemand verdient keine Milde von mir.

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