SPOX: Herr Huck, nach den Niederlagen von Arthur Abraham und Sebastian Sylvester sind Sie das neue Aushängeschild von Sauerland. Sind Sie sich dieser Verantwortung bewusst?
Marco Huck: Durchaus. Deswegen will ich gegen Garay natürlich ganz besonders glänzen. Viele werden ganz genau hinschauen. Ich stehe also noch mehr unter Druck als sonst.
SPOX: Wie gehen Sie damit um?
Huck: Ich bin einfach ein ganz gelassener Mann. Nach meinem Kampf kommt schließlich auch noch meine Hochzeit. Ich sehe die ganze Lage also eher entspannt. Ich weiß, was ich kann. Viele schauen auf mich, aber dieser Druck ist gleichzeitig auch eine Ehre. Wenn ich mich zurückerinnere: Mein Wunsch war es immer, bei Sauerland einen Platz zu bekommen. Und jetzt bin ich hier sogar die Nummer eins.
SPOX: Nicht schlecht für jemanden, der einst nur eine Handvoll Amateurkämpfe bestritten hat. Fehlt Ihnen diese Erfahrung?
Huck: Nicht unbedingt, auch wenn es am Anfang schwer war. Wer wollte mich mit meiner überschaubaren Amateurkarriere schon unter Vertrag nehmen? Ich war so unerfahren, die meisten Verantwortlichen kannten mich gar nicht. Als ich mich 2004 bei Ulli Wegner vorgestellt habe, waren meine ersten Worte: 'Ich will Weltmeister werden'. Da hat er mich ausgelacht. Nach dem ersten Sparring hat er dann aber große Augen gemacht.
SPOX: Sie haben also Taten sprechen lassen.
Huck: Genau. Und das Lustige ist: Jetzt bekomme ich selber mit, dass sich jeden Tag irgendwelche Leute bewerben. Ganz egal ob Amateur-Europameister oder Amateur-Weltmeister. Und die meisten bekommen trotzdem keinen Vertrag. Und ich mit meinen 15 Amateurkämpfen habe es damals geschafft. Das macht mich schon stolz.
SPOX: Haben Sie damals eigentlich auch schon so explosiv und offensiv geboxt?
Huck: (lacht) Als Amateur war ich vermutlich noch schlimmer. Damals bin ich wirklich zum Gegner hingelaufen, habe ein oder zwei Schläge abgefeuert, und dann war's auch schon vorbei. Da war ich ein echter wilder Stier. Aber Ulli Wegner hat mich mittlerweile gebändigt.
SPOX: Und sie zu einem Weltmeister geformt. Nach Ihrer letzten Titelverteidigung im April gegen den Israeli Ran Nakash haben Sie eigentlich eine Pause angekündigt. Drei Monate später kämpfen Sie dennoch wieder. Warum der Sinneswandel?
Huck: Eigentlich habe ich mir die Pause wirklich vorgenommen, aber mein Management hat gesagt: 'Junge, du musst ran, es geht nicht anders. Wir zählen auf dich.' Und deswegen tue ich ihnen natürlich den Gefallen. Außerdem bin ich ja erst 26. Da brauche ich nicht so viel Regeneration. Hoffentlich zumindest.
SPOX: Ihr Gegner wird der Argentinier Hugo Hernan Garay sein. Was erwarten Sie von ihm?
Huck: Ulli Wegner hat mich sehr vor ihm gewarnt. Der kann sehr gut boxen und hat zweimal umstritten gegen Zsolt Erdei verloren. Und den Brähmer hat er auch ziemlich auseinandergenommen. Vor allem offensiv ist Garay unglaublich variabel.
SPOX: Aber sein Sieg gegen Jürgen Brähmer liegt schon drei Jahre zurück.
Huck: Das mag sein, aber er ist auch jetzt erst 30. Man sagt ja so schön: 'Ein Mann ist am stärksten zwischen 27 und 33.'
SPOX: Sie können also nicht darauf hoffen, dass Garay körperlich abbaut?
Huck: Nein, die Argentinier sind bekannt für ihre Kondition und ihre Willensstärke. Ich muss einfach meinen Stil boxen.
SPOX: Und das bedeutet?
Huck: Wer mich kennt, weiß, wie ich so eine Sache angehe. Ich bin niemand, der gerne abwartet. Es wird sicherlich wieder einen Leckerbissen für das Auge geben.
SPOX: Haben Sie nicht mal daran gedacht, die ersten Runden im Arthur-Abraham-Stil ein wenig ruhiger anzugehen?
Huck: Das geht mir oft durch den Kopf. Wirklich. Aber es geht einfach nicht. Ich bin ein Mann, der sich sagt: 'Wenn ich eine kriege, muss ich 15 zurückschießen.' Ich versuche immer, mich im Zaum zu halten, aber es ist ganz, ganz schwer.
SPOX: Versuchen Sie mit einem schnellen K.o. vielleicht auch die Experten verstummen zu lassen, die Sie trotz der Siege gegen Denis Lebedev und Nakash kritisiert haben?
Huck: Ich kann die ständige Kritik langsam nicht mehr verstehen. Ich lebe in Deutschland. Ich bin Deutscher. Ich kämpfe für Deutschland. Dass viele den eigenen Mann kaputt reden, ist doch verrückt. Wäre es denen denn lieber, wenn irgendjemand aus einem anderen Land Weltmeister wäre? Normalerweise steht man doch zu seinem Landsmann. Aber gut: Ich kann einfach nur weiter zeigen, aus welchem Holz ich geschnitzt bin.
SPOX: Die meisten Experten fragen sich trotzdem: Warum Garay? Und warum beispielsweise keinen Rückkampf gegen Lebedev?
Huck: Das ist ganz einfach: Ich blicke nur nach vorne. Wen ich geschlagen habe, der muss sich hinten anstellen. Aber wir können über alles reden. Ich kämpfe gegen jeden. Ich bin nicht so wie die Klitschkos, die sich ihre Gegner genau aussuchen. Wen man mir vor die Fäuste stellt, den haue ich um.
SPOX: Wenn es aber mal nicht so läuft, werden Sie in der Ringpause Opfer eines Ulli-Wegner-Wutanfalls. Was geht einem dann durch den Kopf?
Huck: (schmunzelt) Wenn der Wegner nach einer harten Runde anfängt zu reden, denke ich mir häufig einfach nur: 'Oh nein, nicht der schon wieder!' Im Gegensatz zu vielen Kollegen, die im Ring einen Tunnelblick haben, nehme ich die Anweisungen aber bewusst wahr. Leider. (lacht)
SPOX: Ein Leidensgenosse in der Wegner'schen Ringecke ist Arthur Abraham. Mussten Sie Ihren Trainer nach der Niederlage von Arthur gegen Andre Ward aufbauen?
Huck: Ja, das ging ihm schon ans Herz. Aber mir genauso. Ich kenne Arthur schon sehr lange, wir haben viel miteinander durchgemacht. Ich glaube auch, dass er das Ding hätte schaukeln können, wenn er stärker an sich geglaubt hätte. Er hatte bis zur letzten Minute den Bumms, um Ward auszuknocken.
SPOX: Stimmen also die Vorwürfe, dass er vielleicht ein wenig satt ist?
Huck: Ach, wissen Sie, da kommen abertausende Kommentare. Immer nach dem Motto: Er hat zu viel dies, er hat zu viel das...
SPOX: ...er hat einen Ferrari...
Huck: Na, und? Ich liebe auch schnelle Autos. Man darf einfach nicht vergessen, wo man herkommt.
SPOX: ...und wo es hingeht: In einigen Monaten könnte für Sie das Super-Six-Turnier im Cruisergewicht anstehen. Wie ist der aktuelle Stand?
Huck: Wenn man ehrlich ist, war das Super-Six-Turnier im Supermittelgewicht nicht durchweg erfolgreich. Erst stiegen Boxer aus, dann kamen noch verletzungsbedingte Absagen dazu. Deswegen bin ich mir gar nicht mehr sicher, ob so ein Turnier die richtige Entscheidung wäre. Das Ziel ist ja eigentlich, dass die Besten gegen die Besten kämpfen. Aber das kann man auch durch Titelvereinigungskämpfe erreichen.
SPOX: Ihr Promoter Kalle Sauerland hat vor einige Zeit die Namen Krzysztof Wlodarczyk oder Steve Cunningham als mögliche Gegner in den Raum geworfen. Interesse?
Huck: Einen zum Frühstück, einen zum Abendessen. So einfach ist das. Cunningham spielt mir gegenüber immer auf Zeit, aber damit lasse ich mich nicht abspeisen. Wie auch immer, zuerst muss ich mich auf Garay konzentrieren und ihn besiegen.
SPOX: Nach Cunningham könnte es für Sie ins Schwergewicht gehen, wie Sie im letzten SPOX-Interview angedeutet haben. Stehen Sie noch zu Ihrem Wort?
Huck: Auf jeden Fall. Welche anderen Herausforderungen habe ich denn auch noch? Erst werde ich im Cruisergewicht mit den besten Leuten den Boden aufwischen, und es dann David Haye oder Evander Holyfield nachmachen. Ich mache ja jetzt schon Sparring mit Schwergewichtsboxern.
SPOX: Hat der mögliche Wechsel auch damit zu tun, dass man als Boxer in Deutschland nur im Schwergewicht so richtig wertgeschätzt wird? Ein Beispiel aus einer anderen Sportart ist Dirk Nowitzki, dessen Erfolge mit den Dallas Mavericks in Deutschland weitestgehend unter dem Radar verlaufen sind.
Huck: Es tut mir schon irgendwie leid, dass die Leistungen von Nowitzki viel zu wenig gewürdigt werden. Was er erreicht hat, ist einmalig. Bei mir ist es das Gleiche: Wir machen eine gute Reklame für Deutschland, die leider zu wenig geschätzt wird. Ob das im Schwergewicht anders wird, muss man abwarten.